605.000 Unternehmen wurden im vergangenen Jahr in Deutschland gegründet – und fast zwei Drittel davon von Männern: Rund 64 Prozent hatten einen Mann als Gründer eingetragen, nur 36 Prozent waren von einer oder mehreren Frauen gegründet worden.
Diese Zahlen sind keine Überraschung, denn sie verändern sich seit Jahren nur geringfügig bzw. gar nicht: 2004 waren ebenfalls 36 Prozent aller Gründer weiblich und 64 Prozent männlich. In der folgenden Zeit stieg der Wert dann zwar etwas an, erreichte 2014 einen Höchstwert von 42 Prozent. Doch seitdem hat sich nichts mehr getan, zumindest nicht im Positiven, die Zahl sank wieder. „Vielleicht zweifeln manche Frauen einfach immer noch zu sehr an sich selbst“, sagt Kaya Ahrens. Sie hat sich gemeinsam mit ihrer Schwester Linda Stork dem Trend entgegengestellt und zusammen mit ihr ein Unternehmen gegründet.

Die beiden und eine weitere junge Gründerin berichten, wie es zu ihrer Firmengründung gekommen ist, wie sie die erste Zeit erlebt haben, wie es ihren Unternehmen geht – und geben allen Frauen Tipps, die auch eine Gründungsidee haben, aber sich noch nicht durchringen konnten.
Kaya Ahrens & Linda Stork, Schwestern und Gründerinnen von "Bodymethod"
Wir kommen aus einer Unternehmerfamilie: Unser Opa war Unternehmer, unser Vater ist es auch. Allerdings war nie geplant, dass wir in ihre Fußstapfen treten – dass es dann doch passiert ist, lag an einer USA-Reise, die wir gemeinsam unternommen haben:
Denn nach dem Studium wollten wir einfach noch einmal intensiv Zeit zusammen verbringen, bevor es mit dem Beruf so richtig losging. Deswegen sind wir gemeinsam für drei Monate nach Los Angeles geflogen – und dort richtig ins Leben abgetaucht.
Inspiration: Los Angeles
Wir haben uns eine Wohnung in L.A. genommen, haben uns dort einen Freundeskreis und vor allem eine Alltagsroutine aufgebaut. Zu dieser Routine gehörte auch, dass wir alle paar Tage zum Sport gegangen sind. Genauer: Zu einem Sport-Studio, das auf Lagree-Fitness spezialisiert war.

Bei dieser Fitness-Art arbeitet man auf speziellen Maschinen nur mit seinem Körpergewicht – das Ganze passiert in Kursen, unter Anleitung eines Trainers. Wir haben da schnell so einen Spaß dran gehabt, dass wir drei oder vier Mal pro Woche dorthin gegangen sind.
Idee: ein neues Sportstudio
Eines Tages sagte die Trainerin – rein im Scherz – zu uns: „Wenn euch das so viel Spaß macht, dann bringt das ganze System doch nach Deutschland!“ Wir haben beide gelacht: „Ja, guter Witz, na klar, wir bringen das nach Deutschland.“ Aber irgendwie… hat es uns nicht losgelassen.
Wir haben uns überlegt, ob wir das nicht wirklich versuchen sollen: Diesen Sport nach Deutschland zu bringen. Warum gründeten wir nicht ein ganz neues Fitness-Studio, das genau darauf spezialisiert war? Wir setzten uns noch in L.A. hin und fingen an, unseren Business-Plan zu schreiben.
Finanzierung: über Ersparnisse und einen Familien-Kredit
Wir grübelten lange über der Finanzierung: Die Hälfte des nötigen Geldes konnten wir aus unserem gemeinsamen Ersparten aufbringen, für die andere Hälfte würden wir einen Kredit aufnehmen. Als wir wieder zurück in Deutschland waren, stießen wir damit aber auf geringe Begeisterung.
„Ihr wollt eine Muckibude aufmachen?“, fragte unser Vater ziemlich fassungslos. Er war bei weitem nicht der einzige Skeptiker, viele dachten wohl, wir seien zu jung – dass wir Frauen waren, war allerdings nie ein Thema. Und wir waren so überzeugt von unserer Sache, von diesem ganzen Konzept, dass wir selbstverständlich weitermachten.
Eröffnung: Kaum einer wusste davon
Davon war unser Vater dann nach einiger Zeit so beeindruckt, dass er uns das Geld, das noch fehlte, als Kredit gegeben hat. Wir haben uns sehr drüber gefreut – es war selbstverständlich immer noch ein Kredit, aber natürlich nahmen wir den lieber bei der Familie als bei einer Bank auf.

Wir eröffneten unser Studio im Oktober 2014 in Hamburg – und erst einmal tauchten kaum Leute auf. In den Kursen waren teilweise nur ein oder zwei Personen. Aber damit hatten wir gerechnet, es wusste ja auch noch niemand, dass es uns gab. Wir haben auch da noch dran geglaubt, dass es funktionieren kann.
Durchbruch: Supermodel kommt zum Training
Im Dezember 2014 änderte sich von heute auf morgen alles. Denn um Weihnachten herum kam das aus Hamburg stammende Supermodel Toni Garrn und trainierte bei uns. Sie postete davon ein Bild auf Instagram – und danach tauchte unser Studio überall in der Presse auf. Unsere Kurse waren plötzlich komplett ausgebucht.
Das hat sich seitdem glücklicherweise auch nicht mehr geändert: Wir haben mittlerweile wegen der großen Nachfrage sogar noch ein weiteres Hamburger Studio eröffnen können, haben viele Kooperationsanfragen von Firmen und zwölf Mitarbeiter. Aktuell bilden wir noch vier weitere Trainer aus, die werden bald auch unterrichten.
Fazit: Gründen lohnt sich
Unserer Erfahrung nach kann die Gründung eines Unternehmens also sehr erfolgreich verlaufen – und wir können jedem und vor allem auch jeder nur raten, es auch zu tun. Es ist ein fantastisches Gefühl, wenn man für seine eigene Idee arbeitet. Aber dabei darf man auch nicht vergessen:
Es steckt unfassbar viel Arbeit dahinter, auch wirklich unglamouröse: So mussten wir schon mal um 22 Uhr ins Studio fahren, weil die Dusche nicht mehr ablaufen wollte und dort dann das Wasser auffeudeln. Aber egal, wie viel Arbeit es ist und egal, wie viel Zeit man hineinstecken muss: Es lohnt sich!
„Bodymethod“ ist ein Fitness-Programm, bei dem man auf einer speziellen Maschine – ähnlich einer Pilates-Reformer-Maschine – trainiert. Dabei wird ausschließlich mit dem eigenen Körpergewicht gearbeitet. Das Training findet immer in Kleingruppen und unter Anleitung einer Fachkraft statt. Die Kunden bezahlen rund 30 Euro pro Stunde, können aber auch mehrmonatige Verträge mit einer festgelegten Anzahl von Stunden pro Monat zu einem günstigeren Preis (bis ca. 18 Euro / Stunde) kaufen.
Katharina Walter, Gründerin von "Findeling"
Meine 80-jährige Nachbarin war nicht unerheblich daran beteiligt, dass ich zur Gründerin geworden bin. Sie hat während meines Wirtschaftspsychologie-Studiums direkt neben mir gewohnt – und immer meine Pakete angenommen. Ich habe damals viel online bestellt, sie musste daher viel annehmen. Das hat sie auch getan.

Allerdings konnte sie überhaupt nicht verstehen, warum ich und andere jüngere Leute alles im Internet ordern. „Du hast einen Bilderrahmen bestellt? Aber warum denn, der Manfred hier um die Ecke, der verkauft doch in seinem Laden ganz tolle Bilderrahmen“, sagte sie dann.
Idee: Eine App für kleine Läden
Und sie hatte ja Recht: Es gab viele wunderbare kleine Läden um die Ecke, die ich auch selber sehr mochte. Allerdings war es schwierig, genau den kleinen Laden zu finden, den man gerade brauchte – denn nur die wenigsten hatten damals – 2015 – eine richtige Internetpräsenz.
Ich beschloss, das zu ändern: Denn was wäre, wenn es eine App gäbe, in der all diese kleinen, inhabergeführten Läden und Cafés aufgeführt wären? Wie in einer Bibliothek? Das existierte zwar noch nicht – aber ich wollte diese App kreieren und den kleinen Läden die Anerkennung bringen, die sie verdient hatten.
Umsetzung: Gemeinsam mit dem Kommilitonen
Alleine konnte ich das allerdings nicht machen – ich hatte zwar eine Ahnung, wie diese Kleine-Läden-Bibliotheks-App aussehen sollte, was sie beinhalten und welche Zielgruppe sie ansprechen sollte. Aber ich wusste nicht genug von IT, um das alles wirklich umsetzen zu können.
Glücklicherweise hatte ich an der Uni einen smarten Kommilitonen, Florian. Wir hatten schon in Seminaren und Vorlesungen gemerkt, dass wir uns arbeitstechnisch sehr gut ergänzten – und er hatte wahnsinnig viel Ahnung von IT. Gemeinsam mit ihm wollte ich nun auch die App auf den Markt bringen.
Markteinführung: Nutzer und Presse reagieren positiv
Wir entwarfen einen genauen Plan, nutzten ein bisschen Geld, das mir meine Oma hinterlassen hatte – und ließen erste Entwürfe der App entwickeln. Ehrlich gesagt: Diese ersten Entwürfe darf man heute niemandem mehr zeigen, die waren wirklich nicht gut. Aber es wurde langsam: Die App machte sich immer mehr.

Schließlich ging sie im Juni 2015 online – sechs Wochen später als geplant, aber das war nur eine kleine Verzögerung. Sie kam direkt gut an, auch die Presse sprang darauf an. Sogar die ARD kam vorbei und berichtete über uns und unsere Idee. Danach stürzte unser Server ab wegen der vielen Anfragen.
Aktueller Stand: Erfolgreich und expandierend
Das alles ist mittlerweile schon fünf Jahre her und in dieser Zeit ist unsere App immer größer geworden – genau wie unser Unternehmen: Aktuell haben Florian und ich 16 Mitarbeiter und sind in 27 europäischen Ländern vertreten. Bald wollen wir sogar noch weiter expandieren:
Mit 20 Leuten an Bord wären wir das perfekte Team, denke ich. Ich bin sehr glücklich, dass alles so gut läuft gerade – und hatte nie das Gefühl, dass ich als Gründerin in irgendeiner Form gegenüber einem männlichen Gründer benachteiligt gewesen wäre.
Daher kann ich nur allen anderen Menschen – egal, ob männlich oder weiblich – raten: Ihr habt eine Idee und wollt gründen? Traut euch! Denn solange ihr etwas gründet, hinter dem ihr voll steht, das euch auch selber Spaß macht, werdet ihr erfolgreich sein.
Die App „Findeling“ zeigt kleine Geschäfte und Cafés in der Nähe an – damit sie von potenziellen Kunden besser wahrgenommen werden. Die Ladenbesitzer zahlen dafür, dass sie in der App auftauchen. Zudem können Hersteller innerhalb der App Werbung für ihre Produkte schalten, die dann genau den Ladenbesitzern angezeigt werden, zu denen sie passen könnten.