
Ein Samstagmorgen, kurz vor neun Uhr: In den Schulungsräumen der Fiducia & GAD herrscht geschäftiges Treiben. Gleich beginnt der Global Day of Code Retreat (GDCR) – eine Veranstaltung für Software-Entwickler, die weltweit in unzähligen Städten stattfindet. Ziel ist es, die Grundlagen guter Software-Entwicklung zu lernen. Peter Fichtner arbeitet als Coach für agile Entwicklungspraktiken bei der Fiducia & GAD und organisiert den Tag in Karlsruhe. Für ihn ist die Veranstaltung eine Chance, über den Tellerrand zu schauen. Der Spaß steht im Vordergrund: Ohne den Druck, ein Ergebnis liefern zu müssen, können die Teilnehmer verschiedene Programmiersprachen ausprobieren und Erfahrungen sammeln, die anschließend im Arbeitsalltag zum Einsatz kommen. „Der Fokus liegt auf dem Ausprobieren. Die Aufgaben werden immer mit kleinen Auflagen, sogenannten Constraints, versehen. So übt man, bildlich gesprochen, den ganzen Tag mit Gewichten an den Händen, um es im Alltag etwas leichter zu haben“, erklärt Fichtner. Das macht den GDCR zu einer modernen Variante der klassischen Fortbildung, wenn auch mit kleinen Unterschieden: Jeder Teilnehmer steckt sich das Lernziel selbst und trainiert systematisch seine Interessen. Zudem gibt es keinen Coach, das Wissen wird innerhalb der Gruppe vermittelt und weitergegeben.
Arbeiten heißt lebenslang zu lernen
Während unsere Eltern meist ihre gesamte berufliche Laufbahn über den gleichen Job hatten – womöglich sogar noch beim selben Arbeitgeber, liebt die jüngere Generation die Abwechslung. Zwar bleibt die Mehrheit der Arbeitnehmer sehr lang bei einem Unternehmen, ein Blick auf die Zahlen offenbart aber Unterschiede zwischen den Altersgruppen: Laut der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit sind vor allem die 45- bis unter 65-Jährigen zehn Jahre und länger bei einem Unternehmen angestellt. Der größte Teil der Altersgruppe der 25- bis unter 35-Jährigen verweilt hingegen nur noch zwischen drei und fünf Jahre im selben Job.

Ein Grund dafür: die Digitalisierung. Sie verändert nicht nur Berufsbilder, sondern lässt Arbeitsplätze auch komplett verschwinden. So ergab die Jobstudie 2019 „Digitales Arbeiten“ von EY, dass neue Technologien bei mehr als jedem dritten Beschäftigten (36 Prozent) in der Vergangenheit Teile der eigenen Arbeit ersetzt haben – bei jedem zwölften Befragten sogar in erheblichem Umfang. In der Finanz- und Versicherungsbranche sind die Auswirkungen der Digitalisierung besonders deutlich zu spüren. 31 Prozent der Beschäftigten gaben an, dass durch die Entwicklung neuer Technologien bisherige Arbeitsinhalte überflüssig wurden, bei weiteren 29 Prozent hat die Computertechnik zumindest in geringfügigem Umfang bisherige Aufgaben ersetzt.
Wenn sich das ursprüngliche Berufsbild so wandelt, dass der eigentliche Job langfristig nicht mehr besteht, ist es an der Zeit, sich mit dem Thema Weiterbildung auseinanderzusetzen.
Fortbildung vs. Weiterbildung
Die beiden Begriffe werden häufig analog verwendet, unterscheiden sich aber in ihrer Bedeutung:
Mit einer Fortbildung qualifiziert man sich für konkrete Aufgaben im Beruf weiter. Die Fortbildung baut auf bestehenden Kenntnissen und Fähigkeiten auf und ergänzt diese. Sie kann zum Beispiel vonnöten sein, wenn man beruflich aufsteigt, neue Aufgabenfelder übernimmt oder neue Maschinen, Instrumente oder digitale Werkzeuge bedienen muss. Meist kümmert sich der Arbeitgeber um ein entsprechendes Angebot.
Eine Weiterbildung hingegen hilft, die eigenen Fähigkeiten und Qualifikationen im Allgemeinen zu verbessern. Sie ist relevant für alle, die etwas Neues lernen und nicht nur auf bestehende Fähigkeiten aufbauen möchten. Dazu zählt auch, wenn man sich beruflich neu orientieren oder sich neue Berufsfelder erschließen will, etwa per Ausbildung oder Fernstudium. Daher ist der Arbeitgeber auch nicht verpflichtet, sich an den entstehenden Kosten für die Weiterbildung zu beteiligen.
Vom Lehrer zum Frontend Entwickler
Ansgar Reimann hat Lehramt studiert. Nach dem ersten Staatsexamen entschied er sich allerdings für eine andere berufliche Laufbahn und arbeitete als E-Commerce-Manager eines Onlineshops. Als der Shop insolvent ging, musste Reimann umdenken: „Meine Bewerbungen verliefen meist vielversprechend, aber am Ende fehlte es immer an Kleinigkeiten. Somit entschied ich mich, doch Lehrer zu werden und das zweite Staatsexamen anzugehen.“ Dann aber hörte er in einem Podcast vom Hamburger Start-up „neue fische“, einem Bootcamp für Webdeveloper. „Ich hatte eigentlich nicht geplant, mich noch mal neu zu orientieren. Aber das Konzept hat mich sofort angesprochen. Ich interessierte mich schon lange fürs Programmieren, war aber bis dahin zu bequem, es mir selbst beizubringen“, erzählt Reimann.

Zwei Faktoren gaben schließlich den Ausschlag für seine Teilnahme am Bootcamp: die Möglichkeit, anschließend in einem höchst gefragten Berufsfeld tätig zu sein, sowie der direkte Kontakt zu renommierten Unternehmen bei der Jobsuche. Reimann hatte zwar bereits erste Programmierkenntnisse, dennoch war der Kurs eine große Herausforderung: „Der Lehrplan ist aufgrund der begrenzten Zeit eng getaktet. Ich musste in der Zeit nicht nur Begriffe pauken, sondern mir auch neue Denkstrukturen aneignen, um Probleme effizient lösen zu können.“ Im sogenannten digitalen Gesellenstück galt es dann, die erworbenen Fähigkeiten praktisch anzuwenden. Zwölf Wochen dauerte die Ausbildung bei „neue fische“, anschließend stieg der 32-Jährige direkt bei der Ticketbörse CTS Eventim als Junior Frontend Entwickler ein.

Fortbildung bringt weiter
Für Ansgar Reimann hat sich die Weiterbildung gelohnt und auch Fortbildungen räumt er einen hohen Stellenwert ein: „Gerade in der heutigen Zeit, in der sich Berufsfelder extrem schnell entwickeln und verändern, darf man nicht stehenbleiben.“ Und Peter Fichtner ergänzt: „Ohne Fortbildung werden Mitarbeiter Dinge immer auf die Art lösen, die ihnen schon bekannt ist – unabhängig davon, ob es tatsächlich die beste Lösung ist. Oder die Mitarbeiter setzen Technologien oder Werkzeuge ein, ohne damit vorher Erfahrung gesammelt zu haben. Beide Wege sind nicht gut. Aber je breiter das Wissen über mögliche Lösungen ist, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Mitarbeiter die beste Lösung für das Problem wählt.“

Wann aber sollten sich Mitarbeiter mit dem Thema Fortbildung auseinandersetzen? Und ab wann ist es sinnvoll, eine Weiterbildung in Angriff zu nehmen? Unsere Guideline gibt einen Überblick, welche Fragen du dir vorab stellen solltest:
- Welches Ziel verfolgst du damit?
Werde dir zunächst darüber klar, was du erreichen möchtest. Anschließend kannst du leichter bestimmen, welche Fähigkeiten und Kenntnisse dir für dieses Ziel noch fehlen und nach passenden Fortbildungsoptionen suchen. Hilfreich hierbei: Datenbanken wie das Weiterbildungs-Informations-System (WIS) der IHK. - Wie viel Zeit kannst du erübrigen?
Je nachdem, ob du nur ein paar Stunden, Wochen, Monate oder sogar Jahre investieren willst, kommen auch unterschiedliche Weiterbildungsarten für dich in Frage. Bei einer In-House-Schulung oder einem Wochenendkurs ist der zeitliche Rahmen genau definiert. E-Learning bietet dir große Flexibilität. Deutlich mehr Zeit benötigst du für ein Studium oder die Abendschule parallel zum Beruf. - Wo willst du dich fortbilden?
Check zunächst die firmeninternen Angebote: Viele Unternehmen bieten regelmäßige Trainings vor Ort oder bei externen Partnern. Auch Events wie Learning Lunches oder der GDCR zählen hierzu. Ansonsten haben auch die IHK und die Bundesagentur für Arbeit spannende Angebote. Die Google Zukunftswerkstatt bietet Online-Kurse und Trainings vor Ort. - Bist du eher Typ Selbstdisziplin oder Typ Aufschieberitis?
Wenn du gern selbstständig arbeitest, ist E-Learning das richtige für dich. Wer sich selbst nur schwer motivieren kann, sollte hingegen besser auf feste Lernzeiten, Kursleiter und Teamarbeit setzen. Ein Selbsttest kann hier weiterhelfen.