
Durchschnittlich alle vier Stunden wird in Deutschland ein Start-up gegründet. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl sogar noch an: Trotz der Coronakrise wurden insgesamt 2.857 Start-ups aus der Taufe gehoben (+318 im Vergleich zu 2019) – so viele wie nie zuvor. Das passt zur allgemein positiven Entwicklung des Start-up-Ökosystems hierzulande, das in den vergangenen fünf Jahren kontinuierlich gewachsen ist. Auch bei den Investitionen wird deutlich, dass sich Deutschland zum Gründungsland entwickelt hat: So haben sich Venture-Capital-Investitionen – auch Risiko- oder Wagniskapital genannt – zwischen 2015 und 2020 mehr als verdoppelt; im vergangenen Jahr betrug das Venture-Capital-Finanzierungsvolumen rund 1,85 Milliarden Euro.
Gründung vs. Start-up
Jedes Start-up ist eine Gründung, aber nicht jede Gründung ist auch ein Start-up.
In Deutschland wurden im vergangenen Jahr 542.200 Neugründungen vom Statistischen Bundesamt registriert. Nur ein Bruchteil davon sind jedoch Start-ups. Wo aber liegt der Unterschied? Der „Deutsche Start-up Monitor“ unterscheidet in seiner Definition Start-ups von Existenzgründungen anhand von drei Faktoren:
- Start-ups sind jünger als zehn Jahre,
- sie haben ein geplantes Mitarbeiter*innen- und Umsatzwachstum und/oder
- sie sind (hoch) innovativ hinsichtlich ihrer Produkte, Geschäftsmodelle und/oder Technologien.
Wer ein Start-up gründet, verfolgt damit meist das Ziel, mit der neuen Geschäftsidee in kurzer Zeit möglichst viel Gewinn einzufahren. Anschließend wird das Unternehmen mit Gewinn weiterverkauft. Existenzgründer*innen hingegen möchten ihre Firma langsam auf- und ausbauen und ihre Geschäftsidee zum Erfolg bringen. Ein Verkauf ist dabei nicht das primäre Ziel.
Wer in Deutschland gründen möchte, startet also unter guten Voraussetzungen. Neben einer innovativen Idee und einem Businessplan brauchen angehende Gründer*innen aber vor allem Startkapital. Dafür greifen laut dem „Deutschen Start-up Monitor 2020“ 78 Prozent auf eigene Ersparnisse zurück, 44 Prozent nehmen staatliche Fördermittel in Anspruch. Und knapp ein Drittel der Start-ups erhält Business Angel Capital – sie werden also finanziell von einem sogenannten Business Angel unterstützt.
Quelle: Statista
Kapital, Fachwissen und Networking
Bei Business Angels – auch Unternehmensengel oder Angel Investor genannt– handelt es sich um vermögende Privatpersonen, die sich mit eigenem Kapital finanziell an einem Jungunternehmen beteiligen und im Gegenzug Anteile daran erhalten. Außerdem unterstützen sie die Gründer*innen mit ihrem Know-how und ihrem Netzwerk – vor allem in der Anfangsphase der Start-ups, wenn der monetäre Engpass am größten ist. Und sie behalten einen kühlen Kopf: „Wichtig ist auch eine gewisse Gelassenheit. Gerade in jungen Unternehmen gibt es immer wieder Höhen und Tiefen. Ein Business Angel sollte den Gründern Mut zusprechen und nicht selbst in Panik verfallen“, sagt Susanne Chishti, Geschäftsführerin des Business-Angel-Netzwerks Fintech Circle.

Die Investitionen der Unternehmensengel sind für die Entwicklung des Start-up-Ökosystems elementar, denn Gründer*innen bekommen selten Bankkredite und sind daher auf andere finanzielle Unterstützung angewiesen. Meist investieren sie niedrigere Beträge zwischen 50.000 und 150.000 Euro – und liegen damit deutlich unter den Summen, die für Venture-Capital-Investitionen typisch sind. Wagniskapitalgeber*innen (englisch: Venture Capitalists, VCs) steigen jedoch erst später in die Finanzierung von Unternehmen ein: So ergab eine Recherche von Startupdetector, dass Unternehmen zum Zeitpunkt der Investition eines Business Angels im Schnitt knapp zwei Jahre alt waren, bei VC-Investments waren die Start-ups hingegen schon fast drei Jahre alt.
Das schiefe Bild vom helfenden Engel
Daraus resultiert das Leitbild der „zweiflügligen“ Business Angels: „Business Angels haben zwei Flügel, einer beinhaltet das unternehmerische Know-how und der andere das Kapital“, erläutert Ute Günther, Vorständin beim Business Angels Netzwerk Deutschland e.V. (BAND). Unternehmer und Investor Frank Thelen sieht die Bezeichnung allerdings kritisch: „Der Begriff ‚Angel‘ wurde aus Hollywood übernommen und passt nicht. Auch eine Privatperson will Gewinn erwirtschaften und ist kein Engel.“

Denn Ziel der Business Angels ist es schließlich, durch die Investition in ein Start-up selbst Gewinn zu machen, etwa indem sie ihre Anteile an Finanzinvestor*innen verkaufen. Dabei tragen sie die Chancen, aber auch die Risiken der Unternehmensentwicklung mit. Schließlich kann niemand vorhersehen, wie sich das junge Unternehmen entwickelt, ob es auf dem Markt erfolgreich sein wird und wann der Erfolgsfall eintreten wird. So macht zum Beispiel Apple heute Milliardenumsätze, doch als Steve Wozniak und Steve Jobs das Unternehmen einst gründeten, rechneten ihre Finanziers nicht mit diesem Erfolg.
Anders verlief es beim FinTech „Joonko“, das 2019 gegründet wurde. Dem Vergleichsportal für Finanzprodukte war eine rosige Zukunft prognostiziert worden, dennoch sprang bei der Series-A-Finanzierungsrunde einer der Lead-Investoren aufgrund der Coronapandemie kurzfristig ab. Dadurch war das Start-up finanziell nicht mehr ausreichend abgesichert und musste schließlich aufgeben.

Wie geht man als Investor*in damit um, wenn ein Start-up scheitert? Wie viele Investments sollten Business Angels für einen gewinnbringenden Exit eingehen? Und warum haben es Gründerinnen in der Branche so schwer? Antworten darauf bekommst du im zweiten Teil unserer Serie, der nächste Woche erscheint!
