Vollautomatisierte Produktionsstätten, autonomes Fahren und ein Zuhause, das mit einem spricht: Die Welt wird nahezu täglich digitaler – und dadurch für das menschliche Gehirn immer schwerer zu verarbeiten. Inmitten des technologischen Wandels muss jedoch klar sein: Es geht nicht um Maschinen oder Technologien, der Mensch steht nach wie vor im Mittelpunkt. Dessen sollte er sich bewusst sein. Den Schlüssel zu innerer Ruhe und Ausgeglichenheit finden die Menschen, indem sie ihr Handeln, ihre Motive und ihre Umwelt reflektieren. Zudem ist die Selbstreflexion ein Weg, die eigene Persönlichkeit weiterzuentwickeln – und eine auf dem Arbeitsmarkt immer gefragtere Kompetenz. Doch was verbirgt sich genau hinter dem Begriff und wie gelingt es, sich diese Fähigkeit anzueignen?
Heute weiter als gestern
Du bist spät dran, checkst schon auf dem Weg zur Arbeit die ersten E-Mails auf dem Smartphone – und läufst über eine rote Ampel. Glücklicherweise ist nichts passiert, aber hast du auch beim nächsten Mal Fortuna auf deiner Seite? Im besten Fall musst du dir diese Frage gar nicht erst stellen, – wenn du dein Verhalten reflektierst. Du hast ein schlechtes Gewissen – vor allem dem Busfahrer gegenüber, der deinetwegen eine Vollbremsung machen musste. Im Büro angekommen und nimmst du dir einen Moment Zeit. Du denkst darüber nach, wie du dich eben verhalten hast. Du nimmst dir vor, es nie wieder soweit kommen zu lassen. E-Mails und Smartphone haben beim Überqueren der Straße keine Rolle zu spielen.

Das Szenario kommt dir bekannt vor? Dann bist du fähig zur Selbstreflexion. Vorausgesetzt natürlich, das ist nur ein- oder zweimal passiert und anschließend wirklich nicht mehr vorgekommen. Im Grunde ist Selbstreflexion also die Gabe, das eigene Verhalten sowie die eigenen Werte zu hinterfragen und Schlüsse für die Zukunft zu ziehen. Das Ergebnis der Selbstreflexion sind Impulse, die genutzt werden, um sich zu verbessern, zumindest aber zu wachsen. Dabei kann die Selbstreflexion auch helfen, ungeliebte Gewohnheiten wie das Rauchen oder die ständige Nutzung des Smartphones abzulegen.
Von Erkenntnis und Reflexion
Darüber hinaus gehört es auch zur Selbstreflexion, die eigene Wirkung in Systemen wie Familien, Freundeskreisen oder Organisationen zu hinterfragen. Besonders das Verhalten in Konfliktsituationen ist ein wichtiger Teil der zwischenmenschlichen Interaktionen. Was bewirken meine Worte bei meinem Gegenüber? War mein Verhalten der Situation angemessen oder habe ich überreagiert? War ich vielleicht zu nachsichtig? Viele Menschen stellen sich nach einem Streit oder einer Auseinandersetzung diese Fragen und betreten dabei das Spiegelkabinett der Selbstreflexion. Um einen herum bildet sich das eigene Ich ab – in all seinen Facetten. Mal wütend, mal gelassen, mal bereuend. Aus diesen vielen Spiegelbildern setzt sich die Selbsterkenntnis zusammen. Die Antworten auf die Fragen, die dem inneren Ich gestellt werden, liefern die Erkenntnisse, damit ein Mensch wachsen und die Persönlichkeit sich weiterbilden kann. Sowohl im beruflichen als auch privaten Kontext ist das von unschätzbarem Wert.

Persönlichkeit weiterentwickeln
Wie hängt das nun mit der Digitalisierung zusammen? Anders als der Mensch verfügen Maschinen – bislang und vielleicht auch niemals – über keinerlei emotionale Intelligenz. Dieses Sammelsurium an menschlichen Fähigkeiten wird auf dem Arbeitsmarkt aber immer gefragter. Selbstmanagement, Selbstverantwortung und Selbstreflexion sind hierbei drei äußerst wichtige Eigenschaften. HR-Abteilungen legen schon heute – neben den Fachkenntnissen – größten Wert auf emotionale Intelligenz, und das nicht nur bei Führungskräften. Die Fähigkeit, die eigene Person und Wirkung zu hinterfragen, zeugt vom Willen, sich weiterentwickeln zu können und zu wollen. Bedeutsam ist auch, wie sich Menschen mit Technologien und der sich stetig wandelnden Umwelt auseinandersetzen: Der verantwortungsbewusste und reflektierte Umgang mit der Digitalisierung hilft, den Kopf freizubekommen, sich nicht fremd bestimmen zu lassen und Change-Prozesse voranzutreiben. Denn nur da, wo Raum für Fehler und Selbstreflexion ist, kann sich nachhaltig etwas verändern. Fehler sind ohnehin unabdingbar, um zu lernen. Wer selbstreflektiert handelt, kann die Wiederholung von Fehlern vermeiden und daraus lernen. Diese Fähigkeit bietet also die Grundlage für ein erfolgreiches Berufs- und auch glückliches Privatleben. Wer die Fähigkeit bereits in die Wiege gelegt bekommen oder erlernt hat, könnte den Text an dieser Stelle beenden – und dann überlegen, ob es nicht doch besser gewesen wäre, weiterzulesen.
So geht‘s
Selbstreflexion zu erlernen ist recht simpel. Im Grunde geht es darum, sich selbst Fragen zu stellen – und dabei ehrlich zu antworten! Wer dabei nicht aufrichtig ist, wird keine Erkenntnisse gewinnen und nicht wachsen. Das Geheimnis des Erfolges liegt vor allem in der Routine.

Man sollte Selbstreflexion zu einem festen Punkt auf der To-do-Liste machen. Jeden Abend zehn Minuten, in denen man sich in absoluter Ruhe mit Fragen konfrontiert: Welchen Anteil hatte ich an dem (Miss-)Erfolg heute? Wie könnte ich auf die Kundschaft gewirkt haben? In welchen Situationen stehe ich mir selbst im Weg? Diese Liste lässt sich unendlich erweitern – mit Fragen, die das Ich, Verhaltensweisen und Werte thematisieren. Wem es schwerfällt, abzuschalten, sollte vielleicht mit ein paar Übungen zur Meditation oder Achtsamkeit starten und sich anschließend den Fragen widmen. Die Antworten liefern die Grundlage für Wachstum, Zufriedenheit und mehr Glück. Dafür braucht es lediglich etwas Ruhe, Zeit und vor allem Ehrlichkeit.