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Leben

Virtual Reality – Top oder Flop?

„VR wird nicht der disruptive Schritt sein, der unser aller Leben verändert.“
190925 FINTROPOLIS Artikel01 Hochkant Virtual Reality Retina
© Photo by Martin Sanchez on Unsplash
25.09.2019

Mit allen Sinnen in fremde Welten eintauchen, ohne sich dafür vom Fleck bewegen zu müssen – Virtual Reality (VR) sollte unsere Wahrnehmung revolutionieren. Viel passiert ist seither aber nicht, oder? Heiko Faller, Innovationsmanager bei der Fiducia & GAD erklärt im Interview, warum VR trotzdem ein Erfolg ist und welche Bereiche von der Technologie profitieren werden.

Heiko, ist der Trend um Virtual Reality zum Rohrkrepierer geworden?

H. F.: Nein, das würde ich nicht sagen. 2017 war Virtual Reality zum letzten Mal im Gartner Hype Cycle Report vertreten. Im Jahr darauf wurde VR mit der Begründung nicht mehr aufgeführt, dass es technologisch nahezu ausgereift sei.

Ich würde nur dann von einem Rohrkrepierer sprechen, wenn es keine Anwendungsfälle für die Technologie gäbe. Beim 3D-Fernsehen trifft das zum Beispiel zu: Das war zunächst ein großer Hype, aber heute wird die Technik in keinem modernen Fernseher mehr verbaut – oder zumindest nicht mehr beworben, weil der Bedarf einfach nicht da ist.

Im Gegensatz dazu gibt es für VR aber Anwendungsfälle. Ich finde, es ist immer ein gutes Zeichen, wenn nicht mehr viel über Technologien gesprochen wird, die aber trotzdem verwendet werden. Denn dann ist das Thema aus der Hype-Phase heraus und kann für relevante Einsatzgebiete getestet werden, ohne dass zu hohe Erwartungen hineingesteckt werden.

190925 FINTROPOLIS Artikel05 Querformat Virtual Reality Retina © Photo by Christian Fregnan on Unsplash

Was macht die Technologie so außergewöhnlich?

VR bietet die Möglichkeit, Situationen wirklich zu erleben, statt sie nur in 2D auf dem Bildschirm anzusehen. Das schafft eine emotionale Bindung. Ich habe zum Beispiel Leute gesehen, die sich in einer VR-Anwendung nicht getraut haben, über eine virtuelle Planke an einem Hochhaus zu laufen – obwohl sie wussten, dass sie sich in einem sicheren Raum ohne Abgrund befinden.

190925 FINTROPOLIS Artikel04 Querformat Virtual Reality Retina © Photo by Stella Jacob on Unsplash

Auch in der Anwendung, die wir entwickelt haben, spielen wir mit diesen Emotionen. Man steht vor einem offenen Fenster und hat sofort ein Kribbeln in den Händen, man möchte den Controller, den man festhält, nicht fallen lassen. Solch eine emotionale Bindung lässt sich durch Virtual Reality besonders gut hervorrufen und das macht die Technologie wiederum so besonders. Darüber hinaus kann man auf diese Weise auch Gefahren simulieren, ohne sich wirklich in riskante Situationen begeben zu müssen. Letztlich spart man damit auch Kosten.

Gefahrensimulation klingt interessant – kannst du uns ein Beispiel nennen?

Flugsimulatoren beispielsweise gehören auch zu Virtual Reality und werden schon lange zu Schulungszwecken eingesetzt. Dadurch können unerfahrene Piloten ein Gefühl für schwierige Situationen im Luftraum bekommen, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen.

Welches Potenzial siehst du in VR?

Virtual Reality hat das Potenzial, die Art zu verändern, wie wir Dinge konsumieren. Und sie hat das Potenzial, Menschen zu erreichen und Emotionen zu binden. Aus meiner Sicht wird VR aber nicht der disruptive Schritt sein, der unser aller Leben verändert.

Dennoch wird es Veränderungen geben, etwa in den Bereichen Produktentwicklung und Fertigung. So hat beispielsweise der Helikopter-Hersteller Bell im vergangenen Jahr vermeldet, dass er ein neues Modell mithilfe von VR zehnmal schneller als normalerweise designen konnte.

190925 FINTROPOLIS Artikel02 Querformat Virtual Reality Retina © Photo by Scott Webb on Unsplash

Du hast die Produktentwicklung und Fertigung genannt, die meisten bringen VR in erster Linie aber mit der Gaming-Szene in Verbindung. Kannst du uns einen Überblick geben, wo VR heute schon regelmäßig zum Einsatz kommt?

Zum Beispiel im Tourismus: In Reisebüros können sich Kunden von den Hotels mittels VR-Brille bereits vorab einen Eindruck verschaffen. Auch in Freizeitparks ist die Technologie beliebt – der Europa-Park Rust hat beispielsweise mehrere Fahrgeschäfte, die mit VR unterstützt werden. Bei einer Achterbahn kommt VR schon im Eingangsbereich zum Einsatz, das heißt, man setzt die Brille schon vor dem Einsteigen auf und taucht damit zu einem sehr frühen Zeitpunkt in die virtuelle Welt ein.

Im Bereich Medizin steht die Technologie noch am Anfang, da wird sich in Zukunft bestimmt noch einiges tun. Wo die USA schon sehr fortschrittlich sind, ist der Bildungssektor. Dort wird VR vereinzelt eingesetzt, um Schüler auf virtuelle Exkursionen mitzunehmen, die sich im Alltag nicht so einfach realisieren lassen würden. Hier kann sich Deutschland noch einiges abschauen.

Im Marketing hingegen nutzen auch hierzulande schon viele Firmen VR. Sie verwenden VR-Anwendungen, um das Unternehmen vorzustellen oder aber um Produktionsbereiche zu erläutern.

190925 FINTROPOLIS Artikel03 Querformat Virtual Reality Retina © Photo by Stella Jacob on Unsplash

Wie kann man sich das vorstellen?

Da kann ich als Beispiel unsere eigene Entwicklung nennen. Wir haben gemeinsam mit einigen Genossenschaftsbanken sowie einem externen Partner eine Anwendung entwickelt, in der man im Prinzip das eigene Leben durchspielen kann. Der Nutzer setzt die VR-Brille auf und reist einmal durch sein Leben. Dabei erfährt er, welche Rolle die Bank in seinem Leben spielt und wie sich die Genossenschaftsbanken von anderen Finanzinstituten unterscheiden.

Die Anwendung richtet sich vor allem an junge Leute und ist mobil verfügbar. So können Banken Hardware und Software mitnehmen und bei Veranstaltungen einsetzen, wo die Zielgruppe anzutreffen ist.

Ein schönes Beispiel dafür, wie Banken die Technologie für sich nutzen können. Gibt es noch weitere Anwendungsszenarien?

Bislang sind die Bereiche Banken und VR kaum verknüpft. Eine kleine Anekdote dazu: Für Kunden ist es momentan eher verwirrend, dass die Volks- und Raiffeisenbanken und Virtual Reality beide mit „VR“ abgekürzt werden.

Es gibt aber durchaus Punkte, an denen Banken die Technologie einsetzen können – etwa beim Kundenkontakt. Der Genossenschaftsverband hat zum Beispiel eine Anwendung entwickelt, die begleitend zur Kundenberatung Bilder über VR liefert und so die Produkte und deren Nutzen klarer darstellt. Analog zur Videoberatung wäre auch ein Beratungsangebot im virtuellen, dreidimensionalen Raum möglich. Allerdings fehlt mir da noch der Mehrwert im Vergleich zur Videoberatung – hier sollte man aber mal abwarten, wie sich die Technologiepreise entwickeln.

Für die Finanzbranche eröffnen sich zudem im Bereich Immobilien Einsatzmöglichkeiten für VR: Virtuelle Immobilienbesichtigungen haben wir bereits relativ früh aufgegriffen, allerdings auch bald wieder verworfen. Denn für die Regionalbanken bedeutet es meist weniger Aufwand, die Wohnung mit dem Kunden direkt zu besichtigen, als professionelle Fotoaufnahmen in 360 Grad anfertigen zu lassen. Für größere Finanzinstitute, die Immobilien deutschlandweit vertreiben wollen, kann es aber ein adäquates Mittel sein.

Mit Blick auf die Zukunft kann ich mir aber vorstellen, dass eine einfache Kameradrohne die Wohnung durchfliegt und fotografiert. Diese Aufnahmen werden anschließend automatisiert zusammengesetzt, sodass der Aufwand für die 360-Grad-Bilder so gering ist, dass es sich für alle Banken lohnt.

190925 FINTROPOLIS Artikel03 Hochkant Virtual Reality Retina © Photo by Heiko Faller

Infos zur Person

Heiko Faller hat Angewandte Informatik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Karlsruhe studiert. Währenddessen beteiligte er sich an einem Studentenprojekt zum Thema Virtual Reality bei der Fiducia & GAD. Seit 2017 ist er als Innovationsmanager bei der Fiducia & GAD in München tätig. Er beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit dem Bereich Mixed Reality, der Virtual Reality (VR), Augmented Reality (AR) sowie Augmented Virtuality (AV) umfasst.

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