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Banken

Wie KI Banken besser macht

Im Interview verrät KI-Experte Chris Boos, was Künstliche Intelligenz im Finanzwesen schon leistet – und was nicht.
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© Photo by luis gomes on Pexels
29.01.2020

Automatisierung, Künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen – derzeit schwirren viele verschiedene Begriffe herum, deren Methoden allesamt das Arbeiten leichter und effizienter machen sollen. Doch was ist dran an diesen Technologien, was leisten sie schon heute und was erwartet uns noch? Wir haben mit einem gesprochen, der es wissen muss: Chris Boos ist Geschäftsführer der arago GmbH, einem auf KI spezialisierten Unternehmen, und sitzt zudem im Digitalrat der Bundesregierung.

Chris, wenn wir von Künstlicher Intelligenz (KI) im Finanzwesen sprechen – was ist da heute schon möglich?

Spannende Frage! Allerdings geht sie mit der überzogenen Erwartungshaltung einher, dass KI magische Dinge ermöglicht, die vorher nicht umsetzbar waren. Aber bei KI geht es in erster Linie darum, Abläufe zu automatisieren, die sonst zu teuer, zu zeitaufwändig, nicht in der notwendigen Genauigkeit etc. möglich sind.

Sprechen wir davon, was man im Finanzwesen automatisieren kann: In Banken bietet sich dafür fast jeder Vorgang an – einzige Ausnahme: die Kundenbeziehung. Erstaunlicherweise setzen viele Banken aber genau dort an, und das verstehe ich nicht. Gerade die Kundenberatung ist es doch, über die sich eine Bank als Finanzdienstleister differenzieren kann.

2020 01 FINT Artikel Machine Learning Unsplash 466 E Na Luh LY © Photo by Markus Spiske on Unsplash

Den Einsatz von Chatbots in der Kundenkommunikation siehst du also kritisch?

Das kommt darauf an: Wenn es nur um Effizienz geht, ist ein Chatbot das richtige Mittel. Er hilft Kunden, wenn sie einfache, wiederkehrende Fragen haben. Jetzt könnte man einwenden, wenn die gleichen Fragen immer wieder auftauchen, stimmt vielleicht etwas an der Userstory nicht. Ist zum Beispiel das Frontend nicht nutzerfreundlich oder strukturiert genug aufgebaut? Dieser Frage sollte man nachgehen und sie zum Teil des eigentlichen Produkts machen, anstatt einen Chatbot als Lösung anzubieten. Ziel muss es sein, alles digitaler zu denken und gleichzeitig den Kunden nicht aus den Augen zu verlieren.

Stichwort Digitalisierung: Welche KI-Produkte sind wirklich sinnvoll?

KI wird im Finanzbereich bislang nur als Insellösung eingesetzt, zum Beispiel bei der automatischen Erstellung statistischer Modelle oder von Portfolios. Aber ich kenne keine Finanzorganisation, die KI durchgängig einsetzt. Es muss ein Umdenken stattfinden: Wenn sämtliche Vorgänge und Prozesse automatisiert werden, können sich die Mitarbeiter nämlich voll auf ihre Stärken fokussieren. Momentan aber wird Personal dort abgebaut, wo eigentlich das Geld verdient wird, also im Kunden-Frontend. Aber dort, wo lediglich verwaltet wird und die Automatisierung voll zum Zug kommen könnte, wird Personal aufgebaut, etwa im Compliance- und Risiko-Management.

2020 01 FINT Artikel Machine Learning Pexels 1054397 © Photo by Josh Sorenson on Pexels

Welchen Rat hast du für ein Finanzunternehmen, das mithilfe von KI seine Geschäftsstrukturen verbessern will?

Viele Unternehmen sehen in KI bislang lediglich ein Werkzeug, um die Effizienz zu erhöhen. Aber es ist wie mit der Eiswürfelfabrik: Dort können entweder die Eiswürfel noch effizienter produziert werden oder aber man beginnt damit, Kühlschränke zu bauen. Das ist der Unterschied zwischen Effizienz und Transformation. Und ich glaube, in der Finanzwelt dreht sich noch alles um Effizienzsteigerung und sehr wenig um Transformation.

Ein Beispiel: Compliance funktioniert momentan noch weitgehend evidenzbasiert. 20 Prozent der Arbeitskraft wird also darauf verwendet, in Compliance Evidenz zu erzeugen. Nun sind die Richtlinien notwendig, sinnvoll und gesetzlich vorgeschrieben – aus Firmensicht handelt es sich aber auch um eine riesige Ressourcenverschwendung. Jetzt stell dir vor, die Daten werden jeden Tag automatisch geprüft. Dann haben die Mitarbeiter plötzlich deutlich mehr Kapazitäten, um sich um Produkte und Kunden zu kümmern – also um alles, was mehr Umsatz oder Marge bringt.

Wie kommen Finanzdienstleister dorthin – weg vom reinen Effizienzgedanken hin zum Transformationsprozess?

Zum einen braucht es Mut und Risikobereitschaft – gerade in einer Zeit, wo beides gesellschaftlich kaum belohnt wird. Ich glaube, die Technik ist ein einmaliges Werkzeug, mit dem man unglaublich viel machen kann. Aber letztlich kommt es auf die Menschen und ihren Wunsch nach Veränderung an.

Finanzdienstleister sind bereits hochtechnisiert. Die Technik mag mitunter veraltet sein, aber theoretisch könnte jeder einzelne Geschäftsvorgang digital abgewickelt werden. Keiner zählt mehr das Geld im Tresor, oder? Das Potenzial, alle Abläufe zu automatisieren, ist also vorhanden. Wer sich zu diesem Schritt entschließt, muss dann aber noch einen Schritt weiterdenken und überlegen, wie er die neu gewonnenen Ressourcen für ein Geschäftsmodell nutzen kann, das sich in der Branche abhebt.

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Wie sollte man sich personell aufstellen, um in der Digitalisierung gewappnet zu sein?

Zum einen braucht es dringend Leader, die dafür sorgen, dass Prozesse in Gang kommen. In Deutschland ist die Forschungsarbeit zwar hervorragend, aber in China werden die Projekte auch umgesetzt. Um nicht abgehängt zu werden, brauchen wir deshalb Führungskräfte, die die Umsetzung vorantreiben. Außerdem müssen sie ihren Teams die Sicherheit geben, Entwicklungen ausprobieren zu dürfen, ohne dass Konsequenzen drohen, wenn mal etwas nicht klappt.

Zum anderen brauchen wir Mitarbeiter, die etwas von semantischen Datenmodellen verstehen. Da können sich Finanzunternehmen ein Beispiel an renommierten Plattformen nehmen, die auf einer klaren Datenstruktur aufbauen. Hierfür benötigt man Experten, die sich auf den Umgang und die Speicherung von Daten verstehen.

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Datenanalyse – das Berufsfeld der Zukunft?

Unbedingt! Das Verständnis für den Nutzen von semantischen Daten ist erst in den vergangenen Jahren gereift. Denn diese Daten sind nicht mehr nur zweckgebunden, sondern können auch sinngebunden eingesetzt werden. Leute, die eine Frage, die jemand anderes gestellt hat, so formulieren können, dass sie mit einem Datenpool beantwortet werden können, sind künftig unverzichtbar.

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29.01.2020