Staubsauger mit Atomantrieb? Das Radio – ein Flop? Und das Handy bleibt ein ewiger Wunschtraum? Gerade in der Tech-Branche wimmelt es nur so von Fehleinschätzungen. So kann man bei mancher Äußerung heute bloß ungläubig mit dem Kopf schütteln und sich verwundert fragen, wie sich selbst Koryphäen wie Bill Gates, Steve Jobs und Co. so täuschen können. Was man allerdings nicht vergessen darf: Viele Entwicklungen, die für uns heute längst Realität sind, waren unter den damaligen technischen Voraussetzungen nicht vorstellbar. Zudem dreht sich die Welt im IT-Sektor besonders schnell, sodass selbst Prognosen für die nahe Zukunft schwierig zu treffen sind. Hier kommen fünf Beispiele, die zeigen, wie die Geschichte Techies eines Besseren belehrt hat.

1. 1943: Der Computer
Der Erfolg von IBM ist unmittelbar an die Person Thomas J. Watson geknüpft: 1914 wurde der US-Amerikaner Generalbevollmächtigter der Computing-Tabulating-Recording Company, die er zehn Jahre später in die International Business Machines Corporation (IBM) umbenannte. Watson war einer der reichsten Männer seiner Zeit, hatte großes Interesse an internationalen Beziehungen und pflegte Kontakte bis in die höchsten politischen Kreise. Nichtsdestotrotz soll er 1943 den Satz gesagt haben: „Ich denke, dass es einen Weltmarkt für vielleicht fünf Computer gibt.“ (Original: „I think there is a world market for maybe five computers.”)
Sein eigenes Unternehmen sollte seine Aussage einige Jahrzehnte später jedoch widerlegen: 1975 erschien mit dem IBM 5100 der erste „tragbare“ Computer (mit schlappen 25 Kilogramm Gewicht). Das Modell floppte zwar, doch der nachfolgende IBM-PC Model 5150 wurde 1981 zum Erfolg und setzte damit den weltweit geltenden Industriestandard für Heimcomputer. Bis heute beruhen gängige PCs mit Windows-Betriebssystem und x86-Prozessoren auf der stetigen Weiterentwicklung des damaligen Konzepts.
Übrigens gibt es bis heute keine Belege dafür, dass Watson diesen Satz wirklich gesagt hat. Allerdings berichtete „Der Spiegel“ im Mai 1965: „IBM-Chef Thomas Watson hatte zunächst von neuen Geräten nichts wissen wollen. Als in den frühen 50er Jahren die ersten Rechenungetüme für kommerzielle Nutzung auftauchten, die mit ihren Tausenden von Röhren ganze Zimmerfluchten füllten und unerträgliche Hitze entwickelten, schätzte Watson den Bedarf der US-Wirtschaft auf höchstens fünf Stück.“ Hier wird zwar keine Quelle genannt, doch liefert die Passage eine Erklärung, wie Watson zu seiner Einschätzung kam: Die schiere Größe und der enorme Stromverbrauch machten den Rechner extrem unattraktiv. Erst der Transistor ließ die Geräte effizient für den Heimgebrauch werden – und der wurde erst 1947 in den Bell Laboratories erfunden.

2. 1957: Künstliche Intelligenz
Der US-Amerikaner Herbert A. Simon war fasziniert vom Prozess der Entscheidungsfindung. Viele Jahre lang beschäftigte sich der Wissenschaftler intensiv damit und erhielt letztlich sogar den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften „für seine bahnbrechende Erforschung der Entscheidungsprozesse in Wirtschaftsorganisationen“ (1978). Auf seinem Weg dorthin wurde er nebenbei zu einem der Gründungsväter von Künstlicher Intelligenz (KI): Denn Mitte der 1950er Jahre begann Simon, die Entscheidungsprozesse mithilfe von Computersimulationen zu erforschen und entwickelte im Zuge dessen das Programm „Logical Theorist“. Als erstes Computerprogramm überhaupt war es in der Lage, logische Theoreme zu beweisen. Mit dem „Logical Theorist“ gelang Simon damit ein Meilenstein der KI – denn erstmals lieferte er damit einen Nachweis, dass Programme Aktionen ausführen können, für die der Mensch Intelligenz benötigt. Der Wissenschaftler war so von seiner technischen Errungenschaft überzeugt, dass er 1957 sagte: „Innerhalb der nächsten zehn Jahre wird ein Computer Schachweltmeister werden.“ (Original: "Within 10 years, a computer would routinely beat the world's best player.")
Tatsächlich sollte es erst 40 Jahre später einer KI gelingen, einen Schachweltmeister zu bezwingen: Beim Duell des von IBM entwickelten Schach-Supercomputers „Deep Blue“ gegen den damals amtierenden Schachweltmeister Garri Kasparow 1996 ging die erste Partie des Matches an die KI. Zwar errang der Russe mit 4:2 den Gesamtsieg, doch tatsächlich gewann erstmals eine Maschine im Schach. Und schon im Jahr darauf ging auch der Sieg im Revancheduell an „Deep Blue“. Mittlerweile sind die Computer nahezu unschlagbar geworden: „Computerschachprogramme sind mittlerweile so gut, dass es illusorisch ist, dagegen zu spielen. […] Der Zug ist komplett abgefahren für den Menschen“, sagt Johannes Zwanzger, promovierter Mathematiker und Gewinner der „World Chess Engine Championship“ von 2015.
3. 1995: Das Internet
Als das Internet 1995 an Popularität gewann, hielten es viele Skeptiker*innen lediglich für eine Ablenkung. Besonders kritisch sah Robert Metcalfe, Gründer des Hightech-Konzerns 3Com und Erfinder des Ethernets, die neue Technologie. In einer Kolumne für Zeitschrift „InfoWorld“ schrieb er im selben Jahr: „Aber ich prophezeie, dass das Internet, […] bald spektakulär zur Supernova werden und 1996 katastrophal zusammenbrechen wird.“ (Original: „But I predict the Internet, […] will soon go spectacularly supernova and in 1996 catastrophically collapse.”)

Seine spektakuläre Fehlprognose nahm er mit Humor: Bei einem Vortrag während der International World Wide Web Conference 1997 gab er zu, dass die Supernova nicht eingetreten sei, und ließ die Teilnehmer*innen der Konferenz abstimmen, ob er die gedruckte Kolumne verspeisen solle. „Eat, baby, eat“, skandierte das Publikum. Metcalfe präsentierte daraufhin einen Kuchen, der wie seine Kolumne aussah, und schlug vor, stattdessen ein Stück davon zu verzehren. Als er ausgebuht wurde, riss er seine Kolumne aus der Zeitschrift, fetzte sie in Stücke und gab die Schnipsel mit etwas Wasser in einen Mixer. Es entstand eine breiige Substanz, die Metcalfe schließlich schlürfte – das Publikum fand es großartig.
4. 2003: Musik-Streaming
Im Jahr 2003 gab Steve Jobs dem Musikmagazin „Rolling Stone“ ein Interview. Es ging um iPods, Raubkopien und darum, ob die Menschen bereit seien, für digitale Musik-Abos Geld zu bezahlen. Denn zwei Jahre zuvor war mit „iTunes“ eine Art „digitaler Jukebox“ an den Start gegangen – sprich, ein Verwaltungsprogramm für Musik. Auch damit bewies der Mitgründer und langjähriger CEO von Apple den richtigen Riecher, schließlich kam die Software bei Labels wie bei Hörer*innen gut an. Und das, obwohl die Musiklabels Apple zunächst abgewiesen hatten und auf Musikabonnements setzen wollten. Jobs hielt dagegen und sagte im Interview:„Abo-Modelle für Musik sind gescheitert. Ich glaube, wir könnten die zweite Erscheinung Jesu als Abo verkaufen und es wäre nicht erfolgreich.“ (Original: „The subscription model of buying music is bankrupt. I think you could make available the Second Coming in a subscription model, and it might not be successful.“)

Knapp 20 Jahre später ist klar: Die Labelbosse hatten Recht, Jobs lag mit seiner Einschätzung gehörig daneben: Die Menschen sind sehr wohl bereit, für Musik zu bezahlen, ohne sie in Form von Plattenträgern, CDs oder Downloads zu besitzen. Mittlerweile hat Apple mit „Apple Music“ seinen eigenen Streaming-Dienst, der mehr als 75 Millionen Songs bereitstellt und circa 72 Millionen zahlende Kund*innen (Stand: 2020) hat. Noch deutlicher fallen da die Zahlen des schwedischen Streaming-Dienstes „Spotify“ aus: Weltweit hören jeden Monat 365 Millionen Nutzer*innen Musik über „Spotify“ – davon besitzen 165 Millionen ein Premium-Abo (Stand: 2021).
Abo-Modelle für Musik sind gescheitert. Ich glaube, wir könnten die zweite Erscheinung Jesu als Abo verkaufen und es wäre nicht erfolgreich.
Steve Jobs, Mitgründer von Apple
5. 2004: Spam-Nachrichten
Abschließend noch ein Zitat von Bill Gates, von dem wir uns alle wünschen, er hätte damit Recht gehabt. In einem BBC-Interview 2004 sagte er nämlich: „In zwei Jahren werden Spam-Nachrichten der Vergangenheit angehören.“ (Original: „[E-mail] spam will be a thing of the past in two years' time.“)

Bis heute sind knapp die Hälfte aller E-Mails Spam-Nachrichten – einen Großteil dieser Nachrichten bekommen User*innen zwar meist gar nicht zu Gesicht, weil die Spamfilter immer besser werden. Doch ein Ende der Spam-Mails ist nicht in Sicht, stattdessen werden Cyber-Kriminelle immer kreativer: Sie werben für Potenzpillen und Bitcoin-Schnäppchen, versenden Phishing-Mails und Malware und sie weichen sogar auf Telefon und Fax aus. So gingen bei der Bundesnetzagentur im vergangenen Jahr Beschwerden über belästigende Anrufversuche (sog. Predictive Dialer; 31,5 %), Fax-Spam (28,5 %) und SMS-Spam (3,5 %) ein.