„Dax auf Talfahrt!“ (Manager Magazin), „Dax tief im Minus“ (FAZ) oder „Dax fällt auf niedrigsten Schlusskurs seit sieben Jahren“ (t-online) – so lauten die Schlagzeilen der vergangenen Tage: Wegen der Corona-Krise fallen die Börsenkurse ins scheinbar Bodenlose (außer jene der Toilettenpapier-, Atemmasken- und Desinfektionsmittel-Hersteller).
Auch international scheint es kein Halten mehr zu geben – nach unten. Die New Yorker Börse setzte mehrmals nach besonders starken Kursverlusten den Handel aus, auch andere Märkte griffen zu dieser Notmaßnahme.
So schlimm das alles momentan wirkt: Es ist nicht das erste Mal. In der Geschichte der Finanzwelt kam es schon häufiger zu Börsenkrisen. Und so unterschiedlich sie auch waren, sie hatten eines gemeinsam: Sie wurden alle überwunden.
Crash Nr. 1: Tulpenmanie in Holland
Der erste Börsencrash der Weltgeschichte ereignete sich bereits im 16. Jahrhundert – und zwar in Holland. Dort waren Tulpen sehr begehrt. Sie galten als exotisch und – wegen ihrer kurzen Blütezeit – kostbar. Viele Menschen sammelten und züchteten Tulpen, übertrafen sich gegenseitig darin, immer neue Sorten zu kreieren. Teilweise wurden die Blumen sogar gestohlen, so wertvoll waren sie.

Ab 1630er kamen dann immer mehr Leute auf die Idee, mit Tulpen zu spekulieren, sie für viel Geld weiterzuverkaufen. Die Preise stiegen in absurde Höhen: Die besonders begehrte Sorte „Semper Augustus“ („Immer erhaben“) kostete zeitweise rund 10.000 Gulden pro Blumenzwiebel – das war etwa der Preis eines herrschaftlichen Hauses an einer Amsterdamer Gracht.
Mitte Februar 1637 dann war jedoch alles vorbei: Die Tulpenblase platzte von einem Tag auf den anderen. Bei einer Versteigerung erzielten die Zwiebeln auf einmal nicht mehr die erwarteten hohen Preise – daraufhin brach alles zusammen. Die Tulpenpreise fielen um 95 Prozent, viele Händler und Sammler standen vor dem Bankrott.
Um die Krise zu lösen, gab es je nach Region verschiedene Ansätze. Teilweise konnten die Verträge aufgelöst, teils mussten sie trotz des Preisrutsches eingehalten werden – und in manchen Orten bildeten sich Kommissionen, die eigene Lösungen fanden, etwa: Die Käufer mussten lediglich 3,5 Prozent des vereinbarten, in der Regel horrenden Kaufpreises zahlen, der Rest wurde erlassen.
Crash Nr. 2: Südseeblase in England
Kaum war die Krise in Holland halbwegs überstanden, begannen woanders die Probleme: Anfang des 18. Jahrhunderts investierten viele Engländer – unter anderem der König und hochrangige Adelige wie die Duchess of Kendal – sehr viel Geld in eine Firma namens „South Sea Company“. Denn die „South Sea Company“ versprach ihnen große Gewinne.
Sie wollte aus der Südsee exotische Produkte, Rohstoffe und Sklaven ins Land holen. Allerdings verlief ihre erste Expedition 1717 nicht erfolgreich – dennoch schürte das Unternehmen immer größere Hoffnungen: 1720 stieg die Aktie dann innerhalb weniger Monate von rund 100 auf atemberaubende 950 Pfund Sterling. Der König und seine Vertrauten verkauften, doch andere blieben dabei.
Viele stiegen sogar jetzt extra noch ein – doch dann kam der 1. August 1720, der Tag, an dem erstmals eine Dividende ausgezahlt werden sollte. Nun wurde klar: Der Kurs der Aktie war nicht gedeckt, es gab keine Produkte, keine Rohstoffe, das Geschäft funktionierte nicht. Daraufhin brach der Kurs ein, viele Menschen – unter anderem der Mathematiker Isaac Newton – verloren hohe Beträge.
Eine Rezession im ganzen Land folgte. Um die Wirtschaft noch zu retten, wurde ein Großteil der „South Sea Company“-Kosten von der East India Company und der Bank of England übernommen – und tatsächlich: Bis in die Gegenwart zahlte der Staat noch Zinsen auf die damals aufgenommenen Anleihen: Schatzkanzler George Osborne verkündete 2014, man wolle die alten Anleihen gegen neue tauschen.
Crash Nr. 3: Schwarzer Dienstag in den USA
Nach der „South Sea Company“ dauerte es immerhin 200 Jahre bis zur nächsten großen Börsenkrise – dafür brach das Unglück dann umso heftiger über die Anleger herein: Dabei gab es in den 1920er Jahren in den USA zuerst einen wirtschaftlichen Aufschwung. Die Börsenkurse stiegen, Aktien galten als sicher und viele Menschen nahmen sogar Kredite auf, um investieren zu können. Das erwies sich allerdings als verhängnisvoll.
Die Logik der Kleinanleger: Sie wollten die Aktien mit Gewinn verkaufen und wären dann nicht nur in der Lage, die Kredite zurückzuzahlen, sondern auch noch reich. Doch es kam anders: Im Oktober 1929 stiegen die Kurse nicht mehr, stagnierten nur noch. Nun ahnten viele erstmals, dass sie sich möglicherweise verrechnet hatten und ihr Plan nicht aufgehen könnte.

Kaum einer kaufte noch Aktien, das Handelsvolumen sank deutlich, die Polizei sperrte vorsorglich das Gelände um die New York Stock Exchange an der Wall Street ab. Am 24. Oktober 1929 dann begann der Handel am Morgen ruhig, gegen 11 Uhr setzte ohne erkennbaren Grund aber eine Panik ein: Massenverkäufe begannen, der Handel brach mehrmals komplett zusammen.
Nach zwei Stunden war der Wert aller börsennotierten Unternehmen um 11 Milliarden Dollar gefallen – für die damalige Zeit ein unfassbarer Wert. Mehrere Händler versuchten, die Börse zu stützen – doch vergeblich: Am 29. Oktober, dem „Black Tuesday“, brach die New Yorker Börse endgültig und komplett zusammen. Viele Banken forderten nun Kredite zurück, die Anleger mussten also noch mehr Aktien verkaufen. Auch deswegen ging der Börsensturz immer weiter.
Erst im Sommer 1932 hatte die Wall Street ihren Tiefpunkt erreicht. Das führte zu Bankrotten, Entlassungen, Arbeitslosigkeit – sowohl in den USA als auch in Europa, wo es Deutschland nach dem Versailler Vertrag (und der damit einhergehenden Verschuldung) am härtesten traf. Was folgte, war die große Depression, „the great depression“, die die 1930er Jahre dominierte.
Crash Nr. 4: Finanzkrise in der ganzen Welt
Ähnliches erlebte die Welt wieder in den Nullerjahren. Um eine erneute Depression nach den Anschlägen vom 11. September 2001 zu verhindern, hatte die amerikanische Zentralbank Fed die Notenpresse angeschmissen und die Zinsen deutlich gesenkt. Die Kreditvergabe stieg drastisch an. Menschen, die vorher nicht kreditwürdig gewesen sind, konnten in den Folgejahren Immobilienkredite aufnehmen und sich ein eigenes Haus leisten.
Banken vergaben diese Kredite gern, da sie sie im Paket mit Profit weiterverkaufen konnten. Der Markt mit Hypotheken wuchs immens, was den Grundstein für die nächste Krise legte. Vor allem der Markt mit Krediten für Schuldner minderer Bonität war geradezu explodiert und platzte schließlich. Viele Menschen konnten ihren Kredit plötzlich nicht mehr abbezahlen, mussten ihre Häuser verkaufen, aber – weil das ja gerade alle taten – bekamen sie weniger Geld dafür, als sie brauchten, um ihre Kredite komplett abzuzahlen.

Die Banken, die ihnen das Geld geliehen hatten, wiederum mussten mit ansehen wie das Hypotheken-Geschäft wegbrach. Sie erhielten nur einen Bruchteil der Kredite zurückgezahlt. Im Juli 2008 mussten deswegen die Hypothekenbanken Fanny Mae und Freddie Mac mit staatlichen Milliardenkrediten gerettet werden. Kurz darauf, im September 2008, ging auch die Investmentbank Lehman Brothers bankrott, was verheerende Folgen für die Börse hatte, den gesamten Finanzmarkt und auch die Volkswirtschaft in vielen Ländern in eine tiefe Krise stürzte.
Bisher ist jede Börsenkrise vorübergegangen
Bilder von Ex-Bankern, die ihre Habseligkeiten im Pappkarton durch die Straße trugen, gingen 2008 um die Welt. Die Folgen ähnelten denen der jetzigen Krise: Kurzarbeit, Produktionsstopps, Rezession, drastischer Anstieg der Arbeitslosigkeit. Allerdings nur für relativ kurze Zeit. Zentralbanken und Regierungen stützten die Märkte und Volkswirtschaften mit Zinssenkungen und Milliardenhilfen. In Deutschland war beispielsweise die Abwrackprämie für Altautos eine Folge der Finanzkrise. Auch stiegen Staaten beherzt bei Großbanken ein und halten Anteile teilweise bis heute, zum Beispiel ist Deutschland immer noch mit 15 Prozent an der Commerzbank beteiligt.
So ging auch diese Krise vorüber – und führte zu stärkeren Regulierungen des Finanzmarktes: Seitdem müssen Finanzinstitutionen mehr Eigenkapital als Puffer besitzen, hochspekulative Hedgefonds sind reglementiert. Natürlich wird es trotz dieser Maßnahmen wieder Börsenkrisen geben. Beruhigend ist, dass sie immer überstanden wurden – auch wenn es häufig lang gedauert hat.