zurück zurück
Banken

Von null auf nachhaltig? So geht‘s

Nachhaltig sein wollen viele Unternehmen. Doch wie geht man das konkret an?
2021 02 FINT Artikel 03 Hoch unsplash TJ0 Kagkq A2 Y
Photo by Egor Vikhrev on Unsplash
24.02.2021

Nicht nur in der Finanzbranche steht Nachhaltigkeit ganz oben auf der Agenda. Doch wie lässt sich ESG in der Praxis umsetzen? Wo liegen die Fallstricke? Eine Anleitung für Einsteiger und Fortgeschrittene.

Den Eisbären am Nordpol schmelzen die Schollen weg, ganze Inseln versinken im Meer: Die Folgen des Klimawandels sind schon heute real. Klimaschutz ist daher nicht erst seit Greta Thunberg ein wichtiges Thema. Auch in der Finanzbrache ist es längst angekommen – unter anderem, weil die EU die Unternehmen mit Regulierungen stark in die Pflicht nimmt. So sind 2021 einige neue Regeln in Kraft getreten, die die Umsetzung von ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) in der Branche vorantreiben sollen. ESG ist dabei die Definition von Nachhaltigkeit für den Kapitalmarkt – die Finanzinstitute sollen also bei ihren Geschäften nicht nur ökonomische Aspekte berücksichtigen.

Immer up to date

FINTROPOLIS-Newsletter

So gilt beispielsweise ab März 2021 für die Finanzbranche eine neue Offenlegungsverordnung, die sie unter anderem dazu zwingt, Anlegerinnen und Anlegern zu erklären, warum ihre Produkte das Prädikat „nachhaltig“ verdienen. Zudem müssen sogenannte „wesentliche nachteilige Nachhaltigkeitswirkungen“ eines Produkts dargelegt werden. Dadurch wird beispielsweise öffentlich, welch schädliche Folgen ein bestimmter Aktienfonds für die Umwelt hat. Keine leichte Aufgabe, die Banken ganz schön ins Schwitzen bringt. „In der Branche blicken viele mit Sorge auf die neuen Regelungen“, sagt Jan Köpper, Head of Impact Transparency and Sustainability bei der GLS Bank.

Denn bei vielem ist dem Experten zufolge noch unklar, wie Banken in der Praxis damit umgehen sollen, einige technische Standards sind immer noch nicht etabliert. „Deswegen trauen sich viele nicht, Produkte mit echtem Impact auf den Markt zu bringen. Stattdessen tun sie nur das Nötigste“, meint Rolf Häßler, Geschäftsführer des NKI Instituts für nachhaltige Kapitalanlagen. Im Thema Nachhaltigkeit liegen viele Chancen in der Ausgestaltung – etwa für Genossenschaftsbanken. „Sie könnten sich zum Beispiel als Zukunftsgestalter in der Region positionieren, was großen Kundennutzen stiftet“, sagt Häßler. „Viele Volks- und Raiffaisenbanken tun das bereits. Aber es ist wichtig, dass sie das, was sie schon immer getan haben, mit Neuem verbinden – und eine Antwort auf die Frage geben: Wie wollen wir leben? Nur so schaffen sie abseits vom Hype etwas Dauerhaftes.“

2021 02 FINT Artikel 02 Hoch unsplash 2xjk8 WWLFC4 Photo by Kenny Krosky on Unsplash

Die Branche muss das Thema Nachhaltigkeit also anpacken, traut sich aber häufig nicht so recht heran. „Unternehmen merken jetzt, dass ihr althergebrachter Ansatz, ihre üblichen Prozesse und Entscheidungswege, nicht mehr funktionieren. Das Thema ist dafür einfach zu komplex und zu neu. Es gibt gerade niemanden, von dem man abschauen kann. Das ist für viele ein schmerzvoller Punkt: Zu erkennen, dass man selbst eine Lösung entwickeln muss“, sagt Meike Frese von der Fährmann Unternehmensberatung.

Trotz aller Verunsicherung ist eines mit Sicherheit keine Lösung: Nichts tun. Jedes Unternehmen sollte sich Nachhaltigkeit auf die Fahne schreiben, da sind sich die drei Fachleute einig. Dafür haben sie auch gleich einige Tipps, wie eine Roadmap in die Nachhaltigkeit aussehen könnte:

1. Verständnis entwickeln
Im ersten Schritt ist es entscheidend, bei allen Beteiligten ein gemeinsames Verständnis zu wecken: Was bedeutet Nachhaltigkeit für uns überhaupt? Und was ist der Organisation wichtig? Ist es der ökologische Aspekt? Der soziale? Wie stehen diese Themen in Verbindung? Und wie wirkt sich ESG auf den ökonomischen Erfolg aus?

2021 02 FINT Artikel Quer unsplash Oypn Yfdi Qgg Photo by Alexander Abero on Unsplash

2. Menschen mitnehmen
Anschließend ist es wichtig, die Menschen in der Organisation mitzunehmen. Die oberste Führungsebene hat dabei eine Vorbildfunktion. Nur wenn sie mit gutem Beispiel vorangeht, ist der nachhaltige Auftritt von Unternehmen glaubwürdig. Mit ihren eigenen Handlungen sollten Führungskräfte Nachhaltigkeit vorleben und die Belegschaft so ermutigen, mitzuziehen: Angefangen bei konkreten Tätigkeiten in der Bank wie dem Projektgeschäft, bei Produkten, Dienstleistungen, Governance-Regeln und -Prozessen, bis hin zu Papierverbrauch, Anfahrtswegen der Mitarbeitenden oder Kantinenessen.

3. Das Wesentliche finden und umsetzen
Last but not least müssen Worten Taten folgen. Die Voraussetzung dafür ist eine so genannte Wesentlichkeitsanalyse. Sie hilft dabei, die für alle beteiligten Gruppen entscheidenden Aspekte zu definieren. Um das alles herauszufinden, sollten Menschen innerhalb einer Organisation miteinander ebenso in Austausch gehen wie mit Kunden, Investoren und Mitarbeitenden – und über die Wünsche und Erwartungen des jeweils anderen sprechen. Wer erst einmal erfahren hat, was allen Beteiligten am Herzen liegt, kann darauf aufbauend Ziele, Strategien und Maßnahmen definieren. Außerdem ist wichtig zu ergründen: Wo in der Wertschöpfungskette gibt es welche negativen und positiven Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft? Die Regulatorik hat dabei ganz konkrete Erwartungen. Etwa, wie Nachhaltigkeit wahrgenommen werden soll – und wie die konkrete Gestaltung des Risikomanagements aussieht. Auf diese Weise kann ESG in den Kern der Geschäftsstrategie integriert und passgenau umgesetzt werden.

2021 02 FINT Artikel Hoch unsplash o6k9kehw Photo by Rachmaddian Shotz on Unsplash

„Wer das alles gemacht hat, ist auf einem guten Weg. Wichtig ist, einfach mal zu starten – auch wenn man klein anfängt“, sagt Jan Köpper. Je nachdem, wie weit ein Betrieb in Sachen Nachhaltigkeit ist, lohnt es sich laut dem Experten, auch mit dem Umgang mit Mitarbeitenden oder ihren Anfahrtswegen zu starten. „Damit hat man schon mal etwas in Bewegung gebracht mit Themen, die jeder greifen kann.“

Also, los geht‘s? Moment. Es lauern einige Fallstricke:

1. Es gibt keinen Königsweg
In vielen Unternehmen herrscht die Auffassung, es gebe einen goldenen Weg zum Nachhaltigkeitsmanagement – und deshalb auch einen für alle gültigen Prozess. Das ist jedoch ein Irrglaube. „Unternehmen, die versuchen, einen Beraterprozess nachzubauen, werden mit ESG scheitern“, meint Meike Frese. „Es ist für Unternehmen zwar ungewohnt. Aber bei ESG muss jeder im Rahmen dessen, was die Aufsicht vorgibt, seinen eigenen Weg finden. Niemand wird damit erfolgreich, nur die Regeln der Regulatorik mit externen Prozessen nachzubauen. So entsteht keine Innovation und vor allem auch keine Identifikation mit den Möglichkeiten des nachhaltigen Handelns. Die Spielräume, die es innerhalb des regulatorischen Rahmens gibt, sollte jede Bank für sich nutzen. Dabei ist es entscheidend, sich die Frage zu stellen: Was wollen wir? Und was können wir erreichen mit unserem spezifischen Geschäftsmodell, unseren Stakeholdern und unseren Werten?“

2. Keine Angst vor dem Zuhören
Viele Unternehmen fürchten sich davor, einfach mal mit allen Beteiligten über Nachhaltigkeit zu sprechen. „Firmen sind es gewohnt, erst dann zu kommunizieren, wenn sie einen Plan haben oder irgendeine Leistung vorzeigen können“, meint Frese. Ein offener Austausch, bei dem das oberste Ziel das Zuhören ist, das ist der Expertin zufolge in vielen Fällen schambesetzt. „Doch Zuhören und Verstehen ist Teil dieses Ökosystems. Es lohnt sich, hier Zeit und Kraft zu investieren. Nur dann führt der Weg zum Erfolg.“

3. Nachhaltigkeit schön und gut, aber…
Menschen sind widersprüchlich – das gilt auch für das Thema ESG. So stehen viele Mitarbeitende aller Ebenen zwar grundsätzlich hinter nachhaltigem Handeln. Bei der konkreten Ausgestaltung von Produkten oder ihres Arbeitsalltags beharren sie dann aber doch auf ihren althergebrachten Positionen. „Ich diskutiere immer wieder mit Asset Managern, die ESG begrüßen und auch Kinder und Enkelkinder zu Hause haben. Aber am Ende wollen dieselben Menschen dann doch an den Titeln eines Umweltverschmutzers festhalten, weil der im Portfolio so gut läuft. Mit diesem Widerspruch im Menschen umzugehen, ist für Unternehmen eine große Aufgabe, die sich nie ganz lösen lässt“, meint Rolf Häßler. Ein wichtiger Schritt sei es jedoch, sich dieses Problems bewusst zu werden.

2021 02 FINT Artikel 01 Hoch unsplash S g00 TP8 M Photo bei Paul Hanaoka on Unsplash

Na, dann nichts wie los! Die Eisbären werden dankbar sein (und nicht nur die).

2021 02 FINT Artikel 01 Quer Photo by Johnny Cohen on Unsplash
24.02.2021