Ulrich, die Bank ist eine traditionelle Institution, in der lange und sehr vertrauensvolle Kundenbeziehungen entstanden sind. Jetzt kommst du und bist der Meinung, Banking müsse datengetriebener werden. Wie passt das zusammen?
Wenn man mal genau hinschaut, dann sind Daten doch schon immer fest im Kern des Geschäftsmodells einer Bank verankert gewesen. Ein guter Bankberater, eine gute Bankberaterin kannte früher einen Großteil der Kundschaft persönlich und konnte zusätzlich mit einem kurzen Blick auf das Konto eine Menge wichtiger Hinweise für das Beratungsgespräch ableiten. Diese Mischung aus persönlicher Nähe und Verständnis für die finanzielle Situation macht doch irgendwie eine gesunde Hausbank-Beziehung aus.

Aber geht die persönliche Nähe nicht gerade durch die Digitalisierung kaputt?
Zu glauben, wir müssten Kund*innen jetzt dazu anhalten, sich mit Maschinen zu unterhalten und dabei hoffen, dass diese den Bedarf der Kundschaft erkennen – das wäre fatal. Viel mehr sind Daten der Weg zurück in die Zukunft des Bankings. Die große Herausforderung lautet, Kundennähe ‚von früher‘ neu zu interpretieren und dabei eine echte Anbindung an den Alltag der Kundschaft herzustellen. Das hat sehr viel mit intelligenter Datennutzung zu tun, braucht aber auch eine ganze Menge anderer Teildisziplinen, sowohl bankfachliche als auch aus der digitalen Welt.
Die Vorbildfunktion des E-Commerce
Welche Teildisziplinen zum Beispiel?
Ich bin der festen Überzeugung, dass es Banken helfen würde, noch mehr Werkzeuge aus dem Werkzeugkasten des E-Commerce zu verwenden. Dort hat sich in den letzten Jahren ein sehr selbstverständlicher Umgang mit Technologie und Daten entwickelt. Daten sind dort schon längst der Schlüssel zum Vertriebserfolg: Gute Online-Shops analysieren das Verhalten der Kund*innen umfassend und setzen die Erkenntnisse für die laufende Fortgestaltung der Customer Journey ein. Ein iterativer Prozess, der auf permanentes Lernen ausgelegt ist.

Was sollten Banken denn genau über das Verhalten ihrer Kundschaft wissen?
Neben dem Kundenverständnis müssen Banken zum Beispiel verstehen, wie Kanäle sinnvoll orchestriert werden und in welchem Kontext Kundinnen und Kunden gerade in diesen Kanälen unterwegs sind. Die entscheide Frage ist also: Wo erwische ich meine Kundschaft? Um das herauszufinden, müssen Banken auch außerhalb der eigenen Kanäle auf die Suche gehen und schauen, wo Kund*innen sich bewegen, welche Interessen sie kundtun und welche Themen sie derzeit bewegen.
Aber wissen Banken nicht schon sehr viel über ihre Kundschaft? Immerhin kennen sie mindestens zum Teil die Finanzen, damit oft auch deren Lebenssituation.
Das stimmt schon. Banken haben auch einen guten Schritt gemacht in die Richtung, intelligenter mit ihrer Kundschaft umzugehen. Umso größer sind die Chancen, die sich ergeben, wenn diese Intelligenz sich noch stärker mit der Power des E-Commerce verbindet.

Wo der Datenschatz vergraben liegt
Wie sieht der nächste Schritt aus?
Zunächst einmal muss es darum gehen, im digitalen Kanal in Interaktion zu kommen. Kundinnen und Kunden wird oft relativ schlicht ein konkretes Produkt angeboten. Das zielt trotz aller Daten-Intelligenz nicht selten am jeweils vorhandenen Bedarf vorbei. Daher ist es wichtig, über den gesamten Kundenlebenszyklus hinweg immer neue Anlässe für digitalen Austausch zu schaffen. Das können sehr unterschiedliche Impulse, Informationen oder digitale Services sein. Jeder einzelne davon – wenn er gut gemacht ist – trägt zu einer Vertiefung der Kundenbeziehung bei und vervollständigt die Kenntnis der Kundschaft. Mit einem solchen Grundverständnis wird es irgendwann ganz einfach, im passenden Moment auch das bedarfsgerechte Angebot für konkrete Produkte und Lösungen zu bieten.
Das würde bedeuten, dass Banken innerhalb dieser digitalen Interaktion jeden Datenpunkt erfassen müssen. Einfach gefragt: Wie kommen Banken an Daten?
Der Treibstoff für neue Kundenerlebnisse steckt bereits im Banking drin – und zwar in Form der Informationen, die Kundinnen und Kunden hier hinterlassen. Denkst du an den vorhin erwähnten Blick aufs Konto. Sehr viele Information sind bereits in den laufenden Transaktionsdaten vorhanden. Im Alltagsbanking, das immer mehr auch über die Banking-Apps läuft, steckt ein Datenschatz, der über vieles hinausgeht, was Banken heute verwenden. Und wer über lange Zeitreihen mit großen Kohorten und einer guten KI tief in die transaktionale Welt eintaucht, erhält einen sehr reichen Schatz an Impulsen, an Gesprächsanlässen, an Bedarfsvermutungen, der für die neue, kundenbezogene Interaktion sehr wertvoll ist.

Datenschutz – versprochen ist versprochen
Was bedeutet wertvoll? Wie können Banken diese Daten sinnvoll einsetzen?
Die Daten, angereichert mit den Informationen aus den erwähnten Interaktionen, helfen ihnen beispielsweise, Bedarfe zu erkennen, von denen Kundinnen und Kunden selbst noch gar nichts wissen. Eine neue Versicherung, ein neues Anlageprodukt, ein neuer Sparvertrag. Kommt die Bank mit diesen Angeboten auf die Kundschaft zu, ist die Chance auf Abschluss hoch. Neben dem Abschluss ist aber auch die Kündigung ein Thema. Kündigungswahrscheinlichkeiten zu erkennen ist gar nicht so einfach, denn häufig gehen der tatsächlichen Handlung verschiedene Ereignisse voraus.
Transaktionsdaten sind aber nicht nur hilfreich, sondern auch hochsensibel. Was sagst du Kund*innen, die sich um den Schutz dieser Daten sorgen?
Wir haben ein Datenversprechen erarbeitet, das unserer Kundschaft klarmacht: Es geht hier nicht um Datenverkauf. Daran denken schnell viele, wenn sie von datengetriebenen Vertriebs- und Marketingmechaniken hören. Stattdessen wollen wir mithilfe von Daten das Bankingerlebnis verbessern. Dafür gibt es einen besonderen Hebel – und der heißt Datenschutzgrundverordnung. Sie schreibt die anlassbezogene Nutzung von Daten vor. Das heißt für uns: Wir müssen richtig gute Anlässe kreieren, von denen die Kundschaft spürt, dass sie wichtig sind, ihr weiterhelfen und es deshalb sinnvoll ist, uns durch ihr Opt-in die Erlaubnis zu geben.
Du findest das Thema spannend und aufregend, was Ulrich erzählt? Dann triff ihn am 30. Juni und 1. Juli auf fintropolis, wo es unter anderem auch um Daten im Banking gehen wird.