
Neulich auf dem Spielplatz. Eine knapp Zweijährige hält sich das Smartphone ihrer Mutter vor die Nase, schaut, wischt zum nächsten Foto. Ganz selbstverständlich. Mama macht es schließlich genauso. Swipen lernt die Generation Alpha früh. Früher als Sprechen? Wohl nicht immer. Aber immer öfter. Denn sie hat nicht nur ihren Eltern – der Generation Y – einiges voraus. Wir wollten von der Trendforscherin Svea Möller wissen: Wie wirken sich Entwicklungen wie Künstliche Intelligenz (KI) oder Klimawandel auf die Generation Alpha aus, der der Sozialforscher Mark McCrindle ihren Namen gab? Und wie verändert sie die Welt? Sieben Dinge, die du über die Entscheider*innen und Konsument*innen von morgen wissen solltest:

1. Die Alphas sind echte Kosmopolit*innen.
2010 – in dem Jahr, in dem die ersten Alphas geboren wurden – brachte Apple das iPad auf den Markt und die Bilderplattform Instagram wurde gegründet. „Man sieht, es ist eine ganz andere Welt, in der sie aufwachsen“, sagt Svea Möller. Expert*innen sind sich einig: Aufgrund der Tatsache, dass bereits heute fast jede*r Zugriff auf digitale Medien hat, ist die Gen Alpha schon jetzt sehr global. Svea Möller: „Sie ist die erste Generation, die sehr viel einheitlicher und nicht mehr ganz so regional geprägt ist, weil viele Einflüsse durch die Digitalisierung weltweit ähnlich sind.“
2. Krisen sind für die Gen Alpha das neue „Normal“.
Schon heute engagieren sich Jugendliche – die Generation Z – für mehr Nachhaltigkeit, etwa in der Fridays-for-Future-Bewegung. Diese Haltung werde sich noch verstärken, glaubt Svea Möller: „Das Thema ‚Umwelt‘ wird für die Alphas zum politischen Standard.“ Und bleibt nicht die einzige Herausforderung – angefangen bei der Pandemie über die Spaltung in der EU-Politik bis zur digitalen Transformation. Möller: „Die Generation wird ein viel größeres Krisenbewusstsein haben. Für sie wird eine weitere Pandemie immer möglich sein, da sie die Coronapandemie selbst miterlebt hat. Wächst man in so einer Welt auf, ist es nicht leicht, das Thema zu verdrängen.“ Fazit: Krise wird zum Normalzustand für die Gen Alpha.

3. Die Generation Alpha sagt ihre Meinung – und ist politisch.
Die Generation Alpha wird politischer sein als ihre Vorgängerin – aber eine andere Politik favorisieren. „Die bzw. der durchschnittliche Wählende in Deutschland ist aktuell 56 Jahre alt. Dieser demografische Trend wird sich noch beschleunigen“, erklärt Svea Möller, „und die Jugendlichen fühlen sich schon heute überhaupt nicht gehört.“ Ihre These: In Zukunft werden die Alphas einfordern, dass die Politik mehr auf ihre Stimmen hört. Social Media wird dabei zur Plattform für ihre Botschaften, mit denen sie den Wandel von Politik und Wirtschaft fordern. Denn auch die Wachstumsgesellschaft wird nach Ansicht von Möller hinterfragt: „Die Gen Alpha wird dazu beitragen, in der Wirtschaft nachhaltigere Gedanken stärker zu verankern.“

4. Bei ihren Lebensentwürfen bleiben die Alphas vermutlich auf dem Boden.
Was sich bereits bei der Gen Z beobachten lässt: Ihre Träume und Pläne sind viel bodenständiger als die ihrer Eltern. Möglich, dass sich diese Entwicklung bei den Alphas fortsetze, so Svea Möller: „Viele könnten zu den klassischen Lebensläufen zurückkehren. Individualisierung wird vermutlich für sie weniger wichtig sein, dafür Familie oder ein eigenes Haus umso mehr.“ Was außerdem zu erwarten ist: Trotz Wohlstand werden die Alphas die erste Generation sein, die mit existenziellen Ängsten groß wird. Wirkt sich das auf ihren Umgang mit Finanzen aus? „Die Frage wird sein, ob die Gen Alpha weiterhin Vertrauen in das bestehende Finanzsystem hat, das ja ebenfalls im Wandel ist“, antwortet Svea Möller. Fest steht: Eine Offenheit für Finanztrends wie Blockchain wird es in der Gen Alpha geben.

5. Die Gen Alpha treibt den digitalen Wandel kritisch voran.
Die Generationen vor den Alphas konsumieren Technologie – und verstehen sie selten. Das wird sich ändern: „Die Gen Alpha wird zum Gestalter der digitalen Medien“, sagt Svea Möller. Vorausgesetzt, sie erwerben digitale Skills frühzeitig – so wie beispielsweise in Schweden, wo Coding auf dem Grundschullehrplan steht. Möller: „Die Gen Alpha wird besser verstehen, wie Machine Learning oder Algorithmen funktionieren und sehr viel kritischer mit Themen wie Fake News umgehen.“ Und sie wird hinterfragen: Brauchen wir diese neue Technologie wirklich? „Technologie um der Technologie willen – dieses Vorgehen hat dann hoffentlich ausgedient“, so die Expertin.
6. Nano Degrees machen die Generation Alpha fit für die Arbeitswelt.
Das Bildungssystem ist im Umbruch, Expertentum wird immer wichtiger. Ein Studium oder eine Ausbildung absolvieren und dann 20 Jahre in diesem Beruf bleiben? Dieser Lebensentwurf hat für die Alphas endgültig ausgedient. Im Kommen sind Nano Degrees, kurze Weiterbildungskurse auf akademischem Niveau, die der Gen Alpha spezifische Weiterbildungsmöglichkeiten bieten. Svea Möller: „Die Gen Alpha wird auf dem Arbeitsmarkt sehr viel flexibler sein. Denn es wird zur Selbstverständlichkeit, dass man sich ständig weiterbilden und spezifische Kompetenzen aneignen muss.“ Für die Karriere in der Arbeitswelt von morgen – und für ein Leben in einer digitalisierten Welt.
7. Die Alphas stehen für eine offene Gesellschaft.
Die Geburtenrate in Deutschland sinkt beständig – für die junge Generation eine extreme Herausforderung. „Genossenschaftliche Modelle und bürgerschaftliches Engagement werden in diesem Zusammenhang an Bedeutung gewinnen“, prognostiziert die Trendforscherin, „zudem entdecken die Alphas Werte wie Hilfsbereitschaft und Empathie für sich.“ Und Toleranz – zum Beispiel gegenüber eingewanderten Menschen. Ihr Anteil an der deutschen Bevölkerung könnte innerhalb der nächsten zehn Jahre auf 30 bis 40 Prozent ansteigen, schätzt Möller: „Wenn man als Kind mit dieser Entwicklung aufwächst, dann ist es einfach etwas anderes. Eine offenere, humanistischere Gesellschaft wird auf diese Weise selbstverständlicher. Das ist wirklich positiv und schön.“
