Der Mann, der die Bank der Queen ruinierte
Das ist passiert:
Er ist 25 Jahre alt, hat nicht studiert und ist in einfachen Verhältnissen im Londoner Vorort Watford in einer Sozialwohnung aufgewachsen. Sein Job? General Manager bei der Barings Bank. Eine 223 Jahre alte Bank, die auch das Vermögen der Queen verwaltet. Nicht der schlechteste Start ins Berufsleben – dachte sich auch Nick Leeson. Nachdem er 1990 erst nach Hongkong und anschließend nach Indonesien versetzt wird, landet er 1992 am Barings-Standort in Singapur. Weil die Bank aber Stellen einsparen möchte, ist er hier nicht nur General Manager, sondern auch Chefhändler – und muss sich damit selbst überwachen und kontrollieren. Seine Aufgabe vor Ort: der Handel mit Derivaten an der Singapore International Monetary Exchange, kurz: Simex

Während der ein oder andere Mitarbeitende bei Barings bei dieser Art der Personalunion eigentlich hätte Veto einlegen müssen, nimmt Leeson die Positionen natürlich dankend an. Wieso auch nicht, für den jungen, ehrgeizigen und intelligenten Mann ist dies schließlich der ganz große Traum!
So ist es ausgegangen:
Es dauert nicht lange, bis Nick Leeson erste Gewinne erzielt. Bereits ein gutes Jahr später sind seine Arbeitgeber so zufrieden mit dem neuen General Manager, dass er einen satten Bonus von fast einer Million Pfund erhält. Dass seine Coups weniger mit Können als mit Glück zu tun hatte, berichtet Leeson seinen Vorgesetzten natürlich nicht. Und auch über die vereinzelten Verluste, die er hier und da macht, schweigt er lieber. Er geht sogar noch einen Schritt weiter: Damit ihm niemand auf die Schliche kommt, versteckt er die durch Spekulationen entstandenen Verluste auf einem ungenutzten Konto – Kontonummer 88 8 88. Während er also bei seinen Kolleg*innen und den Vorständen der Bank als totaler Überflieger dasteht und sich selbst als erfolgreichsten Börsenhändler in der Geschichte der Barings-Bank präsentiert, häufen sich die Minus-Summen auf Konto 88 8 88. Im Jahr 1994 hat er bereits 500 Millionen Pfund verzockt.
Anfang 1995, als ein Erdbeben mehrere japanische Städte verwüstete, sieht Nick Leeson seine große Chance: Die Aktienmärkte sind ins Schwanken geraten und würden, so Leesons Gedanke, bald wieder steigen. Die Gelegenheit, um all seine Verluste in einen Gewinn zu verwandeln. Also setzt er alles auf diese Karte und investiert. Der Index steigt allerdings nicht – er fällt. Noch in dieser Nacht flieht Nick Leeson. Am Bildschirm seines Computers hinterlässt er einen Zettel mit der Aufschrift „I’m sorry“. Mit seiner Frau Lisa reist er erst nach Brunei, später nach Thailand sowie nach Abu Dhabi und landet schließlich in Frankfurt, wo ihn deutsche Polizisten am 2. März 1995 verhaften. Seine Kolleg*innen hatten in der Zwischenzeit seine Nachricht gefunden und daraufhin die Schubladen seines Schreibtischs aufgebrochen. Darin lag: Ausdrucke des Kontos mit den vielen Achten – der chinesischen Glückszahl.

Letztlich wurde Nick Leeson wegen Urkundenfälschung, Untreue und Betrugs zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Aufgrund einer Krebserkrankung kommt er nach viereinhalb Jahren wieder frei. Und die Barings Bank? Die musste wegen der hohen Verluste Bankrott melden.
Du findest den Fall spannend? Trifft sich gut: Neben spannender Lektüre, „Das Milliardenspiel. Wie ich die Barings-Bank ruinierte“, die Nick Leeson persönlich geschrieben hat, gibt’s auch den passenden Film! „High Speed Money – Das schnelle Geld“ wurde 1999 verfilmt. In der Hauptrolle? Kein geringerer als Ewan McGregor.