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Leben

Teilen gehört zum Menschen

Teilen statt kaufen – der Grundgedanke der Sharing Economy hat sich in den letzten Jahren stark verbreitet. Dabei ist er gar nicht so neu.
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09.10.2019

Das Prinzip des Teilens ist keine Erfindung des Silicon Valley. Trotzdem spielt die Digitalisierung eine große Rolle bei der Entwicklung der Sharing Economy und kommerzialisiert ein wichtiges soziale Verhaltensmuster.

Für den Städtetrip buchen wir eine Unterkunft über Airbnb, für den Weg zur U-Bahn schnappen wir uns einen E-Scooter von Tier und für den Einkauf nehmen wir ein Car2Go. In vielen Bereichen des Lebens gibt es Sharing-Angebote. Leihen und teilen statt kaufen und besitzen – dieser charmante Grundgedanke hat sich in der letzten Dekade stark verbreitet. Dabei ist er gar nicht so neu.

Die Idee und Umsetzung der Sharing Economy gibt es schon deutlich länger als Airbnb, Uber und Spotify. Städtische Büchereien, Maschinenringe in der Landwirtschaft und Genossenschaftsbanken zeigen, dass wir uns schon viel länger dieses Modells bedienen – und es keine Erfindung des Silicon Valley ist. Auch im Finanzsektor gibt es den Shared-Economy-Ansatz nicht erst seit Crowdinvesting & Co.

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Teilen ist für den Menschen überlebenswichtig

Der Mensch organisiert sich in Gemeinschaften seit es ihn gibt. Oft spielt dabei das Teilen eine größere Rolle als das Besitzen. Denn für das Überleben ist das Teilen enorm wichtig. Wenn wir heute etwas abgeben, gewinnen wir Verbündete für die Zukunft und können damit rechnen, später von ihnen zu profitieren. „Schon Höhlenbewohner haben Sachen geteilt“, erklärt der Konsumforscher Frank Trentmann gegenüber der „Zeit“. Und in der Geschichte gibt es viele weitere Beispiele, die aus der Not heraus Gemeinschaften zum Wohle aller geformt haben.

Ein historisches Erfolgsmodell des Teilens ist etwa die Genossenschaft. Im deutschsprachigen Raum haben in der Mitte des 19. Jahrhunderts unabhängig voneinander Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch erste kreditgenossenschaftliche Modelle ins Leben gerufen. Deren Grundsätze lauteten Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung – die Grundlage für die späteren Genossenschaftsbanken. Ihr Ziel war es, den Mittelstand aus einer finanziellen Not zu befreien. Denn Handwerker, Bauern und kleine Unternehmen hatten zum damaligen Zeitpunkt keinen Zugang zu Banken. Bis heute ist der Genossenschaftsansatz die Grundlage für die Genossenschaftsbanken. Die Nutzer sind gleichzeitig deren Eigentümer. Die Ergebnisse der Zusammenarbeit – vor allem in Form der Gewinne – fließen den nutzenden Eigentümern zu.

Und liegen damit in der Tradition einer nachhaltigen Ökonomie des Teilens, die zum Gemeinwohl beiträgt.

Heute hat das Prinzip des Teilens durch die Digitalisierung eine ganz neue Dimension bekommen. Plötzlich ist es möglich, durch Internet-Portale, Apps und innovative Technologien wie Blockchain, Angebot und Nachfrage zusammenzubringen, wie es zuvor nicht möglich war.

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Sharing ist ein Milliarden-Markt

Und das mit Erfolg: Für 2018 schätzt die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsfirma PwC einen Umsatz der Shared Economy in Deutschland von 24 Milliarden Euro – ein Fünftel mehr als im Vorjahr. 22 Prozent davon gehen allein auf Privatübernachtungen zurück. Auch die Nutzerzahlen von Shared-Angeboten steigen weiter. Allein die Carsharing-Kunden in Deutschland sind Anfang 2019 auf 2,46 Millionen gestiegen. Im Vorjahr waren es noch knapp 2 Millionen.

So unterschiedlich die Ansätze der einzelnen Sharing-Angebote sind, so unterschiedlich sind auch die Motivationen der Akteure dahinter. Es gibt im Wesentlichen zwei Varianten: die kostenlosen Modelle, bei denen ohne Gegenleistung geteilt wird wie Wikipedia, frei zugängliche Software (Open-Source-Software) oder Foodsharing. Und die kostenpflichtigen oder auch kommerziellen, bei denen die Betreiber von Plattformen ein Entgelt für die zu erbringenden Leistungen an sich sowie die Vermittlung verlangen wie bei Airbnb, Uber und Spotify.

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Doch während die eine Variante – die kommerzielle – immer größer wird, fürchten Kritiker, dass die sozialere Variante immer mehr verschwinden werde. Die grüne Sharing Economy werde es, so Reinhard Loske, Professor für Politik, Nachhaltigkeit und Transformationsdynamik, bis auf wenige kleine Inseln nicht mehr lange geben. „Das marktwirtschaftliche System (…) werde diese sozio-kulturelle Innovation als Frischzellenkur nutzen“, schreibt Loske in einem wissenschaftlichen Artikel. „Der digitale Kapitalismus wird auch das Teilen und Tauschen seinen Gesetzen unterwerfen, der idealistischen und altruistischen Motive berauben und in eine riesige Kommerzveranstaltung transformieren.“

Fazit

Ob es wirklich soweit kommen wird, kann heute noch keiner beurteilen. Aber eins ist gewiss: Das Teilen wird immer Teil des Menschen sein.

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09.10.2019