Wenn ein YouTuber arbeitet, ist die Kamera an. So die Vorstellung vieler Zuschauer, die YouTuber nur aus ihren Videos oder den sozialen Medien kennen. Mit der Realität hat die Vorstellung allerdings wenig zu tun, wie RobBubble, der einen eigenen YouTube-Kanal betreibt, weiß: „Die meiste Zeit verbringe ich im Büro und nicht vor der Kamera, da die Arbeit als YouTuber sehr aufwendig und vielseitig ist.“ Ob Buchhaltung, Akquise, Skriptarbeit, Schnitt, Upload oder Social-Media-Betreuung – neben dem eigentlichen Dreh gibt es für ihn einiges zu tun.

RobBubble, der mit bürgerlichem Namen Robin Blase heißt, hat sich deshalb eine eigene Produktionsfirma mit mittlerweile zehn Mitarbeitern aufgebaut. Zusammen arbeiten sie an seinem Kanal, mit dem er 2006, ein Jahr nach der YouTube-Gründung, als 14-Jähriger angefangen hat. Heute ist YouTube mit monatlich zwei Milliarden aktiven Nutzern das zweitgrößte soziale Netzwerk der Welt. Bereits seit 2006 gehört es zum Google-Konzern. Robins Kanal, auf dem es um popkulturelle Themen, Gaming, Satire, Parodien und Sketche geht, hat 205.000 Abonnenten (Stand Mai 2020). Seinen Arbeitsalltag beschreibt er eher unspektakulär: „Für mich ist YouTuber ein ganz normaler Medienberuf, ein Nine-To-Five-Job, in dem man gemeinsam mit einem Team eine Show produziert. Ähnlich wie ein Fernsehsender, nur, dass wir kleiner sind und deshalb mehr selber machen.“

Die Idee von YouTube: Unabhängigkeit und eine eigene Nische
Doch warum fängt man überhaupt mit YouTube an? Robins erstes Video handelte von Videospielen, inspiriert von den Spiele-Tests der Computerspielezeitschrift „GameStar“. Damals sei das ziemlich nerdig gewesen, doch die Möglichkeit, sein eigenes Ding zu starten, habe ihn überzeugt: „Auf YouTube kann jeder sein eigenes Programm machen, sich kreativ ausleben und mit etwas Glück sogar ein Millionenpublikum finden. Das finde ich faszinierend.“
Kreativität und Unabhängigkeit sind auch für viele andere der Grund, sich auf der Plattform anzumelden. So auch Wolfgang M. Schmitt, der auf seinem Kanal das Format „Die Filmanalyse“ betreibt, in dem er sich „ideologiekritisch“ und mit einem unterhaltsam professoralen Habitus den Klassikern und Neuerscheinungen des Kinos widmet. Ein gutes Beispiel dafür, dass es auf YouTube für jedes Thema eine Nische gibt. Auch für Unterhaltungsformate mit Anzug und Bücherregal statt Cappy und Sofaecke. Diese kreative Freiheit ist Schmitt wichtig: „Auf YouTube fallen die klassischen Gate-Keeper wie Redaktionen oder Fördergremien weg. Ich brauche mich also an keine formellen Vorgaben, keine redaktionelle Linie oder irgendwelche Genre-Konventionen zu halten. Für mich ist das das große Glück und der Kerngedanke von YouTube.“

Wie YouTuber ihr Geld verdienen
Mit der Unabhängigkeit entsteht für professionelle YouTuber allerdings auch die Notwendigkeit, sich selbst zu finanzieren. Das geht auf YouTube vor allem über Werbung, die vor oder während eines Videos läuft. In ersterem Fall schaltet der Kanal die Werbung selbst und der Creator, wie die YouTuber auch genannt werden, wird an den Einnahmen beteiligt: Etwa ein Euro pro 1.000 Klicks, wobei die Preise je nach Werbetauglichkeit des Contents leicht variieren. Sparten wie „Beauty“ oder „Film“ gelten im Vergleich zu „News“ als werbefreundlicher und werfen deshalb mehr ab. Läuft die Werbung nicht vor dem Video, sondern ist Teil des Inhalts, ist der YouTuber mit den Werbetreibenden direkt im Geschäft. Dafür sucht er sich einen Werbepartner, der zu seinen Inhalten passt, wodurch die Werbung zielgerichteter ist und die Verdienstmöglichkeiten steigen. Die Kontaktpreise liegen laut Robin Blase hier zwischen 50 und 120 Euro für 1.000 Klicks, also um ein Vielfaches über dem oben genannten Modell. Reichenweitenstarke Creator, die mehrere solcher Werbeverträge abschließen, können viel Geld verdienen: So etwa die deutsche YouTuberin Bianca Claßen, die mit ihrem Kanal „BibisBeautyPalace“ nach Schätzungen rund 100.000 Euro pro Monat einnimmt.

Das Geld, dass sich auf YouTube verdienen lässt, hat zu einer immer stärkeren Professionalisierung der YouTuber und damit zu der Bildung sogenannter Multi-Channel-Networks geführt, auch Netzwerke genannt. Das sind Unternehmen, die YouTuber bei der Produktion und Vermarktung ihrer Videos unterstützen und dafür an den Einnahmen der Kanäle beteiligt werden. Das erste große Netzwerk entstand 2009 mit den Maker Studios in den USA, 2011 folgte Mediakraft in Deutschland. Dafür hat auch Robin eine Zeit lang gearbeitet: „Die Netzwerke haben sehr viele YouTuber aufgenommen und Kanäle für alle möglichen Sparten entwickelt. Die Professionalisierung hat zugenommen und als Maker Studios dann von Disney gekauft wurde, hat das in der Szene für viel Aufsehen gesorgt.“ Wie Disney drängten sich auch andere etablierte Produktionsfirmen aus dem Showgeschäft in den YouTube-Markt und bauten Unternehmenssparten für Web-Produktionen auf. So auch Fernsehproduzenten, wie Pro7 mit Studio71 oder RTL und Endemol. „Plötzlich war sehr viel Geld im YouTube-Business und viele YouTuber sind mit Medienprofis in Kontakt gekommen. Jeder wollte ein Stück vom Kuchen“, erinnert sich Robin.

Kommerzialisierung: Welchen Einfluss die Werbung auf die Inhalte hat
Die Kommerzialisierung machte aus YouTube ein riesiges Geschäft. Heute erzielt YouTube LLC Umsätze in Höhe von 15 Milliarden US-Dollar, die größten YouTube-Stars wie PewDiePie haben ein Jahreseinkommen von rund 20 Millionen Dollar. Für Wolfgang M. Schmitt ist klar, dass das große Geld die Plattform verändert. Es führe dazu, dass bestimmte Inhalte von vornherein ausgeschlossen werden, da sie nicht als werbetauglich gelten. Vor allem gesellschaftliche und politische Themen blieben auf der Strecke. „Die meisten Werbepartner möchten nicht, dass ihre Produkte in einem politischen Umfeld erscheinen. Doch nichts ist wirklich unpolitisch. Ein bestimmtes Körperbild oder eine gewisse Haltung zum Konsum sind politisch und finden auf YouTube statt. Inhalte zu Transgender- und Schwulenrechten werden dagegen vermieden. Das sehe ich als Problem“, führt er aus.

Schmitt verzichtet deshalb bei seinen Videos auf Werbepartner. Als Literaturwissenschaftler und freier Autor verdient er sein Geld vor allem mit Vorträgen und Zeitungsartikeln. Dadurch ist er unabhängig und kann sich bei seiner Arbeit auf YouTube an seinen eigenen Prinzipien orientieren, „und nicht an kommerziellen Interessen“, wie er sagt. Seine Kooperationen mit dem Journalisten und YouTuber Tilo Jung und dem Livestream-Kanal RocketbeansTV zeigen, dass sein Ansatz Erfolg hat und, dass YouTube auch politisch sein kann, nach Schmitts Auffassung sogar sein muss. Dass es für solche Inhalte auch auf YouTube eine Nachfrage gibt, habe das Rezo-Video gezeigt, das gerade mit dem Henri-Nannen-Preis in der Kategorie „Bestes Web-Projekt“ ausgezeichnet wurde und damit als Top-Journalismus geadelt wurde. Die Grenzen für YouTuber sind eben fließend.