Mit Anfang 20 habe ich eine klassische Ausbildung im kaufmännischen Sektor gemacht – und während dieser Zeit kam eines Tages mein Chef zu mir und sagte: „Sabrina, wir wollen mit unserer Firma ganz nach oben in die Google-Suchergebnisse kommen. Find mal raus, wie das geht.“
Ich hatte damals keine Ahnung davon, wie man sich bei Google-Suchen weiter nach vorne bringen kann, aber ich habe recherchiert, wie man die eigene Position in Suchmaschinen verbessert. Was ich bei meinen Recherchen über Search Engine Optimization (SEO) gefunden habe, klang sehr interessant und ich las mich immer mehr ein.
Großes Interesse an SEO
Es ging um Keyword-Dichte, Meta-Tags, Duplicate Content oder Search Engine Result Pages (SERPs) – ich fand enorm spannend, was da möglich war. Deswegen habe ich mich immer tiefer in das Thema SEO eingelesen, habe mir viel autodidaktisch beigebracht. Zudem war ich in Kontakt mit vielen bekannten SEO-Experten, die ich ausgefragt habe.

Einer von ihnen hat gemerkt, wie groß mein Interesse wirklich ist, und mir angeboten, bei ihm meine Ausbildung weiterzumachen und mich auf Konferenzen weiterzubilden. Ich habe das Angebot sofort angenommen. Ich habe bei ihm vieles gelernt – insbesondere die Gespräche mit SEO-Fachkräften auf den Konferenzen brachten mich in meiner Entwicklung voran.
Eine Frau fällt auf in der Branche
Allerdings habe ich schnell gespürt, was für eine Wahrnehmung bei vielen der männlichen SEO-Kollegen über mich herrschte: Ach, die Sabrina, dieses kleine Mäuschen, ist ja niedlich, aber so richtig ernst nehmen können wir sie noch nicht. Ich habe das weggelächelt, was hätte ich auch machen sollen? Ich war ja noch am Anfang meiner Karriere.
Außerdem war ich ziemlich allein auf weiter Flur: Fast alle Menschen um mich herum waren Männer, nur zwei oder drei Frauen waren darunter. Und ich gebe auch zu: Ich habe die Mäuschen-Karte ab und zu selber gespielt. Um nachzufragen, um in Kontakt zu kommen mit den Experten der Branche. Da ich eine Frau war, fiel ich auf und blieb in den Köpfen, was mir einige Türen öffnete.
„Wenn ich Titten hätte, wäre ich ganz oben“
Relativ früh durfte ich auf meine erste große Konferenz. Ich hatte mich sehr darauf gefreut, denn es gab mehrere anerkannte SEO-Experten, die auf der Konferenzsprechen sollten und ich wollte sie unbedingt treffen. Dann kam ich wirklich mit einem von ihnen ins Gespräch, einem Großen der Branche.

Er fragte mich: „Wie lange machst du schon SEO?“, ich antwortete: „drei Monate“. Und er schaute mich von oben bis unten an, lachte und sagte dann: „Drei Monate? Wenn ich Titten hätte, wäre ich nach dieser Zeit schon ganz oben.“ Ich war völlig perplex, habe ihn nur angestarrt und nichts gesagt. Sein Kollege und er amüsierten sich über den Witz köstlich.
Danach habe ich immer wieder fast beiläufig solche oder ähnliche Sprüche abbekommen. Das ging von „Zeigst du mir mal die Mädchentoilette?“ bis zu „Ist Deine rechte Bettseite noch für mich frei?“. Ich habe mich unwohl damit gefühlt, mich meistens mit Humor aus der Situation gerettet. Bloß niemandem auf die Füße treten, das war mein Motto.
Ähnliche Erfahrungen von anderen Frauen
Irgendwann war es dann soweit: Ich hatte die Möglichkeit, einen eigenen Vortrag zu halten. Da ich fachlich noch nicht fit war, entschied ich mich dazu, das Thema Sexismus in der Branche anzusprechen. Vielleicht würde ich Verbündete finden und den Männern ein wenig den Spiegel vorhalten können?
Ich sprach also darüber, was ich als Frau in der Branche erlebt hatte, welche Sprüche mir regelmäßig um die Ohren flogen. Im Publikum saßen: zwei Frauen, ansonsten nur Männer. Zufälligerweise war auch derjenige anwesend, der den „Titten“-Spruch gebracht hatte. Aber er – genau wie alle anderen Männer – war überzeugt, dass „wir Männer gar nicht so sind“. An seinen eigenen Spruch konnte er sich nicht mehr erinnern.
Nur die zwei Frauen aus dem Publikum kamen danach zu mir und meinten, sie hätten sich gefreut, dass ich das alles angesprochen habe: Sie bekämen solche Sprüche ebenfalls zu hören, außerdem hätten sie oft andere, teils unwichtigere Aufgaben als ihre Kollegen, bei Gehaltserhöhungen würden sie oft übergangen.
Frauenanteil in der SEO-Branche wächst
Dieser Vortrag liegt nun schon acht Jahre zurück – und in dieser Zeit hat sich glücklicherweise viel verändert. Zugunsten der Frauen. Das liegt vielleicht auch daran, dass Texte wichtiger geworden sind für die SEO-Branche. Und die schreiben meistens Frauen. Daher ist die Anzahl der Frauen enorm gestiegen, aktuell ist das Verhältnis etwa 50 zu 50. Aber auch im technischen SEO wird es mehr.

Zum anderen liegt es sicherlich auch an der gesellschaftlichen Wahrnehmung: Es gibt ein viel größeres Verständnis dafür, dass Sexismus existiert und wie er sich äußert. Ich finde das sehr gut, dass sich das Ganze so verschoben hat. Allerdings gibt es trotzdem immer noch mehrere Baustellen in der SEO-Branche.
Noch viel zu verbessern
Zu den großen Konferenzen werden beispielsweise immer noch meistens Männer als Sprecher eingeladen. Die Männer sind einfach ein stärkerer Publikumsmagnet, sie sind bekannt und teilweise sehr gute Entertainer. Zudem sind Frauen, die sprechen wollen, schwer zu finden. Kein Wunder, ich habe mal ein Webinar gehalten und wurde angekündigt mit den Worten:
„Es ist so schwer, eine Frau als Sprecherin zu finden. Sabrina war die einzige, die zugesagt hat.“ Das war kein sehr gutes Gefühl, ich habe mich sofort als Quotenfrau gefühlt. Und es wurde noch schlimmer: In der Abmoderation kam dann der Spruch „Und jetzt muten wir Sabrina mal, das geht ja leider nicht im echten Leben, aber bei uns schon.“ So etwas ärgert mich natürlich sehr, auch wenn es nur ein Scherz sein sollte.
Frauen fehlen bei Konferenzen und Kneipenbesuchen
Dann gibt es da noch das Problem, dass die Frauen oftmals benachteiligt sind, weil sie einfach nicht so feiern wie die Männer. Sie trinken meist weniger und müssen oft nach der Konferenz nach Hause, um sich um Kind und Haushalt zu kümmern – was ein wirkliches berufliches Problem sein kann.

Denn: In der SEO-Branche läuft - wie in anderen Branchen vermutlich auch – sehr viel über Networking nach den eigentlichen Events. Da sitzt man dann zusammen und redet. Und natürlich werden dort auch Kontakte geknüpft, gemeinsame Geschichten erzählt und Jobs vergeben. Frauen sind aber oftmals nicht mehr mit dabei.
Trotz allem: Tendenz positiv
Trotz dieser Baustellen bin ich aber insgesamt mit der Tendenz und der aktuellen Entwicklung zufrieden. Es gibt immer mehr Möglichkeiten für Frauen, oft müssen sie sich nur trauen und das Empowerment innerhalb der Branche und zwischen den Frauen funktioniert – eine großartige Community!
Ich würde mir wünschen, dass die Männer uns da häufiger Mut machen würden und zum Beispiel beim Thema Kinderbetreuung unterstützen, um uns den Rücken für unsere berufliche Entwicklung freizuhalten. Aber wir sind definitiv auf einem sehr guten Weg!