Der erste Preis ist ein Auto. Ein richtig großes, neues Auto – natürlich mit allen nur denkbaren Extras. Wer dieses Auto gewinnen will, muss nur seine Adresse, Telefonnummer und E-Mail-Adresse auf einer Website eintragen, den AGB zustimmen und dann auf „Senden“ klicken.
Schon ist man im Lostopf und darf auf das Auto spekulieren. Bei solch einer einfachen Teilnahme denken viele natürlich nicht mehr lange nach. Sondern sie füllen alles aus, stimmen den AGB zu und hoffen darauf, dass sie den verlockenden Preis wirklich gewinnen.
Plötzlich deutlich mehr Werbesendungen
Einige Wochen später: Das Auto hat man leider nicht gewonnen, zumindest hat man nichts mehr von dem Gewinnspiel gehört, keine Gewinnbenachrichtigung erhalten, eine „Diesmal leider kein Glück“-Mitteilung auch nicht – aber dafür umso mehr andere E-Mails und Briefe. Unzählige Spam-Nachrichten landen jeden Tag im Posteingang.

Auch im analogen Briefkasten finden sich erstaunlich viele Werbesendungen. Zudem klingelt mehrmals täglich das Telefon und man bekommt Angebote oder soll an diversen Umfragen teilnehmen. Wie kann das sein? Nun, die vielen E-Mails, Briefe und Anrufe haben etwas mit dem Gewinnspiel zu tun.
Daten sind wertvoll – und geben Aufschluss über persönliche Vorlieben
Denn oft werden Adressen, die durch solche Gewinnspiel-Formulare – ebenso wie bei Umfragen oder Bonusaktionen – gesammelt werden, weitergegeben. „Die Daten werden ausgewertet und zusammengeführt beziehungsweise mit weiteren Details angereichert, sodass zusätzlich zur Adresse zum Beispiel Informationen über Alter, Kaufverhalten oder persönliche Vorlieben vorliegen können“, erklärt Prof. Johannes Caspar, Hamburgischer Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit.
Der oberste Datenschützer der Hansestadt erklärt weiter: „Die so erstellten Profile bieten die Adresshändler dann ihrer Kundschaft zur weiteren Nutzung an. Diese Kundschaft kann aus ganz unterschiedlichen Branchen stammen und verwendet die Daten unter anderem, um (Neu-)Kunden zielgerichtet anzusprechen oder vor einem Vertragsschluss deren Zuverlässigkeit zu bewerten.“
Schwerwiegende Auswirkungen aufs eigene Leben
Das kann durchaus kritisch werden, denn: „So kann der Adresshandel letztendlich zum Beispiel auch dazu führen, dass einer betroffenen Person, die in einer Gegend mit hoher Arbeitslosigkeit oder schlechter Zahlungsmoral wohnt, im Online-Handel nicht die Option der Ratenzahlung oder Finanzierung angeboten wird“ – obwohl sie selbst nie Schulden gemacht hat.

Wenn man selber von Adresshandel betroffen ist, kann das also unschöne und schwerwiegende Auswirkungen auf das eigene Leben haben. Prof. Caspar merkt dazu an: „Kritisch kann es auch werden, wenn die gehandelten Daten sensible Informationen – etwa Gesundheitsdaten – umfassen, an denen spezielle Branchen, beispielsweise Versicherungsunternehmen, ein Interesse haben könnten.“
Mit den eigenen Daten bezahlen?
Was tun, damit einem selbst so etwas nicht geschieht? „Jede und jeder Einzelne muss sich überlegen, was sie oder er von sich im Internet, auch in sozialen Netzwerken, preisgibt und welche Datenschutzeinstellungen man zum Beispiel bei der Nutzung von Smartphone-Apps vornimmt, vor allem wenn die Verantwortlichen außerhalb Europas sitzen“, sagt Prof. Caspar. „Muss die Standortermittlung zur Nutzung einer App wirklich immer aktiviert sein? Sollen in sozialen Netzwerken nur direkte Kontakte die eigene Profilseite sehen können oder auch unbekannte Dritte?“

Das alles seien Fragen, deren Beantwortung für die Verbreitung der eigenen Daten und damit letztendlich auch für die Sammlung durch Adresshandelnde eine Rolle spielen könnten. „Weiterhin muss jede und jeder selbst abwägen, ob es sich lohnt, für die Teilnahme an einem Gewinnspiel oder für einen Rabatt, den man über eine Kundenkarte erhält, mit den eigenen Daten ‚zu bezahlen‘ und in diesem Zusammenhang vielleicht sogar in die Weitergabe dieser Daten an dritte Unternehmen einzuwilligen.“
Hilfreich: die Robinsonliste
Professor Caspar hat zudem noch einen weiteren konkreten Hinweis für alle, die sich gegen Adresshandelnde wehren wollen: „Hilfreich ist ein Eintrag in die sogenannte Robinsonliste des Deutschen Dialogmarketing-Verbands. Seriöse Adresshändler respektieren in der Regel den auf diesem Weg kommunizierten allgemeinen Werbewiderspruch, sodass die Anzahl der Zuschriften spürbar zurückgeht.“

Denn tatsächlich ist Adresshandel legal: Das Bundesdatenschutzgesetz gestattet es grundsätzlich, Adressen zu kaufen und zu verkaufen. Dennoch kann man sich auch gesetzlich wehren: Eine betroffene Person könne, so Professor Caspar, gegenüber konkreten Unternehmen voraussetzungslos der Verwendung ihrer Daten zu Werbezwecken nach Artikel 21, Absatz 2 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) widersprechen – und so die entsprechende Verarbeitung verhindern.