Stefan, wie bist du auf die Idee zur App gekommen?
In meiner näheren Umgebung gab es eine Serie von Übergriffen, die in Wohngegenden stattfand. Dennoch hatten die Menschen damals in den Situationen oft keine Chance, sich bemerkbar zu machen. In einer solchen Situation bleibt keine Zeit, eine Nachricht zu schreiben oder jemanden anzurufen. Wir dachten uns: Das muss schneller und einfacher gehen. So kam die Idee, die technischen Möglichkeiten eines Smartphones mit dem Aspekt der Sicherheit zusammenzubringen.
Mit SafrKids können Kinder mit nur einem Knopfdruck freiwillige Helfer*innen in der näheren Umgebung alarmieren. Die Nutzer*innen bekommen eine Notification und den Standort des betroffenen Kindes aufs Handy. So können sie umgehend zur Hilfe eilen und als Schwarm für Sicherheit sorgen. Außerdem können sich Eltern auch zu Gruppen zusammenschließen, sodass der Notruf nicht an alle Nutzer*innen in der Umgebung versendet wird.

Was versteckt sich hinter der „Schwarm-Sicherheit“?
Dem Prinzip liegt der genossenschaftliche Gedanke zugrunde. Als Gemeinschaft sind wir immer stärker als die oder der Einzelne. Je größer der Schwarm wird, desto schneller kann geholfen werden. Rettungswägen brauchen in Deutschland rund acht bis 15 Minuten, um am Einsatzort zu sein. Mit SafrKids wollen wir dahin kommen, dass innerhalb von 90 bis 180 Sekunden Ersthelfer*innen vor Ort sind. Bei Kindern geht es dabei vorrangig um Mobbing. Deshalb wollen wir für Kinder und Jugendliche mehr Sicherheit und auch ein Gefühl des Schutzes schaffen.
Künftig wollen wir die App in Kooperation mit Partner*innen auf alle Altersgruppen ausweiten und auch bei medizinischen Notfällen helfen. Dabei geht es uns nicht darum, die Sanitäter*innen zu ersetzen. Das würde gar nicht funktionieren. Wir wollen eine Ergänzung sein und beispielsweise Betroffene von Herzattacken eine möglichst große Überlebenschance geben – mit jeder Minute, die unser Gehirn ohne Sauerstoff ist, sinkt die Wahrscheinlichkeit zu überleben um zehn Prozent. Jede Minute zählt.
Trotz deiner großartigen Idee verlief der Gründungsprozess nicht reibungslos.
Das stimmt. Ich hatte ein tolles Team aus Grafiker*innen, Entwickler*innen und auch Jurist*innen um mich geschart. Auch Kooperationspartner wie das Fraunhofer Institut Magdeburg und weitere Spezialist*innen standen an unserer Seite. Gemeinsam haben wir einen schlagkräftigen Businessplan erarbeitet.
Trotzdem bekamen wir eine Absage von einem Förderprogramm der Hamburger Bürgschaftsbank für Innovationen, nachdem wir acht Monate lang im Austausch waren und die Idee auch erfolgreich vor einem Gremium gepitcht hatten. Leider wurde uns mitgeteilt, dass die Sachbearbeitung die Erfolgswahrscheinlichkeit nicht bemessen konnte. Deshalb sammelten wir das notwendige Kapital von sogenannten Business Angels ein. Dennoch war die Zeit wirklich hart.

Dennoch wirkst du sehr positiv und optimistisch.
Aus gutem Grund! Zum einen natürlich, weil wir die ehemalige Vierländer Volksbank für unser Konzept begeistern und so letztendlich doch eine starke regionale Partnerin für uns gewinnen konnten. Zum anderen, weil wir vor Kurzem das Patent für unsere Idee bekommen haben. Damit haben wir alle Argumente auf unserer Seite. Wir freuen uns wahnsinnig, unsere Vision weiter vorantreiben zu können.
Wie sehen eure nächsten Schritte aus?
Vor nicht allzu langer Zeit haben wir eine Influencer-Kampagne gestartet. Das ist zwar wahnsinnig teuer, aber wir können viele Neuanmeldungen verzeichnen. Auch das ist ein Grund für meinen Optimismus. Außerdem befinden wir uns in sehr guten Gesprächen mit Banken, Versicherungen, Venture-Capital-Investor*innen und anderen potenziellen Kapitalgeber*innen, die unsere Vision der gegenseitigen Hilfe teilen. In absehbarer Zeit wollen wir die Schallmauer von 100.000 Nutzer*innen knacken. Diese Marke sehen wir als Meilenstein. Haben wir diesen erst einmal erreicht, wird die App – so zumindest unsere Überzeugung – selbstständig wachsen und immer mehr Menschen begeistern können.
Neben der SafrKids-App hat Livvic auch ein FeelGood-Portal entwickelt – wie kam es dazu?
Psychosoziale Gesundheit rückt glücklicherweise vermehrt in den Mittelpunkt. Die Pandemie hat diese Entwicklung verstärkt. Gerade während der vergangenen beiden Jahre waren viele Menschen einsam, hatten keinen Ausgleich zu ihrem Alltag und deshalb stieg auch das Stresslevel bei einigen. Mit dem FeelGood-Portal haben wir eine Möglichkeit zur Förderung der psychischen Gesundheit und Prävention geschaffen. Coachings zu Achtsamkeit, Selbstbestimmtheit, aber auch Fitness- und Yogakurse unter Aufsicht sollen den Menschen dabei helfen, glücklicher und ausgeglichener zu sein.
Das Angebot richtet sich allerdings nicht nur an Menschen, die sich gegenwärtig unglücklich fühlen. Wir wollen auch Menschen einladen, ermutigen und inspirieren, die sich wohlfühlen, um diesen Zustand möglichst lange beizubehalten oder sogar weiter auszubauen. Warum sollten wir uns erst um unsere Gesundheit kümmern, wenn wir krank sind? Dabei ist es wichtig, dass die Teilnehmer*innen vor allem die ersten 30 bis 60 Tage am Ball bleiben. So lange dauert es ungefähr, neue Gewohnheiten in den Alltag zu integrieren.

Was wünschst du dir für die Zukunft deiner beiden Herzensprojekte?
Für SafrKids wünsche ich mir natürlich, dass wir einen Beitrag zur Gewaltprävention leisten und im Extremfall Schlimmeres verhindern können. Außerdem wünsche ich mir, dass die App ein Bestandteil des gängigen Notruf-Ablaufs wird. Wir wollen innerhalb von wenigen Minuten Ersthelfer*innen dahinbringen, wo sie gebraucht werden und die Zeit, bis die Notärztin oder der -arzt vor Ort ist, möglichst gut überbrücken. Ich will das keinesfalls als Kritik verstanden wissen. Es gibt nur eine begrenzte Zahl an Sanitäter*innen, aber Millionen von potenziellen Ersthelfer*innen. Die wollen wir gezielt vernetzen und für mehr Sicherheit sorgen.
Mit dem FeelGood-Portal wollen wir die digitalen Möglichkeiten ausschöpfen, auf uns zu achten. Die Generationen vor uns hatten diese Chance gar nicht. Deshalb wünsche ich mir einfach, dass wir möglichst viele Menschen erreichen und zu mehr gesundheitlicher Achtsamkeit animieren können.
Vielen Dank für das spannende Gespräch!