Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und Machine Learning – viele technologische Trends nehmen gegenwärtig und auch zukünftig einen großen Einfluss auf die Arbeitswelt. Gleichermaßen ändern sich auch die Berufsbilder und die Anforderungen an die Arbeitnehmenden, die mit diesem Wandel Schritt halten müssen. „Bisher lag der Fokus auf Hyperspezialisierung, wohingegen in Zukunft beides wichtig sein wird: Hyperspezialisierung und neo-generalistisches Denken sowie das Schlagen von Brücken“, sagt Aileen Moeck.
Der Begriff Hyperspezialisierung wurde von Thomas W. Malone, einem US-amerikanischen Organisationstheoretiker und Unternehmensberater, geprägt. Er bezeichnet eine extreme Arbeitsaufteilung in immer kleinere Aufgaben, die Organisationen über das Internet weltweit an Spezialisten verteilen können.
Neo-Generalisten sind Personen, die keine stringente Karriere verfolgen, sondern Branchen, Positionen und Arbeitsinhalte in unregelmäßigen zeitlichen Abständen wechseln. Kenneth Mikkelsen, Mitarbeiter des Copenhagen Institute for Future Studies, und der Autor Richard Martin formulierten den Ausdruck in ihrem Buch „The Neo-Generalist: Where you Go is Who You Are“.
So seien viele der „Future Skills“ nicht neu, vielmehr gehe es um die Verstrickung der einzelnen Kompetenzen. Laut der Zukunftsforscherin ist es hierbei wichtig, der Digitalität – auch in nicht-technischen Berufen – aufgeschlossen gegenüberzustehen. Denn die Handhabe digitaler Technologien wird berufs- und branchenübergreifend immer bedeutsamer – auch über das Arbeitsumfeld hinaus. Die Art und Weise, wie Menschen kommunizieren, hat sich auch im privaten Umfeld stark gewandelt. Deshalb sind Kompetenzen im Umgang mit Technologien nicht nur für den wirtschaftlichen, sondern auch den zwischenmenschlichen „Erfolg“ unabdingbar.
Alle brauchen „Future Skills“
Vor allem die Corona-Pandemie hat als Katalysator gewirkt und den Arbeitsalltag in kürzester Zeit auf den Kopf gestellt. Diese Umstellung verlangte von Arbeitnehmenden eine Reihe von „Future Skills“: Teamarbeit und Kommunikation fanden plötzlich über – für viele – neue Kanäle statt. Der Umgang mit Tools, die für die Kollaboration und digitale Interaktion eine wichtige Rolle spielen, erfordert digitale Kompetenzen: die „Digital Citizenship Skills“.

Diese Gruppe der „Future Skills“ beschreibt Fähigkeiten, die in nahezu allen Berufen und Branchen von den Arbeitnehmenden verlangt werden. Neben dem grundlegenden Umgang mit digitalen Technologien, der digitalen Interaktion und Kollaboration ist auch das Digital Learning und agile Arbeiten elementar, um in einem digitalisierten Umfeld zurechtzukommen – und sich weiterentwickeln zu können. „Von Menschen wird zunehmend verlangt, systemischer zu denken und vorauszuschauen, was das eigene Handeln bewirkt“, so Moeck. Hier sind besonders „Classic Skills“ gefragt.
Klassische Skills sind wichtiger denn je
In einem dynamischen Arbeitsumfeld spielt vor allem die Fähigkeit zur Adaption eine große Rolle. Denn wechselnde Anforderungen, Aufgaben und Arbeitsweisen verlangen die Haltung, Fähigkeiten und Kompetenzen, sich auf neue Entwicklungen einlassen und sie für sich nutzen zu können. Darüber hinaus verlangen Unternehmen zunehmend unternehmerisches Denken und Kreativität von den Mitarbeitenden. Gerade im Homeoffice seien viele Angestellte vermehrt auf sich alleine gestellt und müssten eigenverantwortlicher arbeiten, als es beispielsweise im Büro der Fall war. „Darüber hinaus müssen sich Arbeitnehmende auch eine gewisse Grundresilienz aneignen, um in einem sich wandelnden Arbeitsumfeld bestehen zu können“, sagt Moeck.

Fachkräftemangel im technologischen Sektor
Neben den grundlegenden Digital Citizenship Skills und klassischen Skills steigt auch die Bedeutung der sogenannten „Technological Skills“. Diese Gruppe umfasst eine Reihe von „Hard Skills“, wie das Programmieren, die Datenanalyse und Robotikentwicklung. Hierbei entstehen teilweise völlig neue Berufsbilder, beispielsweise Datenwissenschaftler*in, Customer-Experience-Manager*in und Chief-Digital-Officers. Allerdings fehlen deutschen Unternehmen in diesen Berufsgruppen Fachkräfte. Rund die Hälfte der deutschen Unternehmen gab an, dass sie einen Fachkräftemangel im technologischen Sektor als besonders geschäftsgefährdend betrachten. So fehlen in Deutschland rund 700.000 Fachkräfte, 124.000 entfallen hierbei auf den IT-Bereich – eine große Herausforderung für Politik und Unternehmen und auch die Arbeitnehmenden.
Lust auf Wandel – aber wie?
Laut Moeck müssen diese ihre Haltung hinterfragen: „Wie offen bin ich für Neues? Wie mutig bin ich, etwas auszuprobieren?“ Um sich neue Skills anzueignen und die klassischen Skills zu reaktiveren, sollten sie etwas eingestaubt sein, müsse vor allem die Neugier geweckt werden. „Unternehmen müssen ihren Angestellten Freiräume geben und Impulse setzen, auch unternehmensintern etwas anderes machen zu können“, fordert Moeck. Hier sollten interessante Angebote geschaffen werden, wie ein monatlicher „Innovation-Day“ oder auch eine Vier-Tage-Woche, die es Angestellten ermöglicht, sich auch in ihrer Freizeit mit dem neuen Perspektiven und Entwicklungen auseinandersetzen zu können.

Dies werde in einem effizienzzentrierten Umfeld allerdings nicht ohne Hilfe aus der Politik passieren. „Unternehmen könnten steuerlich entlastet werden, um Unternehmen und Menschen in der Experimentierphase neuer Projekte oder Gründungen die Möglichkeit zu geben, mal mutig testen zu können“, so Moeck. Auch für die Arbeitnehmenden hält die Bildungsaktivistin einen Tipp parat: „Es entsteht eine große Macht, wenn wir an die Zukunft denken und uns aktiv positive Bilder setzen, auch wenn sie zunächst utopisch erscheinen. Es geht nur darum, die Neugier zu wecken und Lust auf die Zukunft zu machen, Perspektiven zu eröffnen und Pfade zu verlassen. Mit Vorstellungskraft lässt sich viel erreichen.“