Es ist kalt geworden da draußen. Weihnachten, Silvester – der Jahreswechsel steht kurz bevor. Mit ihm kommen die neuen Vorsätze. Weniger Fleisch essen, mehr Bio-Gemüse kaufen, Stromanbieter wechseln, öko – ist klar. Klassiker. Wer heute Wert auf seinen (ökologischen) Fußabdruck legt, geht jedoch einen Schritt weiter und eröffnet ein grünes Konto. Die Idee dahinter: Mit dem eigenen Geld einen positiven Beitrag für Umwelt und Gesellschaft leisten, anstatt den Abbau von Kohle oder Kinderarbeit zu unterstützen.
Neuster Player unter den Anbietern grüner Finanzprodukte ist das Hamburger Fintech-Start-up Tomorrow. Hauptsitz: St. Pauli. Einziges Produkt bislang: ein grünes Girokonto. Gestartet im März 2019, verspricht Deutschlands erste nachhaltige Smartphone-Bank – wie sich Tomorrow selbst beschreibt, einen Beitrag für eine bessere, nachhaltigere Zukunft zu leisten. Deswegen fließe kein Cent der Kundeneinlagen in Rüstungsunternehmen, Kohlekraft oder Massentierhaltung, sondern in nachhaltige Projekte. Jedes einzelne davon werde auf seinen ökologischen, sozialen und ethischen Beitrag geprüft, so das Tomorrow Nachhaltigkeitsversprechen.

Nachhaltig, mobil, transparent
Rund 16 Millionen Euro Kapital hat Tomorrow derzeit (Stand November 2019). Davon sind 150.000 Euro investiert. 100.000 Euro fließen in einen sogenannten Green Bond der NRW.Bank, der schwerpunktmäßig den Bau von Windkraftanlagen in Nordrhein-Westfalen fördert. Die anderen 50.000 Euro wandern in den Mikrofinanzfonds KCD III der Bank im Bistum Essen (BIB). Über ihn werden Mikrokredite an Menschen in Schwellen- und Entwicklungsländern vergeben.
150.000 Euro – eine kleine Summe im Branchenvergleich, die Tomorrow bis dato in nachhaltige Projekte investiert hat. Doch eine Quote von etwa 50 Prozent der Kundeneinlagen sei das Ziel, so eine Tomorrow-Sprecherin gegenüber der Nachhaltigkeitsplattform utopia.de. Diese wolle man über Kredite und Investments nutzen, um aktiv für einen positiven Wandel zu sorgen.
Um Positives zu bewirken, investiert Tomorrow jedoch nicht nur die Kapitaleinlagen der Kunden entsprechend, sondern leitet auch die Interchange Fee um. Zahlt ein Kunde mit seiner Debitkarte, fließt die Gebühr, die der Händler zahlen muss, nicht an die Bank, sondern direkt in weltweite Klimaschutzprojekte. Nach Angaben auf der Homepage wurden so bereits über elf Millionen Quadratmeter des brasilianischen Regenwaldes geschützt (Stand November 2019).

Geht so Banking von morgen? Das steigende Interesse an nachhaltigen Finanzprodukten legt diesen Schluss nahe. Gestartet mit rund 2.500 Kunden Anfang des Jahres, haben heute schon mehr als 16.000 Menschen ein Tomorrow-Girokonto. Bis Ende des Jahres sollen es laut Welt Online 20.000 sein, bis 2025 eine Million in ganz Europa. Dabei setzt Tomorrow vor allem auf Transparenz. Über die App kann jeder Kunde in Echtzeit verfolgen, in welches Klimaschutzprojekt sein Geld konkret fließt. Zukünftig sollen die User darüber sogar selbst entscheiden können. Tomorrow-Gründer Michael Schweikart dazu: „Wir setzen auf intensiven Dialog mit der Community: Wo andere Kunden sehen, sehen wir Co-Worker, Teilhaber, Wissen. Wir wollen das Projekt Tomorrow in enger Kooperation mit unseren wichtigsten Stakeholdern entwickeln.”
Nachhaltige Banken profitieren von der Klima-Debatte
Nachhaltigkeit und Transparenz – das trifft den Zeitgeist. Kein Thema bewegt die Menschen in Zeiten von „Fridays for Future“ mehr als der Klimaschutz. Davon profitieren auch etablierte Nachhaltigkeitsbanken, darunter die GLS Bank, die ebenfalls offenlegt, welche Investitionen sie mit Kundengeldern tätigt. Erst kürzlich bestätigte sie das dem Business Insider: „Bei Veränderungen oder in Notsituationen überdenken Menschen ihre Geldanlage – so war es beispielsweise nach dem Fukushima-Unglück und so ist es heute“, so ein Sprecher. Neukunden-Zuwachs? Check. Ähnlich sieht es bei der nachhaltigen Onlinebank Triodos aus. „Seit zwei bis drei Jahren spüren wir einen deutlichen Anstieg der Nachfrage, sodass wir in Deutschland zwischen 20 und 30 Prozent pro Jahr wachsen“, erklärt die Bank gegenüber dem Medium.

Das klingt nach einer rosigen Zukunft für das Geschäftsmodell. Die aktuelle Studie „Nachhaltige Geldanlagen 2019“, für die mehr als 160 Finanzexperten und 1.000 Bundesbürger befragt wurden, belegt das. 87 Prozent der befragten Banken und Finanzdienstleister sind überzeugt, dass nachhaltige Geldanlagen an Bedeutung gewinnen werden. „In den Banken wird das Thema immer wichtiger. Und die aktuelle Nachrichtenlage über Klimaveränderungen und Umweltbewegungen hat das Bewusstsein dafür sicherlich noch geschärft“, sagt Dr. Stefan Hirschmann, Mitglied der Geschäftsleitung der VÖB-Service GmbH. Die Tochter des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands hat die Studie gemeinsam mit der Unternehmensberatung Cofinpro durchgeführt. „Mit dieser neuen Ausrichtung erfüllen Banken auch die Erwartung der Öffentlichkeit, denn 74 Prozent der Bundesbürger möchten, dass die Banken Druck auf die Unternehmen ausüben, um nachhaltig zu wirtschaften.“
Wird die Finanzbranche nachhaltiger? Noch ist nicht alles nachhaltig, aber immer mehr Menschen wollen auch mit ihrer Anlage einen positiven Beitrag leisten. Wie stark sich der Trend fortsetzt, bleibt abzuwarten.