
Eine Schätzfrage: Was schadet der Umwelt mehr – in den Urlaub fliegen oder im Internet surfen? Wer jetzt auf Ersteres tippt, liegt daneben. Eine britische Studie fand heraus: Das Internet und Computer verursachen mindestens genauso viel, wenn nicht sogar mehr CO2-Emissionen als der gesamte Flugverkehr weltweit. Berücksichtigt haben die Forschenden dabei nicht nur, wie viel klimaschädliches Kohlendioxid durch die Nutzung verursacht wird, sondern auch, wie viel CO2 bei der Rohstoffförderung, der Herstellung und der Geräteverschrottung entsteht.
Das Studienergebnis der britischen Wissenschaftler*innen in Zahlen: Schätzungsweise 2,1 bis 3,9 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen gehen aufs Konto von Computern und Internet. Zum Vergleich: Der Anteil des Flugverkehrs am globalen CO2-Ausstoß lag 2018 laut Statista bei knapp drei Prozent. Der Grund für die hohen Emissionswerte: Netze, für deren Betrieb große Anlagen angeschafft werden müssen, Rechenzentren und digitale Endgeräte treiben den Energieverbrauch enorm in die Höhe.

Energiebilanz: 1 Stunde Streaming = 1 Kilometer Autofahrt
Schnell mal was googeln? Nicht gerade energieeffizient. Damit beispielsweise Suchergebnisse in Echtzeit ausgespuckt werden können, bedeutet das in der Praxis: Der US-amerikanische Konzern muss riesige Rechenzentren betreiben, die mit Strom laufen und dadurch CO2-Emissionen verursachen. Expert*innen schätzen, dass 20 Google-Suchanfragen so viel Energie verbrauchen wie der einstündige Betrieb einer Energiesparlampe. Und laut Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit benötigt eine Stunde Video-Streaming in Full-HD-Auflösung je nach Endgerät 220 bis 370 Wattstunden elektrische Energie. Das verursacht etwa 100 bis 175 Gramm Kohlendioxid – vergleichbar mit den Emissionen, die ein Kleinwagen bei einem Kilometer Autofahrt ausstößt.
Kein Geheimnis ist: Mit der zunehmenden Digitalisierung wird der Energiehunger weiterwachsen. Seit 1990 ist er weltweit um rund 58 Prozent gestiegen. Auch in Deutschland gehen die Zahlen nach oben. Eine Studie des Bundeswirtschaftsministeriums zeigt: Der Energiebedarf der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) verlagert sich von – immer energieeffizienteren – Endgeräten in die Rechenzentren und Netze. Zwischen 2010 und 2025, so prognostizieren die Expert*innen, wird der Energiebedarf der Netze in Deutschland um 24 Prozent auf 8,6 Terrawattstunden (TWh) ansteigen. Der Energiebedarf der Rechenzentren wird sogar um 56 Prozent auf 16,4 TWh wachsen. Das entspricht 3,4 Prozent des alljährlichen Nettostromverbrauchs in Deutschland (2020: rund 488 TWh).

Rechenzentren heizen Frankfurter*innen ein
Was also tun, damit die Digitalisierung nicht zum Klimakiller Nummer eins wird? Ganz klar: Ohne den Umstieg auf alternative Energie wird es nicht gehen. Viele Big Player arbeiten bereits daran, ihren CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Google beispielsweise kauft seit 2017 mehr erneuerbare Energie aus Wind und Sonne an, als der Internetriese weltweit verbraucht. Auch neue Konzepte für die Nutzung von Energie, die bei digitalen Prozessen entsteht, sind in Planung: Rechenzentren etwa produzieren viel heiße Luft. Diese Abwärme will die Stadt Frankfurt, eine der EU-Rechenzentrumshauptstädte, künftig dafür verwenden, um ganze Wohnviertel zu beheizen – und schont mithilfe des regenerativen Stroms das Klima.
Ökostrom ist auch einer der Ansätze für mehr Nachhaltigkeit, den Posteo verfolgt. Der E-Mail-Dienst nutzt ausschließlich grünen Strom und hält durch nachhaltiges Programmieren die Anzahl seiner Server so gering wie möglich. So verzichtet Posteo beispielsweise auf Spam-Ordner: Unerwünschte Mails landen gar nicht erst auf dem Server – und müssen weder verarbeitet noch gespeichert werden, was digitale Ressourcen schont. Zudem verzichtet der Anbieter auf unnötiges Loggen und Tracken personenbezogener Daten und spart so Energie und Hardware. Eine andere Idee, die Ecosia.org für mehr Nachhaltigkeit im Netz umsetzt: 80 Prozent ihrer Werbeeinnahmen verwendet die grüne Suchmaschine dafür, weltweit Bäume zu pflanzen – und betreibt nach eigenen Angaben seine Server zu 200 Prozent mit erneuerbaren Energien.

Mit „grünen“ Geräten und Ökostrom zum Klimahelden
Egal, für welche Suchmaschine oder für welchen E-Mail-Anbieter sich Nutzer*innen entscheiden: Jede*r kann darüber hinaus dazu beitragen, dem Klimakiller Internet den Wind aus den Segeln zu nehmen – ob beim Surfen, Streamen oder E-Mailen. Experten wie Dr. Ralph Hintemann vom Borderstep Institut empfehlen, beim Handy- oder Computerkauf auf energieeffiziente Geräte zu achten – und diese so lange wie möglich zu nutzen. Der Grund: Bei einem Smartphone verursacht der Kohlendioxidausstoß, der bei der Herstellung entsteht, etwa 80 Prozent des gesamten CO2-Fußabdrucks. Nur 20 Prozent des Energieverbrauchs gehen aufs Konto der Smartphone-Nutzung.
Auch das Surfen per alternativer Energie sorgt dafür, dass Nutzer*innen zu Klimahelden werden. Bei der Auswahl eines grünen Anbieters rät das Umweltbundesamt, auf die Label für Ökostrom (Grüner Strom, ok-Power) sowie für Kompensationszahlungen (The GoldStandard) zu achten. Und es lohnt sich, beim Anbieter nachzufragen, ob seine Rechenzentren den Blauen Engel für Rechenzentren tragen. Ein weiterer Tipp: Wer den Router nicht braucht, schaltet ihn ab. Und wer auf einen stationären Anschluss mit LAN oder WLAN zugreifen kann, sollte dies tun. Denn die Datenübertragung über eine Mobilfunkverbindung verbraucht mehr Energie.

ARD statt Netflix
Die schlechte Nachricht für alle Netflix-Fans: Das gute alte Programmfernsehen ist laut Umweltbundesamt gegenüber Video-Streaming klar im Energievorteil. Wer auf Amazon Prime und Co. trotzdem nicht verzichten mag, sollte beim Streamen eine geringe Bildauflösung wählen. Was klimbewusste Nutzer*innen ansonsten auszeichnet: Sie versenden Links statt großer Dateien, fotografieren oder filmen mit geringer Auflösung, löschen inaktive Accounts und bestellen die Newsletter ab, die sie sowieso nie lesen. Vielleicht ja eine echte Motivation, endlich im Internet zum Klimahelden zu werden.