Ob am PC, Laptop, Tablet, Smartphone oder der Konsole - jeder zweite Deutsche spielt Computerspiele. Bei den unter 30-Jährigen sind es sogar 75 Prozent. Entsprechend groß ist der Bedarf an neuen Spielen. Ein wichtiger Trend der letzten Jahre: Games as a Service (GaaS), auch Service Games genannt.
Zocken ohne Haltbarkeitsdatum
Das Besondere an Service Games ist, dass sie nicht wie traditionelle Spiele im Laden gekauft, sondern im Internet gestreamt werden. Dabei müssen Gamer für den Zugang regelmäßig zahlen. Zum Beispiel, indem sie ein Abo erwerben oder wenn sie neue Charaktere oder Level freischalten wollen.

Bekannt wurde das Konzept durch World of Warcraft (WoW), ein Online Game, das 2004 in den USA auf den Markt kam und seitdem zu einem der erfolgreichsten Computerspiele wurde. Schätzungen zufolge hat es bisher weit über zehn Milliarden US-Dollar eingespielt. Der Grund für den enormen Umsatz: Anders als bei traditionellen Spielen, die man einmal durchspielt und dann nie wieder, werden Service Games wie WoW über Jahre oder gar Jahrzehnte gezockt. Ein sprudelnder Quell an Einnahmen, für den die Publisher vergleichsweise wenig Entwicklungsarbeit leisten müssen.
Spielautomaten statt packender Abenteuer
Heute hat jeder zweite Spieler mindestens ein Service Game abonniert. Ob Fifa, Final Fantasy, Fallout 76, Assassin's Creed, Street Fighter oder Fortnite - das Konzept deckt die unterschiedlichsten Genres ab. Auch im Markt für Mobile Games ist es mit Spielen wie Candy Crash, Pokémon Go oder Clash of Clans vertreten. Doch nicht alle Gaming Fans sind über diesen Siegeszug erfreut.

Der Grund: Viele der Spiele sind vollgestopft mit Downloadable Content (DLC) und In-App-Käufen (IAP). Damit gemeint sind Content-Freischaltungen, für die die Gamer kleinere Beträge bezahlen müssen. Mit ihnen lässt sich mittlerweile so gut wie alles kaufen: Skins, Waffen, Charaktere, Maps, Skillpunkte, Quests oder ganze Level. Kleinere DLCs, wie zum Beispiel ein Packet mit Waffen und Skins, kosten etwa fünf Euro, für ein neues Level sind häufig um die zehn Euro fällig. Ein Hersteller, der für den übermäßigen Einsatz von DLCs bekannt ist, ist der Branchenriese Electronic Arts. 2012 bekam er vom Consumer Report, der weltweit größten Verbraucherorganisation, für das ständig Abkassieren seiner Kunden den Titel „America‘s worst Company“ verliehen. Die Begründung: “Es sind nicht nur ein paar Leute, die sich über schlechte Spiele beschweren, diese Abstimmung repräsentiert eine große Gruppe von Verbrauchern, die es satthaben, ignoriert und ausgenutzt zu werden."

In der Diskussion gelten sogenannte Lootboxen als besonders umstritten. Das sind versteckte und mit Items befüllte Boxen, die von Spielern gefunden oder gekauft werden können. Der Clou: Was sich in einer Box befindet, erfährt man erst, wenn man sie öffnet. Viele Publisher setzen sie als Spannungsbogen und Story-Auffüller ein, bei Ghost Recon Breakpoint machen sie sogar einen Großteil der Handlung aus. Für Fans der Serie, die Wert auf eine packende Geschichte legen, ein absoluter Tiefpunkt. Zumal die Lootboxen nach dem gleichen Prinzip funktionieren wie Spielautomaten. "Die Verbindung aus Glücksspiel und Videospiel, vor allem im jungen Alter, ist gefährlich für die Psyche eines Kindes", beklagte jüngst der belgische Justizminister Koen Geens und kündigte Ermittlungen an. In China ist man schon einen Schritt weiter: Hier müssen Hersteller die Algorithmen hinter den Lootboxen seit Mai 2017 offenlegen und gegebenenfalls anpassen.
Fehlstart mit Testspielcharakter
Doch die übertriebene Kommerzialisierung der Service Games ist nicht das einzige Reizthema, über das sich die Szene beklagt. Ein weiterer Punkt ist die geringe Qualität, mit der viele Spiele veröffentlicht werden. So zum Beispiel Destiny, ein Ego-Shooter, der bei seinem Release eher an eine Beta-Testversion erinnerte als an ein fertiges Spiel. Und das trotz eines festen Verkaufspreises, plus monatliche Abo-Kosten und kostenpflichtige DLCs. Ein einmaliger Fehltritt?

Wohl kaum! Bei Destiny 2 wiederholte Publisher Bungie den Fehler noch einmal. Spiele wie Fallout 76 und Anthem haben nach großen Ankündigungen auf die gleiche Weise enttäuscht. Um die Defizite auszubessern, schoben die Publisher kleinere Verbesserungen nach oder boten den Gamern, wie bei Destiny 2, eine umfangreiche Erweiterung an, für die man jedoch erneut bezahlen musste. In der Community hagelte es Kritik: Unfertige Spiele, teure Abo- oder Verkaufspreise mit unnötigen DLCs und einfallslosen Storylines, die um glücksspielähnliche Loot-Systeme gebaut werden – der Bogen der Monetarisierung war überspannt.
Lektion gelernt?
Das Konzept geriet in Verruf, das Fachmagazin Gamestar sprach sogar von einer „Service Game Apokalypse“. Einige Publisher reagierten und warfen überbordende Mikrotransaktionen und Loot-Mechanismen aus ihren Spielen, wie Ubisoft bei Ghost Reacon Breakpoint oder Electronic Arts bei Star Wars: Battlefront 2. Oskar Gabrielson, General Manager bei Electronic Arts, entschuldigte sich sogar bei der Community: „Wir haben eure Beschwerden laut und deutlich gehört und deaktivieren deshalb sämtliche Käufe im Spiel. Zukünftig werden wir mehr Zeit in die Anpassung, das Balancing und die Optimierung des Spiels investieren.“ Auch bei den Neuerscheinungen gab es Verbesserungen. The Division 2 verzichtete auf kostenpflichtige DLCs und überzeugte bereits bei seinem Release mit einem ausgereiften Gameplay. Andere Spiele setzen auf Free-To-Play-Modelle, bei denen zu Beginn eine gratis Version angeboten wird, die später um optionalen Bezahl-Content erweitert werden kann.

Doch unabhängig davon, welchen Weg die Publisher einschlagen, ist eine Rehabilitierung der Service Games innerhalb der Community für sie sehr wichtig. Denn Trends wie das Cloud Gaming oder die neue Konsolengeneration um die Playstation 5 setzen künftig noch stärker auf das Streamen von Videospielen. Service Games könnten dann ähnlich wie bei Netflix in einer umfangreichen Spielebibliothek angeboten werden, für die man einmal im Monat bezahlt. Ob es dann noch Lootboxen geben wird, ist fraglich.