Nach Italien reisen, dort am Automaten mit der EC-Karte Geld abheben oder entspannt in der Pizzeria mit der Girocard bezahlen: Für viele Bankkund*innen ganz normal. Wo man früher noch Schecks ausstellen musste, zücken wir heute einfach die Karte. Dabei ist es nicht selbstverständlich, seine EC-Karte außerhalb von Deutschland einzusetzen: Für diese Möglichkeit sorgen seit rund 30 Jahren ein roter und ein blauer Punkt auf der Girocard – die sogenannte Maestro-Funktion, betrieben vom US-Kreditkartenunternehmen Mastercard. Dieses historisch gewachsene sogenannte Debit-Zahlungssystem ist in Deutschland extrem beliebt und erfolgreich. Damit deutsche Geldinstitute Zahlungen mit der Girocard auch im europäischen Ausland abwickeln können, sind sie also auf die Kooperation von Kreditkartenunternehmen wie Mastercard und Visa angewiesen. Neben Maestro gibt es mit V-Pay ein Pendant von Visa.
Girocard, Kreditkarte, Debitcard: Was ist der Unterschied?
Die Girocard, auch EC-Karte genannt, ist Teil eines rein deutschen Systems: Inhaber*innen können damit in Geschäften bezahlen oder Geld abheben, der Betrag wird direkt vom Konto abgebucht. Auch im europäischen Ausland ist die Karte bislang dank Maestro und V-Pay einsetzbar. Es kann also nur so viel Geld ausgegeben werden, wie auf dem Konto vorhanden ist. Der übergeordnete Sammelbegriff für diese Zahlungskarte ist die Debitkarte, zu der auch das Maestro-System gehört.
Bei Debitkarten außerhalb von Maestro oder V-Pay wird das Geld ebenfalls direkt vom auf dem Konto vorhandenen Guthaben abgebucht. Im Gegensatz zur Girocard werden die Karten allerdings bisher noch nicht an allen Kassenterminals im Inland akzeptiert.
Kreditkarten sind nicht von der Kontodeckung abhängig. Demnach ist es mit der Karte möglich, Schulden zu machen, also Kredit aufzunehmen und diesen dann abzubezahlen. Der Betrag wird dabei in der Regel ein Mal im Monat vom Konto abgebucht. Sollte das Konto dadurch überzogen werden, fallen in der Regel hohe Zinsen an.
Dieses System ist in Deutschland seit Jahrzehnten etabliert. Entsprechend verwundert rieben sich deshalb nun viele die Augen, als Mastercard kürzlich die Bombe platzen ließ: Ab dem 1. Juli 2023 dürfen Banken laut dem US-Unternehmen keine Maestro-fähigen Karten mehr ausgeben. Geldinstitute sind demnach spätestens ab diesem Zeitpunkt gezwungen, ihren Kund*innen Alternativen zu Maestro anzubieten. Das ist beileibe keine Kleinigkeit: Rund 100 Millionen Karten in Deutschland sind mit Maestro ausgestattet, europaweit sind nach Angaben von Mastercard rund 400 Millionen Karten im Umlauf. Nur mit dem Symbol ist es wie beschrieben möglich, deutsche Girokarten im Ausland einzusetzen. Diese wären im Inland zwar weiterhin nutzbar wie bisher, allerdings wären sie einer wichtigen Funktion beraubt. Daher ist fraglich, ob sie in unserer globalisierten Welt dann überhaupt noch eine Zukunft haben.

Warum Maestro tot ist
Doch warum muss Maestro überhaupt sterben, obwohl sich das System doch über Jahrzehnte bewährt hat? In der heutigen Zeit, wo das Wachstum im Onlinehandel das im Einzelhandel weit übertreffe, sei es nötig, die Maestro-Karte zu erneuern, schreibt Managerin Valerie Nowak in einem Blogeintrag auf der Homepage von Mastercard. Denn „nachdem sie ursprünglich für eine physische Welt geschaffen wurde“, müsse die Karte an den digitalen Lebensstil angepasst werden. Im E-Commerce könne Maestro beispielsweise nicht eingesetzt werden. Als „riesigen Hammer“ wertet Jürgen Moormann, Professor für Bank- und Prozessmanagement an der Frankfurt School of Finance & Management, diesen Schritt auf „tagesschau.de“.
Dass einzig und allein der E-Commerce und die digitale Welt die Entscheidung begründen, wagen Expert*innen wie er zu bezweifeln: Schon seit längerem versuchen die US-Schemes Visa und Mastercard die Debitkarten zu pushen, die sie selbst herausgeben: Diese sind nicht an das Girocard-System, sondern an die jeweils eigenen Debit-Systeme der beiden US-Konzerne angeschlossen. Besonders in den USA sind diese Karten weit verbreitet. In Deutschland dümpeln die Umsätze im stationären Handel dagegen bisher um ein Prozent – im Vergleich zu 44 Prozent mit der Girocard. Insidern zufolge investieren Visa und Mastercard daher derzeit massiv in die Verdrängung der Girokarten. In der Branche mehren sich die Gerüchte, dass auch Visa sich bald von seiner V-Pay-Funktion verabschieden wird.

Was also tun? Theoretisch könnten Banken und Sparkassendie Girocard abschaffen und auf die Debitkarten setzten, die von Visa und Mastercard ausgegeben werden. Diese genießen international zwar eine deutlich höhere Akzeptanz als Maestro und bieten außerdem die Möglichkeit, mit der Karte auch online zu bezahlen, was mit Maestro bekanntermaßen nicht möglich ist. Doch dafür müsste der stationäre Handel umrüsten, da die Karten bisher nicht überall akzeptiert werden. Für die Händler* innen würden außerdem weitere Kosten entstehen, da Gebühren an die Debitkarten-Unternehmen anfielen. Einige wenige Sparkassen haben ihre Girokarten bereits mit der Mastercard-Debit-Funktion ausgerüstet. Bisher ist noch unklar, ob der Testlauf zu einer weiteren Verbreitung der Debitkarten führen wird – oder ob sich die Mehrzahl der deutschen Geldinstitute für eine eigene Lösung entscheidet. Denn viele wollen ihr Geschäft nicht einfach kampflos Visa und Mastercard überlassen. Ganz im Gegenteil.

Ist EPI die Lösung?
Um ihre Erträge aus dem Kartengeschäft langfristig nicht mehr bei Visa und Mastercard abliefern zu müssen, planen europäische Banken und Sparkassen ein eigenes, paneuropäisches Scheme als Konkurrenz zu den beiden US-Unternehmen: Die European Payments Initiative, kurz EPI. Gestartet wurde das Projekt 2020 von 32 Großbanken in Europa, die damit nicht nur ein neues Bezahlverfahren etablieren, sondern auch eine eigene Marke gründen wollen. Neben einer klassischen Bankkarte, die EPI-kompatibel ist, sieht das Projekt auch eine Wallet mit digitalisierten Bezahlkarten vor. Darüber hinaus will EPI Online- sowie Handy-zu-Handy-Zahlungen ermöglichen.
Das hätte für die Institute einen weiteren angenehmen Nebeneffekt: So könnten sie auch dem Online-Bezahldienst PayPal etwas entgegensetzen, der in vielen europäischen Ländern einen riesigen Marktanteil hat. Begleichen Kund*innen ihre Online-Einkäufe nämlich über den US-Zahlungsdienstleister, verdienen Banken nichts daran. Das neue Zahlungssystem soll zudem auf Echtzeitzahlungen basieren. Mit ihrer für EPI noch zu definierenden Marke wollen die Banken dann in den Brieftaschen der Kund*innen und auf Kartenlesegeräten zu finden sein. Die gesteckten Ziele sind ehrgeizig: Bis 2025 soll EPI 65 Prozent aller Zahlungen abwickeln.

Ob es jemals dazu kommt, ist allerdings fraglich: Zwar wurde bereits eine Interimsgesellschaft gegründet, doch es wären Milliardeninvestitionen vonnöten. Angedacht sind 1,5 Milliarden Euro für die Jahre 2022 bis 2026. Wohl auch deshalb wird das Vorhaben nun zur Hängepartie, denn zahlreiche Institute, die ursprünglich Interesse an dem Vorhaben bekundet hatten, wollen nun doch kein Geld zur Verfügung stellen. Angesichts der geringen Zustimmung droht das Projekt zu scheitern. Zudem ist fraglich, ob ein EPI-Zahlungssystem überhaupt dieselbe Akzeptanz erreichen könnte wie die gute alte Girocard oder eben Kreditkarten. Darüber hinaus herrscht Uneinigkeit, ob die für das Zahlungssystem gewählte Technologie die richtige ist. Und wenn zu wenige Banken mitmachen – wonach es derzeit aussieht – hätte sich das Projekt quasi von selbst erledigt.
Damit stellt sich allerdings auch die Frage, ob die zweite Zahlungsinitiative noch realistisch ist, die Banken und Sparkassen auf den Weg bringen wollen: Mit dem Projekt #DK wollen alle deutschen Geldinstitute ein gemeinsames Bezahlsystem über alle Kanäle hinweg entwickeln. Das erklärte Ziel: Eine ernst zu nehmende Alternative zum übermächtigen Konkurrenten PayPal. #DK soll die Relevanz von Banken über das Payment hinaus erhöhen.

Im ersten Schritt haben die Institute daher bereits die Bezahldienste Giropay und Paydirekt verschmolzen. Nun sollte die Girocard eigentlich gemeinsam digitalisiert werden, sodass Verbraucher*innen diese auch beim Online-Shopping einsetzen können. Ob #DK nun überhaupt kommt, ist angesichts der Entwicklung bei EPI allerdings alles andere als ausgemacht. Alternativen? Sind bis dato nicht in Sicht. Am wahrscheinlichsten ist bisher ein Teppich von Einzellösungen, bei dem jedes Institut selbst entscheidet, welches Zahlungsverfahren es anbietet, und ob es beispielsweise auf Apple- oder Google Pay setzt. Für Kund*innen könnte es in Zukunft also unübersichtlich werden.
Die Girocard und das Payment sind für Banken daher eine Großbaustelle, auf der dringend weitergearbeitet werden muss. Eins steht jedoch jetzt schon fest: Egal, wie die Lösung aussehen wird, es muss eine digitale Alternative zur Girocard her, die für Kund*innen so komfortabel wie möglich ist. Eine Giro-Zweitkarte, die sich nur im Ausland einsetzen lässt, wird sich sicher nicht durchsetzen. Wir sind gespannt!