Makler wedeln mit handgeschriebenen Zetteln, Laufburschen rennen umher, Zurufe, Schweiß, Hektik, das Parkett im Handelssaal bebt. Wer gedanklich in die Historie der Börse eintaucht, hat sofort dieses Bild im Kopf. Es wird gekauft und vertickt. Das Zeitfenster ist kurz. Nach zwei Stunden ist Schluss. Der Handelstag ist vorbei.
Und heute? Das Parkett ist – zumindest an einigen Handelsplätzen wie Frankfurt oder New York – noch da, doch die Zettel sind längst Monitoren gewichen. In den 1970er Jahren nahm die Technologisierung Fahrt auf. Moderne Technik hielt Einzug, unterstützte den Börsenhandel und veränderte die Atmosphäre in den Handelssälen weltweit. Statt Börsenmakler übernehmen heute sogenannte Spezialisten das Geschäft.
Von den Anfängen des Parketthandels – laut, wild und doch mit System

Sie ist die weltweit größte Wertpapierbörse und beherbergt damit das berühmteste Parkett der Welt – die New York Stock Exchange (NYSE). Ihren Grundstein legten 1792 amerikanische Broker, lange nachdem die erste Börse in Brügge entstanden war (1409). 24 von ihnen kamen in der Wall Street 68 zusammen, um fünf (!) verschiedene Aktien zu handeln. Ein Geschäft, das Profit versprach und schnell Schule machte. Schon ein Jahr später kamen New Yorker Händler im nahegelegenen „Tontine Coffee House“ täglich zu zwei Sitzungen zusammen, um ihre Gebote abzugeben. Natürlich verbal – Kommunikationsmittel gab es schließlich keine.
Bis ins frühe 19. Jahrhundert entwickelte sich daraus der Präsenz- beziehungsweise Parketthandel. In Anlehnung an den Bodenbelag, auf dem er in speziellen Börsengebäuden und zu festgelegten Zeiten stattfand. Durch lautes Zurufen und per Handzeichen signalisierten sich die Broker, dass sie mit dem Kauf eines Schuldscheins oder einer Anleihe zu einem bestimmten Preis einverstanden waren.
Dass es dabei – zumindest in New York – heiß hergegangen sein muss, legt der Bußgeldkatalog der NYSE nahe. „Raufen“ kostet noch heute 500 US-Dollar, wer jemandem einen Streich spielt, muss 250 US-Dollar zahlen.
Noch heute? Genau. Die New York Stock Exchange oder kürzer: die Wall Street, ist eine der letzten großen Präsenzbörsen der Welt. Nach wie vor gibt es hier rund 250 sogenannte Floor Trader.
1867 – Das erste Echtzeit-Massenmedium revolutioniert den Aktienhandel
Eine kleine Revolution auf dem Parkett feierte der Aktienhandel 1867. Denn mit der Einführung des „Börsentickers“ konnten Informationen über Aktienkurse plötzlich durch die exklusiven Mauern der Börsensäle nach außen dringen.

Der Börsenticker war eine Art telegrafischer Drucker, der die Kurse aus dem Börsensaal zu all jenen Empfängern sendete, die über einen solchen Apparat verfügten. Dabei wurden die Firmennamen – als abgekürzte Symbole – sowie der jeweilige Kaufpreis der Aktien auf einen Papierstreifen gedruckt. Weil das Gerät so laut „tickerte“, stand es unter einer schalldämpfenden Glasglocke.
Im Börsensaal sammelten Botenjungen die aktuellen Kurse ein und liefen damit zur telegrafischen Sendezentrale. Über einen Transmitter wurden diese dann an die Tickerapparate im Land weitergeleitet. Somit war der Börsenticker das erste „Echtzeit-Massenmedium“, wie Lea Haller im Buch „Transithandel: Geld- und Warenströme im globalen Kapitalismus“ schreibt. Er führte nicht nur zu einem enormen Anstieg des Börsenhandels, sondern machte ihn – theoretisch – für jedermann zugänglich.
1920-1960 – Boom, Crash, Krieg, Stillstand der Technik

Der Wirtschaftsboom nach dem Ersten Weltkrieg manifestierte sich in den Goldenen Zwanzigern. Wer als Amerikaner Geld besaß, wollte es vermehren. Die Spekulationen an der Wall Street nahmen unüberschaubare Ausmaße an. Dann der Crash, die Blase platzte. Mit dem Schwarzen Freitag, jenem 25. Oktober 1929, nahm die Weltwirtschaftskrise ihren Lauf.


Und in Deutschland? Verringerte sich die Zahl der Wertpapierbörsen unter den Nationalsozialisten von 21 auf neun (1933). Das Gebäude der Berliner Börse an der Spree wurde während des Zweiten Weltkrieges fast vollständig zerstört. Erst 1952 ging der amtliche Handel mit Wertpapieren in Berlin, genauer West-Berlin, wieder los – am 11. März im Logenhaus an der Emser Straße.
Auch das Frankfurter Börsengebäude wird bei einem Bombenangriff der Alliierten 1944 schwer getroffen. Doch wird der Amtliche Handel hier schon 1949 wieder eröffnet – in den Kellerräumen. Der große Handelssaal wird erst 1957 wiedereröffnet – in neuer Gestalt. Ein Novum: Die Aktienkurse werden auf Tafeln angezeigt.
1960 – Es werde Licht!

Erholung in den 1960er Jahren. Die Technologisierung nimmt wieder Fahrt auf. In Berlin wird 1965 eine neue Kursanzeigentafel in Betrieb genommen, die die Kurse mithilfe von Diaprojektoren anzeigt. Die Schiefertafeln der ersten Jahre verschwinden. Und: Es wird gefilmt. Die Diaprojektionen werden so auf Bildschirme übertragen, die in der Börse selbst und bei Banken installiert sind.
Eine Pionierleistung übernimmt Berlin auch in Sachen TV-Übertragung. Ab 1965 können Privatanleger das Börsengeschehen vom Sofa aus verfolgen. Der Sender Freies Berlin überträgt live vom Parkett des Börsensaals.


1970 – Going digital

Die 1970er markieren einen Wendepunkt im Börsengeschehen. Vorreiter? Frankfurt. An Datenstationen können Makler ihre Börsengeschäfte erfassen und elektronisch weiterverarbeiten (computerunterstützter Parketthandel). Der Handel an sich erfolgt weiterhin über mündliche Absprachen. Etwa gleichzeitig wird die Börsen-Daten-Zentrale GmbH gegründet – das Rechenzentrum der Frankfurter Wertpapierbörse. Schließlich erhalten die Mitgliedsfirmen der Börse sogar die Möglichkeit, per Fernschreiber mit dem Börsencomputer zu korrespondieren.
Einen Schritt weiter gehen die Amerikaner. Mit der Gründung der NASDAQ 1971 und ihrem bildschirmgestützten Handelssystem entsteht die erste elektronische Börse. Die Automatisierung des Handels nimmt endgültig Fahrt auf. Die Händler mussten nun nicht mehr auf dem Parkett anwesend sein, sondern konnten diese auch von außerhalb via Monitor ausführen.
1980 – Adieu für alte Tafeln

Eine kleine aber feine Veränderung kommt in den 1980er Jahren zum Tragen. Vielerorts werden die alten Kursanzeigetafeln durch wandfüllende moderne Pendants ersetzt. In Frankfurt löst 1987 das computergestützte Kursinformationssystem KISS die seit 1964 benutzte Kurstafel ab. Berlin folgt 1989 mit einem neuen System. Und auch in München geht es in den späten 1980er Jahren moderner zu.

1990 – Eine neue Ära beginnt

In den 1990er Jahren erobern Computer dann endgültig die Handelssäle und läuten ein neues Zeitalter an. 1991 führt die Frankfurter Börse IBIS ein, ein integriertes Börsenhandels- und Informationssystem für den Kassamarkt. Damit kann erstmals eine begrenzte Anzahl deutscher Aktien vollelektronisch gehandelt werden. Die Händler werden dadurch jedoch nicht überflüssig, sondern wählen händisch Orders aus, die im System verfügbar sind.

Den Höhepunkt der Entwicklung markiert die Einführung von Xetra an der Frankfurter Börse. Das vollelektronische Handelssystem revolutioniert den Aktienmarkt, da es den Börsenpreis selbstständig ermittelt. Seit dem 28. September 1997 muss – theoretisch – kein Makler und Skontroführer mehr das Parkett betreten. Die Börse ist nun überall dort, wo ein Bildschirm steht.

Und heute?

Mittlerweile werden über 90 Prozent des täglichen Aktienhandels an deutschen Börsen über Xetra abgewickelt. Aus den klassischen Börsenmaklern sind Spezialisten geworden. Sie kontrollieren das Handelssystem und stellen im Zweifel Liquidität sicher. Papiere werden innerhalb von Bruchteilen von Sekunden gekauft und verkauft.
Einzigartig in Europa tun sie das in Frankfurt nach wie vor in einem Handelsaal. Der Parketthandel lebt dort – wenn auch Xetra-unterstützt und insbesondere für den Handel mit ausländischen, weniger stark gehandelten Aktien, Anleihen und Fonds – bis heute weiter.

Und wie sieht es mit der Zukunft der Börse aus?
Wie der Wertpapierhandel im Jahr 2030 genau funktionieren wird, kann heute niemand sagen. Doch es gibt erste Anzeichen, in welche Richtung die technologische Entwicklung geht. So arbeitet unter anderem die Deutsche Börse an einem Ökosystem für digitale Assets und einer „Tokenisierung“ von Wertpapieren auf Basis einer Blockchain. Durch den Einsatz dieser Technologie könnte der Wertpapierhandel endgültig aus den physischen Räumen der Börsen verschwinden, da für den Kauf und Verkauf kein Marktplatz mehr benötigt werden würde. Das wäre aber noch lange kein Ende für die Börsen weltweit. Denn selbst wenn die Vermögenswerte ohne Bank und Börse ihren Besitzer wechseln können, braucht es Instanzen, die die Token emittieren und rechtssicher aufbewahren, die Spielregeln festlegen und den Handel überwachen.
