In der vergangenen Woche habt ihr erfahren, warum Gründer*innen in Deutschland gute Voraussetzungen für ihr Unternehmen vorfinden, welche Rolle Business Angels dabei spielen und was private Investor*innen überhaupt ausmacht. Du hast den Artikel noch nicht gelesen? Dann klicke hier und lies direkt rein. Für alle anderen geht es hier weiter im Text:

Für das FinTech „Joonko“ war kurz nach der Gründung 2019 schon wieder Schluss: Bereits in der zweiten Finanzierungsrunde (Series A) war einer der Lead-Investoren ausgestiegen – er sah während der Coronapandemie keine Zukunft mehr für das Finanzvergleichsportal. Doch Krisen wie die Pandemie sind im Start-up-Bereich nicht zwingend gleichbedeutend mit hohen Verlusten und Risiken, sondern bieten für Gründer*innen und Investor*innen mit ein wenig Wagemut auch Chancen.
Viele Jungunternehmer*innen brachte erst die Krise auf eine innovative Idee, andere passten ihr Geschäft an die neue Situation an und wurden so richtig erfolgreich. Dementsprechend wurden im vergangenen Jahr 13 Prozent mehr Start-ups gegründet als noch 2019. Dabei hatten Gründer*innen und Investor*innen zunächst befürchtet, dass die Pandemie die Branche stark bremsen werde. In einer Umfrage des Digitalverband Bitkom gaben 78 Prozent der Befragten an, dass sie eine Pleitewelle unter deutschen Start-ups erwarten würden.
Daten, Recherche und Bauchgefühl
Situationen wie diese verdeutlichen, warum die Tätigkeit als Business Angel handwerklich herausfordernd und intellektuell extrem anspruchsvoll ist. Investor*innen müssen nicht nur abschätzen können, wie erfolgsversprechend eine Geschäftsidee ist, sondern auch, ob die Umstände dafür passen. Gutes Bauchgefühl allein reicht da nicht – intensive Recherche und umfassende Datenanalyse sind elementar, um die Risiken eines Investments zu minimieren. „Das Kapital für die Finanzierung eines Start-ups muss man entbehren können. Niemand sollte alles auf eine Karte setzen und beispielsweise einen Kredit aufnehmen, um ein Investment zu tätigen“, sagt Nikolaus D. Bayer.

Der Diplom-Informatiker muss es wissen – schließlich ist er vom Business Angels Netzwerk (BAND) zum „Business Angel des Jahres 2020“ gekürt worden. Er investiert in innovative Start-ups mit den Schwerpunkten Software, KI, Digitalisierung und Prozessoptimierung, hält derzeit zehn Beteiligungen und hat bereits zwei Exits – also den Ausstieg aus einer Beteiligung per Verkauf oder Börsengang – erfolgreich über die Bühne gebracht. Als Faustformel gelte, dass von zehn Investments vielleicht zwei ein richtiger Erfolg werden. „Statistik und Erfahrung lehren: Über die Zeit sollte man zehn bis 20 Beteiligungen eingehen und beim Exit das Zehn- bis Zwanzigfache des jeweiligen Einsatzes erlösen. Sonst rechnet sich der Wagniskapitaleinsatz nicht, denn es gibt ja auch Investments, die scheitern“, erläutert der Financier.
Neben dem finanziellen Verlust hat das Scheitern eines Start-ups für Business Angels auch eine emotionale Komponente: „Auch wenn ich bei einem Investment in ein Start-up bereits einen möglichen Verlust einkalkuliere, so möchte ich doch Erfolg haben – für mich selbst, aber auch für die Teams. Scheitern Start-ups, ist das immer auch das Scheitern von einem selbst. Das ist also auch eine emotionale Enttäuschung“, sagt Oliver Pabst, CEO der Schweizer Outdoor-Firma Mammut. Wichtig sei, die Gründer*innen vorab richtig kennenzulernen, bevor man eine Investition tätige. Und falls man doch scheitere, sei eine umfassende Aufarbeitung elementar. Man müsse aus seinen Fehlern lernen, so Pabst.
Aus Gründer*innen werden Business Angels
In Deutschland gibt es nach Schätzungen von BAND derzeit rund 10.000 Business Angels. Interessante Start-ups entdecken sie auf verschiedenen Wegen: Verbände wie der BAND bieten etwa Zugang zum sogenannten „deal flow“, also dem Angebot an Start-ups. Aber auch über persönliche Kontakte kommen oftmals Partnerschaften zustande. „Ich werde wegen meiner Idealo-Vergangenheit oft für Investments im Onlinehandel angesprochen, dabei interessiere ich mich vor allem für Software und Plattformen als Service und den Messenger-Bereich“, berichtet etwa Business Angel Martin Sinner, Gründer des Preisvergleichsportals Idealo. Sinner ist zudem ein gutes Beispiel dafür, dass immer häufiger ehemalige Gründer*innen eines Start-ups nun selbst zu Business Angels werden. So sind etwa die Gründer von Flixbus André Schwämmlein, Jochen Engert und Daniel Krauss, die selbst regelmäßig Millionenbeträge für ihr Fernbusunternehmen einsammeln, besonders aktive Business Angels und haben derzeit mit ihrer Beteiligungsfirma in sechs Unternehmen investiert.

Auffällig ist jedoch, dass immer noch deutlich weniger Frauen als Männer gründen. So gibt der Female Founders Monitor (FFM) eine Quote von lediglich 15,7 Prozent Frauenanteil unter den Gründer*innen an. Dass Frauen bei der Gründung von Start-ups unterrepräsentiert sind, liegt auch an den Business Angels. Denn Kapitalgeber investieren lieber in ihresgleichen – und die Geschäftsideen von Frauen kommen dadurch zu kurz. Begründen lässt sich das mit einem längst bekannten Bias: Menschen beurteilen Erfolgschancen nicht objektiv, sondern schreiben denen die größte Kompetenz zu, die ihnen selbst ähnlich sind – Männern also Männern und Frauen Frauen.
Männer haben die Nase vorn
Das schlägt sich konkret in Zahlen, vor allem aber in weniger Geld für Start-ups von Frauenteams nieder: Wachstumsfinanzierungen für Gründer*innen bewegen sich meist zwischen 50.000 und 250.000 Euro. Männer knacken allerdings weit häufiger als Frauen die Millionenmarke. Start-ups von Frauen haben es dementsprechend schwerer, erfolgreich zu werden.

„Frauengeführte Startups werden von Venture Capitals (VCs) und Business Angels zu wenig berücksichtigt: Im Investment-Prozess lässt sich ein deutlicher ‚gender bias‘ nachweisen, der die Chancen für Gründerinnen auf eine Finanzierung einschränkt: So besteht für Frauen-Teams bei Investments durch Business Angels und Venture-Capital-Fonds eine enorme Kluft zwischen dem Wunsch nach Finanzierung und ihrer tatsächlichen Realisierung“, heißt es im FFM. Zudem gibt es in Deutschland kaum Investorinnen, die Gründerprojekte finanzieren. Schätzungen des BAND zufolge sind nur sieben Prozent der Unternehmensengel in Deutschland Frauen und laut einer Studie der Boston Consulting Group (BCG) sind lediglich vier Prozent der Partner*innen in deutschen Wagniskapital-Firmen (VC) weiblich.
Gleiche Leistung, weniger Geld
Diversity-Spezialistin Tijen Onaran will das ändern und mehr Frauen in die Venture-Capital-Szene bringen. Dafür plant sie einen Risikokapital-Fonds speziell für Frauen. Denn Frauen hätten nicht weniger Ideen oder seien unkreativer als Männer. „Sie haben es schwerer, an Kapital zu kommen“, sagt sie dem Manager Magazin. Auch eine schlechtere Qualifikation der Gründerinnen ist nicht ausschlaggebend dafür, denn: „Wenn man sich Start-up-Gründer betrachtet, haben dreizehn Prozent der Frauen einen naturwissenschaftlichen Abschluss, aber nur acht Prozent der Männer.“

Allerdings scheinen für die Geschlechter unterschiedliche Maßstäbe zu gelten, selbst wenn die Start-ups qualitativ vergleichbar sind und einen ähnlichen Kapitalbedarf haben. So ergab eine Studie der Harvard Business School, des Massachusetts-Instituts für Technologie und der Wharton School, dass Männer selbst dann den Zuschlag erhalten, wenn sie identische Präsentationen wie ihre Konkurrentinnen halten. Schlechterer Kapitalzugang bedeutet für Frauen wiederum, verstärkt auf Eigenfinanzierung angewiesen zu sein. Das wirkt sich aber nachteilig auf ihr Start-up aus: „Damit können sie weniger und schlechter mit ihren Unternehmen wachsen“, so Onaran. Dabei sind Frauen sogar geschickter im Umgang mit dem Kapital, das ihnen zur Verfügung steht. Denn Studien ergaben, dass Gründerinnen in den USA aus jedem eingesammelten Dollar 78 Cent Umsatz erwirtschafteten, mehr als doppelt so viel wie Gründer mit lediglich 31 Cent.