An den Wänden warten Lebensmittel wie Reis oder Nudeln in hohen schmalen Behältern auf Kund*innen. Auf Holztischen duften Seifen um die Wette, während getrocknete Gewürze in bauchigen Gläsern Lust aufs Zugreifen machen. Wer in Berlins erstem Unverpackt-Laden einkauft, bringt Jutebeutel, Tupperware oder Gläser selbst mit – und kauft 100 Prozent Bio. Die meisten Waren haben eine Null-Müll-Lieferkette, so Milena Glimbovski, Gründerin und Geschäftsführerin von „Original Unverpackt“ (OU). Für so wenig Verpackungsmüll wie möglich – und fürs Klima. „Mit ‚Original Unverpackt‘ will ich zeigen: Ein Alltag mit viel weniger Verpackungen ist sehr gut möglich“, erklärt sie.

Do it yourself für Unverpackt-Fans
Ein kleiner Hippie sei sie schon immer gewesen, sagt Milena Glimbovski. „Der ganze Verpackungswahnsinn regt mich seit Langem auf.“ Zero Waste – ein möglichst müllfreies, nachhaltiges Leben – wird zu ihrer Lebenseinstellung, für die auch der Unverpackt-Laden steht. Ihre Idee zündet: Nach der Gründung von OU vor sieben Jahren in Berlin-Kreuzberg boomen verpackungsfreie Supermärkte. Knapp 200 sind es bis heute allein in Deutschland. Mehr als 900-mal hat Milena Glimbovski weltweit ihren Online-Kurs verkauft, der zeigt, wie Unverpackt-Läden funktionieren. Eine Geschäftsidee, die zum Vorbild wird.
Wann und wie sie auf die Idee kam? „Beim Kochen mit meiner Freundin Sara Wolf“, erzählt Milena Glimbovski. Neun Jahre ist das jetzt her. „Ich sagte: Es ist viel zu viel Müll, der auf dem Küchentisch liegen bleibt. Da müssen wir was machen!“ Gemeinsam schreiben die Studentinnen einen Business-Plan. Sie rufen eine Crowdfunding-Kampagne ins Leben, bei der mehr als 100.000 Euro Startkapital zusammenkommen. Weil beide bestens online vernetzt sind. „Wir haben viele Veranstaltungen besucht, haben gebloggt und beobachtet, wie sich alles entwickelt. Unser Glück war, dass jede*r etwas mit dem Thema Verpackungsmüll anfangen konnte und wir viele für unsere Idee begeistern konnten.“

Von der Studentin zur Umweltaktivistin
Als Unverpackt-Pionierinnen müssen sie vieles neu denken und nach Lösungen suchen, die es noch nicht gibt. Milena Glimbovksi: „Wir mussten zum Beispiel die Großhändler davon überzeugen, Waren so wenig wie möglich verpackt zu liefern.“ Viel Arbeit, die sich lohnt. Schnell wird der Unternehmerin mit russisch-deutschen Wurzeln klar: Ihre Idee ist auf dem Weg zur Erfolgsgeschichte. Weiter Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation studieren? Nicht dran zu denken. Die Studentin wird zur Umweltaktivistin – und Zero Waste zur Bewegung. Als Vorreiterin schreibt Milena Glimbovski Bücher, hält Vorträge über Müllvermeidung und Existenzgründung und trommelt auf Social Media für den Zero-Waste-Lifestyle. „Ich bin getrieben durch den Ehrgeiz, die Welt besser zu hinterlassen, als ich sie vorgefunden habe“, schreibt die Autorin in ihrem Buch „Ohne Wenn und Abfall“.

Was sie mit OU erreicht hat, macht sie stolz. „Wir konnten einen echten Unterschied machen“, sagt die 31-Jährige. „Es motiviert mich sehr, dass ich jetzt so einkaufen kann, dass es meinen persönlichen Werten entspricht. Und dass es durch ‚Original Unverpackt‘ gelungen ist, vielen anderen dies auch zu ermöglichen.“ Heute sei sie radikaler als damals. „Ich merke: Das, was wir fürs Klima und die Umwelt tun, reicht nicht. Die Verantwortung liegt bei den Konsument*innen, aber vor allem bei der Regierung.“ Sie selbst verzichtet auf Plastik, einen gut gefüllten Kleiderschrank und reist mit dem Zug statt mit dem Flugzeug. Auf die Fridays-for-Future-Demonstrationen geht sie gemeinsam mit ihrem kleinen Sohn.
Ein guter Plan gegen Burn-out
Auch in anderen Lebensbereichen setzt die Berlinerin auf Nachhaltigkeit. Nach einem Burn-out entwickelt sie 2015 gemeinsam mit Jan Lenarz einen Lebensplaner für mehr Achtsamkeit. Eine neue Crowdfunding-Kampagne soll den Verkauf ermöglichen. Schon wenige Stunden nach dem Start ist „Ein guter Plan“ komplett finanziert. Knapp 200.000 Euro kommen zusammen. „Mit 1.200 Prozent Überfinanzierung war es die damals erfolgreichste deutsche Crowdfunding-Kampagne“, sagt Milena Glimbovski. Sie gründet einen eigenen Verlag, wird 2018 Berliner Unternehmerin des Jahres. Als sie 2019 ihren zweiten OU-Laden in Berlin eröffnet, versendet ihr Online-Shop bereits seit drei Jahren Non-Food-Produkte an Unverpackt-Fans.

Seit Corona gibt es auch einen Lieferservice per Lastenrad oder Elektroauto. Und eine Idee, die Milena Glimbovski nach einer Auszeit auf dem schwedischen Land nach Berlin mitnimmt. Die Idee von einem Dorf, das sich mit klimapositiver regenerativer Landwirtschaft selbst versorgt und zusätzlich soziale Bedürfnisse abdeckt. Ein intersektionales Dorf, nennt sie es. Oder auch ein inklusives Dorf, in dem sich jede*r sicher fühlt – unabhängig von Alter, Gesundheit und Sexualität. In den sozialen Medien hat die Idee viel Feedback bekommen. Vielleicht der Auftakt für die nächste Crowdfunding-Kampagne.
Milena Glimbovski könnt ihr in FINTROPOLIS am 24. Juni treffen. Dort berichtet sie darüber, wie Zero Waste im Alltag funktionieren kann – und wie gut ein nachhaltiger Lebensstil tut.
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