Die vergangenen Monate waren für fast alle Menschen sehr einschneidend: Während der Pandemie mussten sich viele an neue Arbeitsbedingungen gewöhnen (hallo Homeoffice!), teilweise ihre beruflichen Ambitionen zurückschrauben oder sich damit auseinandersetzen, dass ihre Branchen auf absehbare Zeit nicht mehr gefragt waren.
Genau deswegen machten sich wohl mehr Leute als je zuvor Gedanken über ihren Beruf: War es das, was sie wirklich für immer machen wollten? Konnten sie darin weitermachen? Einige suchten sich daraufhin einen neuen Job, andere entschlossen sich sogar zu einer noch radikaleren Lösung und starteten eine neue Karriere.

Aber war und ist das wirklich so einfach – mitten in der Karriere den Job wechseln? Welche Herausforderungen muss man dabei meistern und mit welchen Problemen sehen sich viele konfrontiert? Petra Wolfram kennt die Antworten auf all diese Fragen: Die Hamburgerin ist Coachin und betreut viele Arbeitnehmer*innen bei deren Wechselprozess. Ein Interview.
Frau Wolfram, welche Menschen kommen zu Ihnen und wünschen sich Beratung für einen Jobwechsel?
In mein Coaching kommen Menschen, die mit der aktuellen Jobsituation unzufrieden sind, sich verändern und/oder weiterentwickeln wollen oder ihre Ziele fokussiert verfolgen möchten.
Gibt es eine bestimmte Gruppe – oder ist das bunt gemischt?
Überwiegend arbeite ich mit Führungskräften oder Angestellten in leitenden Positionen, egal welchen Alters oder Geschlechts. In den vergangenen Jahren ist ein Trend für mich zu erkennen, nämlich dass auch immer mehr jüngere Menschen beim Jobwechsel Unterstützung im Coaching suchen.
Ist die Anzahl der wechselwilligen Menschen in jüngster Zeit angestiegen?
Meinem Gefühl nach kommen Berufswechsel in den vergangenen Jahren häufiger vor. Das hat sich durch die aktuelle Lage zusätzlich verstärkt, da einige Branchen besonders von den Einschränkungen betroffen sind. Zudem bringt die Situation einige Menschen dazu, stärker über ihre berufliche Zukunft nachzudenken.

Nehmen wir an, ich bin einer dieser wechselwilligen Menschen. Wie gehe ich nun einen solchen Wechsel am besten an? Was ist der erste Schritt, wenn ich mich dazu durchgerungen habe?
Im ersten Schritt ist es am wichtigsten, das „Warum“ zu klären, das heißt: Warum will ich den Job wechseln? Warum will ich mich verändern? Im zweiten Schritt ist die Definition des Ziels notwendig, ich muss mich also fragen: Was will ich machen? In welchem Bereich will ich arbeiten? Will ich angestellt oder selbstständig sein? Was ist mir im Job wichtig? Was bringt mir Spaß im Job? Je genauer ich mir diese Punkte anschaue, umso klarer und schneller sind die nächsten Schritte einzuleiten.
Wie geht es dann weiter?
Die nächsten Schritte sind individuell von der jeweiligen Situation der Wechselwilligen abhängig – dazu können gehören: Möglichkeiten der Stellenakquise überlegen, verschiedene Bewerbungsmöglichkeiten sondieren, Bewerbungsunterlagen aktualisieren und vieles mehr.
Wo könnte es typischerweise Probleme geben? Was haben viele vorher vielleicht nicht auf dem Schirm?
Häufig überlegen sich Jobwechselnde die Gründe oder Ziele nicht genau und bedenken nicht, was sie aus ihrem bisherigen Job lernen beziehungsweise mitnehmen können. Schnell kommen sie dann bei der neuen Stelle an den gleichen Punkt. Manchmal ist es auch so, dass hinter einem Jobwechsel neue Ideen stehen – deren Umsetzung dann jedoch oft daran scheitert, dass der Mut dazu fehlt oder an alten Glaubenssätzen festgehalten wird.

Verstehe. Gibt es weitere typische Hindernisse?
Ja, zum Beispiel, dass Menschen, die lange in einem Job waren, verlernt haben, sich zu präsentieren. Aber all diese Punkte kann man sehr gut in einem Coaching aufarbeiten, um erfolgreich einen Jobwechsel zu gestalten.
Können Sie uns ein Beispiel nennen, bei dem ein Jobwechsel besonders gut gelungen ist?
Ja, ich erinnere mich an ein Coaching, bei dem der Coachee sehr genau analysiert hat, was ihn in seinem Job unzufrieden gemacht hat – aber auch, welche Dinge gut daran waren. Wir haben dann die Ziele für den neuen Job genau definiert und aufgezeigt, was ihm wichtig ist. Mit diesen klaren Zielen ist es ihm leichtgefallen, einen neuen Job zu finden, der viel besser zu ihm gepasst hat.

Glauben Sie, solche Karrierewechsel werden in Zukunft eher häufiger oder seltener werden? Und warum?
Aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung, der Digitalisierung und der geänderten Ansprüche an die Arbeit und deren Stellenwert im Leben erwarte ich, dass viele Menschen sich in Zukunft noch bewusster für oder gegen einen Job entscheiden werden und dies auch häufiger hinterfragen werden.
Petra Wolfram ist Coachin und Trainerin beim Coaching- und Beratungsunternehmen MindVisory: www.mindvisory.com