zurück zurück
Leben

Spektakuläre True-Crime-Fälle aus der Welt des Geldes | Teil 5

Verbrechen aus Leidenschaft? Nicht bei diesen True-Crime-Stories aus der Wirtschafts- und Finanzwelt. Hier ging es den Tätern vor allem um Habgier, Macht – und Geld!
220510 FINT Artikel Finanz True Crime Unsplash j M6 Y2nhs Atk
© Photo by David von Diemar on Unsplash
10.07.2022

Treuhandkonten, die nur von Luftüberweisungen lebten, mehr oder weniger gelungene Raubüberfälle und das berühmte Ponzi-Schema: In den vergangenen Jahren gab es allerhand spektakuläre True-Crime-Stories in der Welt der Wirtschaft und Finanzen. Wir haben uns auf eine Reise in die Vergangenheit begeben, um die spannendsten Fälle für dich zu suchen – und sind fündig geworden!

Vom Mörder zum größten Finanz-Genies Frankreichs – zur ersten Aktienblase der Geschichte

Das ist passiert:

John Law, Schotte, Dandy, Sohn eines Goldschmiedes und begnadeter Glückspieler, tötet einen Mann während eines Duells. Der Grund: eine Frau. Natürlich. Dummerweise ist das Duellieren zur damaligen Zeit – Anfang des 18. Jahrhunderts – nicht nur verboten. Auf das Verbrechen steht auch noch die Todesstrafe. John Law ist aber glücklicherweise nicht nur Schotte, Dandy, Sohn eines Goldschmiedes und begnadeter Glücksspieler – er ist auch noch ziemlich smart. Und so gelingt ihm nur kurze Zeit, nachdem er verhaftet und zum Tode verurteilt wurde, die Flucht aus dem King’s-Bench-Gefängnis in England. Nach einigen Monaten auf der Flucht landet Law 1715 schließlich in Frankreich.

220710 FINT True Crime5 r Mt Zu6 Jb R8 Q unsplash

Das Land des guten Käses und Weines ist um 1700 aber keineswegs ein Ort, an dem man sich eine Weile entspannt zurücklehnen und das französische Flair genießen kann: Am 1. September 1715 stirb Ludwig XIV, besser bekannt als der „Sonnenkönig“, in seinem Schloss Versailles. Zurück lässt er vor allem eines – Staatsschulden. Und zwar fast drei Milliarden Livres. Zur heutigen Zeit wäre ein Livre zwischen fünf und 15 Euro wert. Weil Ludwigs rechtmäßiger Nachfolger aber noch minderjährig ist, übernimmt der Herzog von Orléans nun erst mal die Regentschaft. Regieren liegt dem Herzog aber gar nicht und so überträgt er die ganze Arbeit einfach einem guten Freund. John Law.

Dieser hat in den Jahren seiner Flucht von einer Art „Innovation“ gehört: Papiergeld. Und dieses will er nun, um die Wirtschaft im Land wieder anzukurbeln, in Umlauf bringen. So gründet der Schotte die „Banque Générale“. Eine private Bank, die verspricht, Geldscheine mit Gold- und Silbermünzen zu decken – und jederzeit wieder gegen Hartgeld einzutauschen. Das wiederum kommt sowohl aus Aktien, die die Bank gegen Edelmetall kauft, als auch von Kunden, die ihre Münzen bei der Bank deponieren. Bereits 1718 ist aus der „Banque Générale“ die „Banque Royale“ geworden – die mächtigste Bank im Staat.

220710 FINT True Crime5 n GW Tn G7 J Xdw unsplash

„Man sieht 800 neue Kutschen in Paris und die reich gewordenen Familien kaufen neues Tafelsilber, neue Möbel, neue Gewänder und eine neue Equipage, sodass hier ein gewaltiger Handel herrscht“, schreibt „Robinson Crusoe“-Autor Daniel Defoe damals in seine Heimat. Von großer Armut zum Wirtschaftsboom – und das binnen weniger Jahre, das hatte Law quasi im Alleingang geschafft. Mindestens 200.000 Menschen sollen zu dieser Zeit nach Paris gekommen sein, um am plötzlichen Reichtum teilzuhaben. Eigentlich der perfekte Zeitpunkt, um sich eine Weile entspannt zurücklehnen und das französische Flair zu genießen. Eigentlich.

So ist es ausgegangen:

John Law will aber mehr als nur die Wirtschaft ankurbeln. Er will Frankreich auch von all seinen Staatsschulden befreien. Als Inspiration dafür dienen ihm die gewinnorientierten englischen Handelsgesellschaften East India Company und South Sea Company. Letztere hatte kurz zuvor den britischen Staat aus der Schuldenkrise geholt. Auch Frankreich besitzt zum damaligen Zeitpunkt eine Handelsgesellschaft und ein Gebiet in Nordamerika: Louisiana, der Name des Überseeterritoriums, erstreckt sich über rund 5.000 Kilometer entlang des Flusses Mississippi, vom Golf von Mexiko bis ins heutige Kanada.

220710 FINT True Crime5 v YJ7 Qd0z Aec unsplash

Kurzerhand gründet der Schotte die „Compagnie d’Occident“, investiert in Schiffe und Expeditionen und gründet vor Ort und mit Grüßen an den Herzog die Stadt „La Nouvelle-Orléans“, heute besser bekannt als New Orleans. Sein Traum: Gold, Edelsteine, Gewürze, Tabak und seltene Pelze. Der Krone wiederum garantiert er durch das Überseemonopol und durch Steuern, etwa der Tabaksteuer, ein bestimmtes Jahresaufkommen. Damit nicht genug: Wer Aktien kauft, soll von den Schätzen profitieren.

Bereits im August 1719 kauft der Schotte die Staatsschulden für einen billigen Kredit auf – und wird mehr oder weniger über Nacht zum Helden der ganzen Nation. Im Laufe des Herbstes springt der Aktienkurs von eingangs 500 auf 10.000 Livre. Doch schon im Winter spricht sich plötzlich herum, dass das gelobte Land an dem schön geschwungenen Fluss eher einem Sumpf gleicht. Von Gold, Edelsteinen, Gewürzen, Tabak und seltenen Pelzen keine Spur. Auch das Gerücht, dass der Herzog von Orléans mehr Papiergeld drucken lässt, als Edelmetall vorhanden ist, wird immer lauter.

220710 FINT True Crime5 u Rcbqai Kk Ko unsplash

Dann geht plötzlich alles sehr schnell – und die „Mississippi-Blase“ platzt. Weil die Aktie rasant fällt und wütende Anleger*innen ihr Geld wollen, kommt es 1720 zu einem riesigen Tumult vor der Bank. Scheiben werden eingeschlagen und Protestierende teilweise zu Tode getrampelt. John Law, einst gefeiert als Frankreichs Erlöser, wird zum Sündenbock des Landes. Bis zu seinem Tod 1729 versucht er verzweifelt, dem Herzog von Orléans neue Vorschläge zur Minimierung der Staatsschulden zu machen. Er wird nicht mehr angehört.

Du findest den Fall spannend? Dann könnte der Roman "The Mississippi Bubble" von Emerson Hough genau das Richtige für dich sein.

10.07.2022