Wie bist du auf die Idee gekommen, als Finfluencerin zu arbeiten?
Ich komme aus der Kommunikations- und Medienbranche, hatte mit Finanzen nie was am Hut. Mit Ende 20 habe ich mich dann informiert, was ich tun kann. Und war frustriert. Alle Infos zu Aktien und ETFs waren sehr männerzentriert – mit Websites, auf denen nur Männer in Anzügen abgebildet waren. Ich fühlte mich überhaupt nicht angesprochen. Auf Seminaren und Messen war ich oft die einzige Frau. Ich hatte den Eindruck, die Männer dachten, ich bringe ihnen jetzt den Kaffee. Dort fielen dann Sprüche wie: Erzählen Sie das nicht Ihrer Frau, die wird dann nervös, dass Sie Geld investieren. Ich habe mich 60 Jahre zurückversetzt gefühlt. Und dachte: Das kann doch nicht sein!

Und das wolltest du ändern …
Ich kann sehr gut verstehen, dass viele Frauen Berührungsängste haben, in diese ganz eigene Finanzwelt vorzudringen. Das merke ich auch in meinem Umfeld. Sie haben Angst vor dem Thema – oder kein Interesse daran. Als ich mich damals mit Finanzen auseinandergesetzt habe, habe ich gemerkt: Das ist alles gar nicht so kompliziert. Das wird einem nur oft als eine Art Geheimwissen verkauft. Nachdem ich vier, fünf Jahre erfolgreich investiert hatte, wollte ich andere Frauen davon überzeugen, ebenfalls den Schritt zu wagen. Dann habe ich meinen Bloggestartet: als Idee, über meine persönlichen Erfahrungen zu berichten.
Warst du dir damals sicher, dass dein Blog Erfolg haben würde?
Nein, überhaupt nicht. Ein halbes Jahr habe ich die Idee mit mir herumgetragen. In den ersten Artikeln wollte ich das Thema lifestylig aufgreifen, um die Frauen anzusprechen, die das Thema meiden. Die sagen: Das ist mir zu trocken, da habe ich keine Lust drauf – so wie ich auch immer gedacht habe. Das waren dann Themen wie: So kann man im Alltag Geld sparen. Im Grunde war es ein Test. Ich habe mir ein Jahr Zeit gegeben, um zu schauen: Funktioniert das überhaupt? Der erste Erfolgsmoment kam dann nach etwa einem halben Jahr, als der Piper-Verlag auf mich zukam, ob ich zu dem Thema ein Buch schreiben will. Da war für mich klar: Ich mach auf jeden Fall weiter.

Und wann startete Fortunalista auf Instagram so richtig durch?
Die ersten drei Monate ist nicht viel passiert. Wenn es hochkam, hatte ich 100 Leserinnen im Monat. Aber ich habe weiter gemacht, weil es mir Spaß gemacht hat, Finanzen einfach zu erklären. Als dann das Buch im November 2019 herausgekommen ist, wuchs die Aufmerksamkeit, die seitdem weiter steigt. Mittlerweile haben wir fast 29.000 Follower*innen. Man sieht: Durch Corona und Neobroker*innen gab es 2020 so viele Aktionär*innen an der Börse wie zuletzt vor 20 Jahren. Das hat sich auch bei mir bemerkbar gemacht, als immer mehr Presseanfragen reinkamen. Und es ist genau das passiert, was ich mir gewünscht habe: dass Finanzthemen sich auch in Lifestylemedien wiederfinden.
Was machen Frauen anders als Männer, wenn es um Finanzen geht?
Studien zeigen: Frauen sind zaghafter beim Thema Finanzen, vielen fehlt das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Sie informieren sich oft sehr lange, wagen dann aber den Schritt nicht anzufangen. Männer sind eher auf der Suche nach Aktientipps. Frauen wollen die Aktien verstehen. Sie traden weniger hin und her, investieren eher in ETFs und Aktienfonds, wo sie im Schnitt sogar die bessere Rendite erzielen. Für meine Arbeit bedeutet das: Es geht nicht darum, das Thema Finanzen anders zu erzählen. Es geht darum, zu motivieren. Und es gibt auch spezielle Themen, beispielsweise wie sich Teilzeitarbeit auf die Rente auswirkt.

Wie sieht dein typischer Arbeitstag aus?
Morgens stimmen wir uns im Team ab. Aktuell sind wir zu sechst. Dann stehen Meetings an: drei bis fünf Interviews pro Woche mit Medien, zum Beispiel für Podcasts, TV-Beiträge oder Artikel. Unsere eigenen Posts managen wir mithilfe eines Redaktionsplans. Eine Mitarbeiterin bereitet die täglichen Postings vor, dann schreibt eine von uns den Text, schaut, ob es Kooperationen zu dem Thema gibt, für die wir Texte, Videos oder Interviews umsetzen. Unsere letzte Kooperation war zum Beispiel für das Wissenschaftsjahr mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung. Alles wird vorproduziert und eingeplant. Dazu kommen dann noch meine Beiträge als Finanz-Kolumnistin bei Business Insider, außerdem die Texte für unseren Newsletter, Vorträge, Workshops und unsere Bootcamps. Da bleibt nicht viel Zeit übrig (lacht).
Die ganze Arbeit lohnt sich – wann hast du das zuletzt gedacht?
Gestern Abend. Wir hatten eine Session beim Bootcamp, das nach sechs Wochen zu Ende ging. Da habe ich einmal mehr gesehen, was die Teilnehmerinnen für eine Transformation durchlebt haben. Das ist für mich oft emotional, wenn ich feststelle, wie Berührungsängste überwunden wurden und die Frauen viel selbstsicherer sind. Sehr präsent ist mir auch die Teilnehmerin, die beruflich Demenzkranke betreut. Nach dem Kurs hat sie einen ETF-Sparplan für ihre studierende Tochter aufgesetzt und mit dem Investieren begonnen. Sie selbst hätte nie gedacht, dass sie das schafft. Das sind dann besondere Momente, die in Erinnerung bleiben.

Also nimmst du als Finfluencerin tatsächlich Einfluss. Kann man das auf alle Finfluencer*innen übertragen?
Das kann man nicht pauschal sagen. Jede Community ist anders. Unsere ist sehr kritisch und aufgeweckt. Wichtig ist, dass man um seine Verantwortung weiß – und sich anschaut, was hinter den Kooperationsangeboten steckt. Ich prüfe das immer sehr genau. Nur wenn ich zu 100 Prozent überzeugt bin, dass ich dort mein Geld anlegen würde, kommt das Angebot auch auf die Plattform. Ich glaube: Viele suchen nach dem schnellen Tipp und haben keine Lust, sich einzuarbeiten. Sie wollen snackable Content: leicht verdauliche Inhalte, die inspirieren, motivieren, zum Nachdenken anregen. Am Ende des Tages geht es um Geld. Dieser Verantwortung sollte man sich immer bewusst sein, wenn man seiner Community etwas empfiehlt.
Vielen Dank für das spannende Gespräch!