Die Sonne knallt vom mallorquinischen Himmel. Doch richtig ins Schwitzen bringen einen erst die eigenen Kinder, die sich vor dem Strandgang offenbar mit dem halben Lidl-Sortiment ausstatten wollen. Irgendwann hat man es dann wirklich an die Kasse geschafft. Griff in die Tasche...Verdammt! Geldbörse im Wagen, mit dem die Gattin mal eben zur Tankstelle gefahren ist. Ach ja, da geht‘s ja auch anders: Smartphone rausgeholt, mit der App über den Scanner gewischt. Alles klar. Auf zum Strand.

Der Discounter Lidl hat seine eigene Payment-Lösung gestartet. In Spanien können Kunden seit kurzem mit ihrem Smartphone in den Filialen des Discounters bezahlen. Das System läuft über die Kundenbindungs-App ‚Lidl Plus‘ und ist dort als digitale Geldbörse integriert. Damit die Zahlungen gebucht werden können, muss in Spanien eine Kreditkarte von Mastercard oder Visa hinterlegt werden. In Deutschland könnte der Discounter aber auch mit Lastschriften arbeiten, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Möglicher Start in Deutschland wäre den Spekulationen zufolge 2020. Lidl selbst hat sich bislang nicht offiziell zu den Plänen geäußert.
Lidl geht mit seiner Payment-Lösung einen weiteren Schritt in seiner Digitalstrategie, deren Kern offenbar die Lidl-Plus-App ist. Durch die Bezahlfunktion schafft der Discounter zudem die Möglichkeit für das Sammeln von Massendaten auf individueller Ebene und könnte in einem folgenden Schritt die Kunden personalisierter ansprechen.
Mit dem hauseigenen Payment-Dienst steigt Lidl spät in das Segment der mobilen Bezahl-Lösungen ein. Denn der Konzern ist nicht der erste auf dem Markt. Seit 2013 bietet Edeka seinen Kunden eine Bezahlfunktion via Smartphone und App – betreibt sie aber nicht selber. Technische Unterstützung bekommt das Unternehmen von Valuephone, der Zahlungsdienstleister ist Paymorrow. Das Bezahlsystem von Edeka braucht keine Kreditkarte, sondern funktioniert via Lastschrift.
Der deutsche Payment-Markt: ein Überblick
Seit 2016 ist Payback Pay – ebenfalls eine Payment-Lösung – auf dem Markt. Bei diesem Verfahren registriert sich der Anwender über eine App, erteilt aber, im Gegensatz zu den Verfahren von Edeka und Lidl, Payback die Genehmigung für Lastschrifteinzüge vom Girokonto. Payback ist in Deutschland vor allem für sein Bonusprogramm bekannt.

2018 kamen die Bigtechs Apple und Google mit ihren kreditkartenbasierten Bezahl-Lösungen (Wallet App) auf den deutschen Markt. Das Schwergewicht aus China – Alipay – spielt in Deutschland aktuell keine Rolle bei den Konsumenten, da sich deutsche Verbraucher nicht dafür anmelden können. Der deutsche Einzelhandel dagegen kann die Bezahlvariante für chinesische Touristen und im Lande lebende Chinesen anbieten. Alipay gehört zur Alibaba Group, der größten chinesischen Handels- und Kommunikationsplattform – das asiatische Gegengewicht zu dem US-amerikanischen Handelsriesen Amazon.
Die Volks- und Raiffeisenbanken bieten seit 2018 über die VR-Banking-App ebenfalls die Möglichkeit, bargeldlos via Smartphone zu bezahlen. Dafür müssen nur eine Girocard oder Kreditkarte hinterlegt werden. Den Dienst gibt es bislang nur für Android-Systeme. Apple-User müssen sich nicht mehr lange gedulden: Schon bald können Kunden der Volksbanken Apple Pay nutzen. Auch die Sparkassen bieten ihren Kunden ein eigenes Verfahren, das über die App „Mobiles Bezahlen“ läuft.
Deutschland hinkt weit hinterher
Welche Rolle das Smartphone beim bargeldlosen Bezahlen hat, zeigt der internationale Vergleich. Laut einer Erhebung des US-Marktforschungsunternehmens eMarketer, nutzen in China bereits rund 80 Prozent der Smartphone-Besitzer Apps wie Alipay. Auf dem zweiten Platz – und etwas abgeschlagen – liegt Dänemark mit rund 41 Prozent (wobei hier nicht Alipay genutzt wird, sondern andere Anbieter), gefolgt von Südkorea (36,7 Prozent) und Schweden (35,2 Prozent). Die USA kommen erst auf Platz 6 mit 27,4 Prozent. In Deutschland zahlen dagegen lediglich rund 5 Prozent der Smartphone-Besitzer mit ihrem Telefon an der Ladenkasse.

Für die Boston Consulting Group (BCG) ist der elektronische Zahlungsverkehr einer der dynamischsten Märkte im Finanz-Universum. Laut der BCG-Studie „Global Payments 2019“ werden die Erträge im globalen Zahlungsverkehr bis 2028 um 5,9 Prozent pro Jahr steigen. Sie dürften 2028 demnach bei rund 2,5 Billionen US-Dollar liegen – also gut eine Billion mehr als heute (1,4 Billionen Dollar). Die Experten von BCG sind zudem davon überzeugt, dass die Einzelhandelserlöse – im Gegensatz zu den Großhandelserlösen – dabei stärker steigen und auch insgesamt den größten Anteil beitragen werden.
In dieser Ausgangslage hat jetzt Lidl den Ring der Payment-Anbieter bestiegen. Kann der Discounter bei der Konkurrenz bestehen? „Heute hätte bei der Wettbewerbslage ein Stand Alone-Anbieter mit einer eigenen Payment-Lösung kaum eine Chance“, sagt Nikolas Beutin, Partner und Experte für Payment-Lösungen bei der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC. „Ein Discounter und Einzelhändler mit einem globalen Filialnetz dagegen schon eher.“ Denn durch den direkten Kontakt zum Kunden über beispielsweise eine Bonusprogramm-App könne ein Handelsunternehmen seinen Dienst mit personalisierten Rabatt- und Couponaktionen, digitalen Einkaufszetteln, Aktionen, Filialfindern oder Produktinformationen verbinden und damit dem Bedürfnis der Kunden nach Komfort und Einfachheit sehr gut begegnen – im Gegensatz zu den großen Anbietern wie Apple und Google.