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NFT: Chance oder Luftnummer?

Gemälde per QR-Code ersteigern und virtuelle Panini-Bildchen sammeln? Non-Fungible Tokens machen es möglich.
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04.08.2021

Ob Katzen-GIF oder Musikschnipsel – mit der Technologie NFT lassen sich erstmals rein digitale, physisch nicht existente Kunstwerke versilbern. Das versetzt Künstler*innen, Sportler*innen und Online-Stars in Goldgräberstimmung, immerhin werden derzeit horrende Summen für Digitalkunst geboten. Welche Bedeutung hat das NFT-System für die Zukunft des Kunstmarkts und wie funktioniert die Technologie überhaupt? Wir durchleuchten das Phänomen NFT.

Eminem hat es getan, ebenso Lindsay Lohan und Edward Snowden: Sie alle haben in den vergangenen Monaten Non-Fungible Token (NFT) für viel Geld verkauft. So hat der Rapper Eminem neben digitalen Actionfiguren und Comics auch einen selbst komponierten Beat versteigert – für 100.000 US-Dollar. Die Single „Lullaby“ von Lindsay Lohan, angeboten über eine NFT-Plattform, war einem Fan immerhin 85.000 US-Dollar wert. Welches Potenzial aber im Handel mit NFTs steckt, offenbart die Versteigerung eines digitalen Bildes mit Snowdens Konterfei, das für umgerechnet 5,5 Millionen Dollar (rund 4,6 Mio Euro) in der Digitalwährung Ethereum verkauft wurde.

Was sind NFTs überhaupt?

Als Non-Fungible Token (NFT) – zu Deutsch: nicht austauschbarer Token – werden Online-Güter bezeichnet, die nicht ersetzt oder zerstört werden können. Ein Token (deutsch: Wertmarke) ist ein Vermögenswert in digitalisierter Form. Ein NFT besitzt folglich einen bestimmten Wert oder eine Funktion. Zudem handelt es sich um einen besonderen Typ von kryptografischem Token – jeder einzelne ist einzigartig und daher nicht mit einem anderen austauschbar.

Der NFT ist also das Original, von dem jedoch unzählige Kopien existieren können – in etwa so, wie sich ein Gemälde zu einem Kunstdruck verhält: Das Kunstwerk gibt es nur einmal, nur eine Person kann es besitzen, während aber unzählige Kopien davon im Umlauf sein können.

Millionengewinne wie bei Snowdens Porträt sind keine Seltenheit mehr, denn längst hat sich ein regelrechter Hype um NFTs entwickelt, bei dem vom Toilettenpapierhersteller bis zum Popstar jeder mitmischen möchte. Angefangen hat alles mit ein paar Kätzchen: Ende 2017 waren die sogenannten CryptoKitties – virtuelle Katzenfiguren aus einem Online-Spiel – heiß begehrt und wurden als NFTs gehandelt, teils für Rekordsummen bis zu 200.000 Dollar. Die digitalen Tierchen sind einmalig und können nicht zerstört werden, dafür sorgt die Blockchain. Denn für jedes Kätzchen erstellt ein Algorithmus ein individuelles, kryptografisches Zertifikat, das im virtuellen Register der Blockchain hinterlegt ist.

2021 08 FINT Artikel NFT Hoch 01 unsplash © Photo by Joshua Hoehne on Unsplash

Einmalig und fälschungssicher

Auf diese Weise gelten Daten, die auf einer Blockchain gespeichert sind, als besonders fälschungssicher. Denn sie liegen in einer dezentralen Datenbank ab, werden folglich nicht an einem Ort, sondern auf mehreren Servern gleichzeitig gesichert. Das macht die Manipulation der Hashwerte, die wie elektronische Fingerabdrücke den einzelnen Tokens zugewiesen sind, sehr schwierig. Kryptowährungen basieren daher auf der Blockchain – ebenso wie NFTs. Der Unterschied: Während Bitcoin und Co. generell fungibel (austauschbar) sind, geht das bei NFTs nicht, wodurch jedes Token einzigartig ist. Wird nun ein digitales (Kunst-)Werk als NFT verkauft, dann wird der Besitz des virtuellen Objekts in einer Blockchain hinterlegt, etwa mithilfe der Kryptowährung Ethereum, und ist so für alle einsehbar und nachvollziehbar abgespeichert. Einen Nachteil hat die Blockchain allerdings: Für die Sicherung der Daten wird sehr viel Energie benötigt, weshalb die Energiebilanz von NFTs – und Kryptowährungen – nicht ganz positiv ausfällt.

2021 08 FINT Artikel NFT Quer 03 pexels 5668473 © Photo by Sora Shimazaki on Pexels

Erstmals kann nun ein digitales Werk, das vorher unendlich oft kopiert und verbreitet werden konnte, als Original in der Blockchain festgelegt und mit einem bestimmten Wert versehen werden: Der NFT dient als Echtheitszertifikat für das digitale Werk. Dadurch eröffnen sich neue Möglichkeiten für Künstler*innen, denn im Prinzip kann jetzt alles in digitaler Form versteigert werden.

Ein kleiner Überblick, was in den vergangenen Monaten zum Beispiel unter den Hammer gekommen ist:

  • „Nyan Cat“: Die Animation der fliegenden Katze, die Christopher Torres 2011 geschaffen hat, ist längst Internet-Kult. Bei einer Auktion im März 2021 hat das GIF der Katze mit dem Regenbogenschweif mehr als eine halbe Million Dollar eingebracht.
  • „Disaster Girl“: Ein vierjähriges Mädchen steht vor einem brennenden Haus, ein maliziöses Lächeln umspielt ihre Lippen. 2008 ist aus dem Fotomotiv ein weitverbreitetes Internet-Meme geworden, jetzt hat das „Disaster Girl“, die mittlerweile 21-jährige Zoe Roth, das Originalbild für 180 Ether (Gegenwert zum Zeitpunkt der Versteigerung: rund 485.000 US-Dollar) versteigert. Es ist das bis dato teuerste Meme.
  • „Charlie bit my finger – again!”: Das YouTube-Video, in dem der kleine Charlie seinen Bruder Harry mehrfach in den Finger beißt, gehört mit mehr als 880 Millionen Aufrufen zur Internet-Geschichte. Im Mai 2021 ist der Viralhit für umgerechnet rund 622.000 Euro versteigert worden. Zwischenzeitlich war nicht klar, ob das YouTube-Filmchen nach der Auktion von der Plattform gelöscht werden soll. Der Käufer entschied aber, das Video dort zu belassen.
  • WWW-Quellcode: Anfang Juli hat das Auktionshaus Sotheby’s erstmals ein digitales Artefakt unter den Hammer gebracht, und zwar den Quellcode für das World Wide Web. Die Originaldateien von Sir Tim Berners-Lee von 1989 samt Zeitstempel und Unterschrift wurden für 5,4 Millionen Dollar (ca. 4,5 Millionen Euro) verkauft.
  • Erster Tweet: „just setting up my twttr“ lautete die weltweit erste Nachricht, die 2006 auf Twitter erschien. Der Mitgründer und heutige Firmenchef der Plattform Jack Dorsey versteigerte seinen Tweet nun als NFT und erzielte damit drei Millionen Dollar (rund 2,45 Millionen Euro).
  • Fußball-Sammelkarten: Einst klebte man die Sportler-Bilder ins Panini-Album, heute sammeln Fans ihre Idole virtuell. In Deutschland kooperiert das Start-up Fanzone Media mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) und brachte zur Europameisterschaft digitale Sammelkarten mit NFT-Zertifikat heraus. Beim französischen FinTech Sorare wechselte derweil eine Karte mit dem Spieler von Paris St. Germain, Kilian Mbappé, für umgerechnet 57.000 Euro den Besitzer.
  • „Everydays: The First 5000 Days“: Künstler Beeple postet seit 2007 beinahe täglich ein Bild auf der Online-Plattform Tumblr. Knapp 5.000 dieser Bilder hat er zu einer Collage zusammengestellt und als NFT bei Christie`s versteigert. Verkauft wurde das digitale Kunstwerk schließlich für die Rekordsumme von 69.346.250 Dollar (rund 57,8 Millionen Euro) – der bislang teuerste NFT!

Mike Winkelmann, wie Beeple mit bürgerlichem Namen heißt, ist damit auf Platz drei der teuersten lebenden Künstler*innen der Welt gerutscht. Das zeigt, welches Potenzial der Handel mit NFTs für den Kunstmarkt bietet. Da NFTs bislang nicht reguliert sind, werden für begehrte Sammelobjekte und Kunstwerke Summen in ungeahnter Höhe (Top 5 der teuersten Werke) gezahlt. Und zwar nicht nur von Kunstliebhaber*innen, Fans und Sammler*innen, sondern auch von Investor*innen, die in NFTs die Möglichkeit zur Kapitalanlage und Wertsteigerung erkennen. Für Künstler*innen kann es sich daher lohnen, eigene Arbeiten als NFTs zu vermarkten.

2021 08 FINT Artikel NFT Hoch 02 pexels 1507856 © Photo by Edoardo Colombo on Pexels

Ist das jetzt Kunst?

Der britische Maler und Bildhauer Damien Hirst nutzt den Trend bereits für sich: Er hat eine Kollektion mit 10.000 Kunstwerken geschaffen, bei der Kaufende selbst entscheiden können, ob sie das analoge Original oder ein digitales Werk als NFT haben möchten. Wählen sie letztere Option, vernichtet Hirst das analoge Objekt anschließend. Erste Galerien stellen zudem bereits Krypto-Kunst aus: In der Superchief Gallery in New York etwa präsentieren hochauflösende Bildschirme die digitalen Kunstwerke in rotierender Reihenfolge. Besucher*innen können die Motive unmittelbar vor Ort per QR-Code ersteigern.

2021 08 FINT Artikel NFT Quer 05 unsplash cq F Khqv6 Ong © Photo by Rob Hampson on Unsplash

Auch in Köln haben sich zwei Galerien dazu entschieden, NFTs auszustellen. Während die Galerie Nagel-Draxler mit „Breadcrumbs: Art in the age of NFTism“ eine multimediale Erlebnislandschaft geschaffen hat, zeigt Priska Pasquer die Exponate der Ausstellung „Wind of Change“ in einer virtuellen Galerie. Sie sagt: „Ich sehe in NFTs eine sehr gute Gelegenheit, um Kunst, Fotografie, Video und alles andere, was digital vorliegt, weltweit vernetzt zu diskutieren.“ Kenny Schachter, Kurator der „Breadcrumbs“-Ausstellung stört sich an den Vorurteilen gegenüber NFTs und will damit aufräumen, dass „es sich um eine Modeerscheinung und/oder nicht um Kunst handelt“. Denn: „Diese Art der Verbreitung digitaler Kunst wird nicht verschwinden – nicht jetzt, nicht in absehbarer Zeit, vielleicht nie. […] Anstatt sich auf ein völlig neues Sammleruniversum (die Techies) einzulassen und den Staffelstab an eine Generation von Digital Natives weiterzureichen, würden viele lieber am Status quo festhalten. Aber die ETH ist im Äther, der Geist ist aus der Flasche. Es gibt kein Zurück mehr.“

04.08.2021