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Diversität: Vielfältig erfolgreich!

Geld regiert die Welt und Männer die Finanzbranche: Dabei sind Unternehmen erfolgreicher, kreativer und innovativer, wenn sie divers aufgestellt sind.
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© Photo by RODNAE Productions on Pexels
24.11.2021

Diversität ist zum Topthema für Unternehmen geworden, doch die Finanzbranche hat immer noch Nachholbedarf: Denn der Frauenanteil in den Vorständen liegt erst bei zehn Prozent. Dabei haben Studien längst bewiesen, dass diverse Teams innovativer, kreativer und langfristig erfolgreicher sind. Ein Plädoyer für mehr Diversität in Banken.

Frauen in Unternehmensvorständen machen die Gremien „farbiger“ und „schöner“, sagte der damalige Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, auf der Bilanzpressekonferenz im Jahr 2011. Ein empörter Aufschrei ging anschließend durch die Reihen: „Wenn Herr Ackermann mehr Farbe im Vorstand will, soll er sich Bilder an die Wand hängen“, erwiderte etwa Silvana Koch-Mehrin von der FDP. Und die zum Zeitpunkt amtierende Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) empfahl: „Wer es farbiger und schöner mag, soll auf eine Blumenwiese gehen oder ins Museum.“ Zwar haben die Politikerinnen damals deutliche Worte gefunden, doch was ist seither passiert? Hat sich die Situation in den vergangenen zehn Jahren verbessert?

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Seit Mai 2015 gilt das Gesetz für eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen, das Unternehmen der Privatwirtschaft vorschreibt, bei Neubesetzungen im Aufsichtsrat eine Frauenquote von 30 Prozent zu erreichen. Im November 2020 lag die Quote bei 35,2 Prozent. Im Vorstand sind Frauen jedoch nach wie vor unterrepräsentiert. Zwar sind größere Unternehmen, die börsennotiert oder mitbestimmungspflichtig sind, seit 2016 dazu verpflichtet, sogenannte Zielgrößen zur Erhöhung des Frauenanteils in Leitungspositionen festzulegen. Doch drei Viertel dieser Unternehmen haben sich auf Vorstandsebene entweder keine Zielgröße oder aber eine Null als Zielgröße gesetzt – Frauen sind also gar nicht erst für Vorstandsposten eingeplant. Mit dem reformierten Gesetz zur Frauenquote, das im August 2021 in Kraft getreten ist, will die Bundesregierung diesen Umstand nun ändern.

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Gleichstellung? Fehlanzeige!

Derzeit beträgt der Frauenanteil in den Vorständen der 100 größten deutschen Unternehmen nur 13,7 Prozent. Im Bankensektor liegt die Quote mit 10,5 Prozent sogar noch darunter. Der Blick über die Landesgrenzen hinaus zeigt, dass auch in anderen europäischen Staaten Frauen in Führungspositionen eine Seltenheit sind: Laut Europäischer Bankenaufsichtsbehörde (European Banking Authority – EBA) sind nur 8 Prozent der CEOs europäischer Kredit- und Investmentinstitute weiblich und in den Führungsetagen der größten europäischen Banken machen Frauen nur rund ein Fünftel aus. Erschwerend kommt hinzu, dass Frauen in Führungspositionen schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat daher beschlossen, die Geschlechtervielfalt in Leitungsorganen von Banken künftig verstärkt zu fördern. Sie prüft fortan, ob Banken interne Diversitätsziele festgelegt haben und ob sie diese erreichen. Gibt es Aufholbedarf oder kommen Banken ihren Diversitätsstrategien nicht nach, werden sie von der EZB nicht nur explizit auf ihre Mängel im Bereich der Geschlechtervielfalt hingewiesen – sie könnten sogar dazu verpflichtet werden, die regulatorischen Bestimmungen einzuhalten.

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Diversität bringt‘s

Politik und Währungsbehörde sorgen nun dafür, dass die Finanzbranche diverser wird. Denn sie wissen um die positiven Effekte, die breit aufgestellte (Führungs-)Teams mit sich bringen: Studien zeigen seit langem, dass Unternehmen mit gemischten Teams innovativer und kreativer arbeiten. So ergab zum Beispiel die Studie „Diversity Wins – How Inclusion Matters“ von McKinsey, dass Unternehmen mit hoher Gender-Diversität eine um 25 Prozent und damit signifikant größere Wahrscheinlichkeit haben, überdurchschnittlich profitabel zu sein. Darüber hinaus erzielen sie bessere Ergebnisse und sind langfristig erfolgreicher. Gerade im Bankenumfeld sorgt Diversität nicht nur für eine effektive Governance, sondern auch für Meinungsfreiheit und ein kritisches Hinterfragen von Entscheidungsprozessen. Je diverser ein Gremium aufgestellt ist, desto breiter ist auch das Spektrum an Wissen, Erfahrungen und Werten. Banken und Unternehmen können von so einer Vielfalt nur profitieren. Zum Beispiel, weil Führungskräfte vor diesem Hintergrund besser auf die Anliegen ihrer Mitarbeitenden und Kund*innen eingehen können, die ja selbst ein Querschnitt durch die – diverse – Gesellschaft sind. Die EBA geht sogar davon aus, dass diversifizierte Führungsriegen profitabler sind als homogene Leitungsgremien.

Je ausgeprägter die Vielfalt im Führungsgremium einer Bank ist, desto offener, ausgewogener und stabiler sind ihre Entscheidungs-prozesse und desto effizienter, widerstandsfähiger und profitabler wird die Bank wahrscheinlich sein.

European Banking Authority (EBA)

Und doch trifft man in Bereichen wie Portfoliomanagement, Buchhaltung sowie Recht und Compliance kaum Frauen an – und es werden sogar immer weniger, denn der Anteil an Bewerberinnen auf Posten in diesen Abteilungen sinkt. „Dies hat mit dem schlechten Image der Finanzbranche, dem männerdominierten Umfeld und der Ellenbogenmentalität zu tun“, erklärt Alexandra Niessen-Ruenzi, Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Corporate Governance an der Universität Mannheim. Aber auch unflexible Arbeitszeiten, das immer noch vorherrschende klassische Rollenbild von Mann und Frau sowie die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf machen die Branche für Frauen unattraktiv.

Mehr Chancen für alle

Dabei hört Diversität nicht bei der Gleichstellung von Frauen auf, sondern umfasst alle Geschlechter und sämtliche Merkmale, die Menschen gemeinsam haben oder sie voneinander unterscheidet – wie zum Beispiel Religion, Hautfarbe, Alter, Familienstand oder körperliche Einschränkungen. Ein Schritt in Richtung Chancengleichheit ist etwa, dass Jobanzeigen hierzulande seit Januar 2019 genderneutral formuliert werden müssen. Unternehmen haben Diversität also längst auf der Agenda, viele haben mittlerweile eigene Diversitäts- bzw. Gleichstellungsbeauftrage benannt.

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Mitunter wirken Bestrebungen in diese Richtung aber immer noch wie ein Marketing-Gag – ein Beispiel: Während des „Pride Month“ im Juni tauchten viele Unternehmen ihr Logo auf Social Media in Regenbogenfarben und bekundeten so ihre Solidarität mit homo- und bisexuellen Menschen, queeren und Transgender-Personen, die Gleichberechtigung und Akzeptanz für sich fordern. Wer sich mit der Regenbogenflagge schmückt, steht auch für diese Werte und fördert eine diverse Firmenkultur – so die Annahme. Doch manchmal ist es doch nur ein Lippenbekenntnis: BMW, Lenovo und PC-Spielehersteller Bethesda änderten zwar ihre Logos für bestimmte Regionen, jedoch nicht in LGBTQ-kritischen Ländern wie Saudi-Arabien oder Russland.

Diverse Teams sind besser

Es gibt aber auch ernsthafte Bemühungen, für mehr Vielfalt im eigenen Unternehmen zu sorgen. So will zum Beispiel die Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) mehr Angestellte aus der LGBTQ+-Community beschäftigen. Bis 2025 sollen mindestens fünf Prozent der Beschäftigten in Deutschland und Österreich Personen sein, die keine klassische heterosexuelle Orientierung haben. Die Quote ist einerseits ein Signal nach innen und außen, soll andererseits aber auch zum Erfolg des Unternehmens beitragen: „Wir glauben, dass diverse Teams besser sind. Aber wir sehen auch, dass wir im Unternehmen noch nicht die Gesellschaft in der Form repräsentieren, so wie wir es eigentlich gern machen würden“, sagt Felix Baerstecher, BCG-Personaldirektor und Leiter des LGBTQ+-Netzwerks in Deutschland und Österreich.

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Das firmeneigene Netzwerk „Pride@BCG“ existiert schon länger und bietet Mitarbeitenden, die lesbisch, schwul, bi- oder transsexuell sind oder eine andere Geschlechtsidentität haben, die Möglichkeit zum Austausch. Auch andere Unternehmen wie SAP oder Beiersdorf haben solche Netzwerke etabliert. Der Nivea-Konzern hat zum Beispiel im August ein „Pride Festival“ mit Drag-Queen Olivia Jones und Imam Ludovic-Mohamed Zahed veranstaltet. „Bei Beiersdorf sind uns eine offene Gesellschaft und ein integratives Arbeitsumfeld wichtig. […] Unser Ziel ist es, das Bewusstsein zu schärfen und Toleranz zu fördern – innerhalb des Unternehmens ebenso wie darüber hinaus“, sagt Misel Ahom, Global Director Diversity & Inclusion.

Diversität ist für uns eine Einstellung und wir wollen gemeinsam ein besseres Miteinander schaffen.

Hannah Melchers, Kommunikationsmanagerin bei Atruvia

Auch bei Atruvia steht Diversität oben auf der Agenda: „Die Grundsätze von Vielfalt sind durch unsere genossenschaftliche Unternehmensherkunft tief verwurzelt. Um erfolgreich zu sein, braucht es die Gemeinschaft und wiederum jede und jeden Einzelne*n“, sagt Hannah Melchers, die als Referentin Corporate Communications auch für Diversity bei Atruvia verantwortlich ist. Menschen unterscheiden sich durch sichtbare Merkmale wie Alter oder Hautfarbe, aber auch durch unsichtbare Aspekte wie chronische Krankheiten oder Religion. „Diese Merkmale machen uns einzigartig, vielfältig und interessant. Diversität bedeutet daher, diese Unterschiede, Gemeinsamkeiten und das Anderssein anzuerkennen. Bei Atruvia wollen wir ein Klima und eine Kultur der Offenheit und des Respekts schaffen – und die Unterschiede nicht als Einschränkung, sondern als Chancen wahrnehmen“, so Hannah Melchers. Denn je vielfältiger Unternehmen personell aufgestellt sind, umso erfolgreicher können sie arbeiten und umso stärker ist ihre Wirtschaftskraft. Wer Diversität in der Firmenkultur verankert, wird produktiver und innovativer, hat ein besseres Image und mehr Erfolg dabei, Talente zu akquirieren. Das hat übrigens auch die Deutsche Bank erkannt und plant deshalb, bis 2025 mindestens ein Drittel ihrer Führungspositionen mit Frauen zu besetzen.

24.11.2021