34 Millionen (Gelegenheits-)Zocker gibt es alleine in Deutschland, mehr als drei Milliarden sind es weltweit. Zwei Drittel der E-Sport-Enthusiasten in Deutschland sind jünger als 39 Jahre – aber die Community wird immer diverser. Das betrifft nicht nur das Alter, sondern beispielsweise auch die Herkunft, das Geschlecht und die Sozialisation. Auch die Digital Natives aus den Generationen Y und Z, die mittlerweile circa 20 Prozent der deutschen Haushalte ausmachen, haben im E-Sport ein Zuhause gefunden. Ein Zuhause, über das sich die sonst so schwer erreichbare Zielgruppe gezielt adressieren lässt.
Wachstum, soweit das Auge reicht
Galt das Gaming vor Jahren noch als Randerscheinung, in der sich Nerds austoben konnten, ist die Branche heute in der Mitte der Gesellschaft angekommen. „Der E-Sport ist lange kein Trend mehr, da steckt eine nachhaltige Entwicklung dahinter, die durch die Corona-Pandemie nochmals beschleunigt wurde“, sagt Sebastian Raßmann, Head of CoE Inspiration bei Trendone.

Das lässt sich mit eindrucksvollen Zahlen belegen: Laut dem Marktforschungsinstitut Juniper Research wird die gesamte Branche im Jahr 2021 mehr als 2,1 Milliarden US-Dollar umsetzen, bis 2025 soll dieser Wert auf über 3,5 Milliarden steigen. Ein prognostiziertes Wachstum von rund 70 Prozent in nur vier Jahren. Zum Vergleich: Die Fußball-Bundesliga hat in der Saison 2018/2019 rund vier Milliarden Euro erwirtschaften können. Darüber hinaus soll auch die Zahl der Zuschauenden, die per Livestream die Events verfolgen, nochmals rapide steigen. Über die Streaming-Plattformen Twitch und YouTube haben im vergangenen Jahr mehr als 400 Millionen Menschen E-Sport-Turniere live verfolgt. Bis 2024 soll die Zahl auf knapp 600 Millionen anwachsen.
E-Sport gewinnt an Anerkennung
Dass das professionalisierte Videospielen auch im regulären Sport zunehmend Akzeptanz findet, zeigen die E-Sport-Teams der Fußball-Bundesligisten, wie beispielsweise der VfL Wolfsburg. Und auch eine der höchsten sportlichen Instanzen selbst trägt dazu bei: Nachdem sich das Internationale Olympische Komitee (IOC) lange gegen den digitalen Sport positioniert hat, richtete das IOC im vergangenen Mai und Juni selbst ein erstes E-Sport-Turnier aus – die IOC Virtual Series. Raßmann ist überzeugt, dass sich diese Entwicklung fortsetzt: „Aufgrund des Generationenwechsels glaube ich, dass der E-Sport in den nächsten fünf bis zehn Jahren einen ähnlichen Stellenwert wie der analoge Sport erreichen wird.“

Die genannten Gründe machen den E-Sport zu einem zunehmend beliebten, aber noch relativ unbekannten Marketinginstrument. Um dieses aber gezielt einsetzen zu können, ist es wichtig, den Markt und vor allem die Zielgruppe zu verstehen.
Neue Anforderungen an die Kommunikation
Die Digital Natives weisen ein verändertes Mediennutzungsverhalten auf und haben dementsprechend andere Erwartungen an die Interaktion mit Werbetreibenden. Besonders das Storytelling ist der jungen Generation äußerst wichtig. Das bietet den Unternehmen die Chance, Botschaften und ihre Marke über einen hohen Grad sozialer Interaktion emotional zu platzieren. Das ist aufgrund der sinkenden Markenloyalität bei den Unter-40-Jährigen ein wichtiger Aspekt. „Das haben auch die DAX-Unternehmen erkannt. Deshalb engagieren sich Konzerne wie Adidas oder die Telekom im E-Sport“, so Raßmann. An diesem Punkt setzen auch die Banken an: Alleine 2019 richteten mehr als 100 Banken etwa 180 FIFA-Turniere aus– Tendenz steigend.
Aufgrund des Generationenwechsels glaube ich, dass der E-Sport in den nächsten fünf bis zehn Jahren einen ähnlichen Stellenwert wie der analoge Sport erreichen wird.
Sebastian Raßmann
Die Events erfreuen sich großer Beliebtheit, wie ein Beispiel der Volksbank Mittelhessen zeigt. Die Institute müssen allerdings verstehen, dass das gelegentliche Ausrichten von E-Sport-Turnieren zusammen mit der Platzierung des Banken-Logos auf den Trikotärmeln nicht ausreicht, um die junge Zielgruppe nachhaltig an die eigene Marke zu binden. Die Millennials verlangen nach authentischen, ganzheitlichen und vor allem langfristigen Auftritten. Diese sollten von Social-Media-Aktivitäten bis hin zur Positionierung bei gesellschaftlich relevanten Themen reichen. „Das ist ein Bereich, den die Banken unbedingt abdecken müssen, auch um selbst den digitalen Turnaround zu schaffen“, sagt Raßmann.

„Für jede Zielgruppe den passenden Content“
Allerdings dürfen sie bei ihrem Engagement nicht vergessen, dass das Zocken in der älteren Generation oft noch kritisch beäugt wird, obwohl auch die Generation 50 plus zunehmend zum Controller greift. Gerade Ego-Shooter kommen in der öffentlichen Wahrnehmung nicht gut an. Deshalb sollten sich Banken im Klaren sein, in welchen Ligen und Teams ein Engagement passend ist. Raßmann: „Die Banken müssen dennoch breit aufgestellt sein, um für jede Zielgruppe den richtigen Content spielen zu können.“ Gelingt ihnen dieser Spagat, schaffen sie die besten Voraussetzungen, um auch in der jüngeren Generation wieder verstärkt wahrgenommen und anerkannt zu werden. Denn, so Raßmann, sei jetzt „genau die richtige Zeit, um sich im E-Sport zu engagieren."