Der Fahrdienstleister „Uber“ macht es, das Online-Portal „Airbnb“ ebenfalls: Mit ihren Plattformen haben die Unternehmen die Möglichkeit geschaffen, maßgeschneiderte Angebote für ihre Kundschaft zu liefern – ohne selbst ein eigenes Produkt anzubieten. Dieses Geschäftsmodell ist nicht neu: „Uber“ und „Airbnb“ wurden bereits Anfang der 2000-er Jahre gegründet. Rund 20 Jahre hat nun die Finanzbranche dieses Plattform-Konzept entdeckt: Mit der smarten Nutzung von Daten können auch Banken ihre eigenen Plattformen schaffen – und somit hoffentlich die Antwort auf eine der größten Herausforderungen der Branche liefern: den Kampf um die Relevanz.
Auch Christian Steiger ist der Ansicht, dass Banken Leistungen anbieten sollten, die keinen direkten Bezug mehr zum eigentlichen Banking aufweisen. Als Geschäftsführer von Lexware, der Software für Finanzen und Buchhaltung, weiß er um den Wandel, in dem sich die Finanzdienstleistungsbranche befindet – und welche Technologien und Partnerschaften den Banken neue Möglichkeiten eröffnen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Christian, einmal zur Einordnung: Was bedeutet „Beyond Banking“ – und warum sollte mittlerweile jede Bank diesen Begriff kennen?

Der Begriff zielt darauf ab, Silos aufzubrechen und die Bedürfnisse der Anwender*innen ins Zentrum des Handelns zu stellen: Banken müssen mehr über den Tellerrand blicken und sich breiter aufstellen. Denn Banking alleine hat kein Transformations- oder Innovationspotenzial. Sie müssen zunehmend Leistungen bereitstellen, die nichts mehr mit klassischem Banking zu tun haben – oder sich verpartnern und entsprechende Allianzen und Netzwerke gründen.
Unterm Strich sprechen wir also einfach von Leistungen, die wortwörtlich „beyond“ Banking sind. Wie können Produkte aussehen, die Banken ihren Kund*innen abseits vom „klassischen Banking“ anbieten?
Wir betrachten das Thema aus Sicht von Kleinunternehmen und Selbstständigen und hier sehen wir ganz klar: Banking muss vernetzt und embedded stattfinden. Wie können Banken, Versicherer, Steuerberater und wir, als Softwareanbieter für Buchhaltung, weitere Themen gemeinsam und nicht aus der jeweiligen Branchensicht adressieren und Prozesse automatisieren? Unser Ziel muss es sein, Unternehmerinnen und Unternehmern den Rücken freizuhalten, damit sie ihre Träume leben können und sich nicht um Administratives kümmern müssen. Was ist die richtige Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt? Diese Frage müssen wir als Ökosystem unseren Kund*innen gemeinsam und mit maximaler Usability und „Actionabilität” beantworten. In Bezug auf Finanzthemen könnten das Vorschläge für Sofortkredite für neue Investitionen sein – zum günstigsten Zeitpunkt. Basis hierfür könnte eine Datenauswertungen aus der Buchhaltung sein, um mal ein Beispiel zu nennen.
Wenn von Beyond Banking gesprochen wird, geht es meist auch um Plattformökonomie. Da kann man wiederum schnell den Haken zu FinTechs schlagen. Deren Geschäftsmodell basiert ja auf der Idee der Plattformökonomie. Entsteht hierbei am Ende unweigerlich ein Wettbewerb zwischen Banken und FinTechs? Was denkst du?

Wettbewerb ist das eine, der ist ja auch per se gut und belebend. Jetzt geht es aber vor allem darum, die Plattformen zu vernetzen. Keine Branche wird alleine die einzige und perfekte Lösung für die Selbstständigen und kleinen Unternehmen schaffen. Wenn wir über end2end bei den Geschäftsprozessen sprechen, geht es genau darum: Automatisierung gelingt, wenn wir digital und vernetzt denken. Letztlich werden dann die Kund*innen entscheiden, welche Lösungen in welcher Vernetzung die passende ist.
Die Medaille hat aber bekanntlich zwei Seiten: Welche Risiken und Probleme bringt Beyond Banking als Geschäftsmodell der Zukunft mit sich?
Da gibt es viele Herausforderungen, mit denen sich FinTechs konfrontiert sehen: sei es Datenschutz, Compliance und regulatorische Anforderungen, die immer komplexer werden. Auch der Einsatz moderner Zukunftstechnologien wie Blockchain oder AI sind große Aufgaben – und damit einhergehend der Fachkräftemangel, um die Themen angehen zu können. Bei AI kommt hinzu, dass wir hier nicht von linearen, sondern exponentiellen Entwicklungen sprechen. Im Klartext: Hier gilt es schnell zu sein, sonst läuft man Gefahr, ins Hintertreffen zu geraten und dann wird es ganz schwer, den Wettbewerb einzuholen oder im Markt entsprechend erfolgreich zu sein. Der Aufbau eines zukunftsfähigen FinTechs erfordert beispielsweise mehr als nur eine hervorragende Idee. Die vielen Anforderungen zu erfüllen, ist eine große Hürde – im Übrigen nicht nur für FinTechs, sondern für alle.
Laut einer PwC-Studie wollen rund 50 Prozent der deutschen Banken im Laufe diesen Jahres ein eigenes digitales Ökosystem betreiben oder sich an einem beteiligen. Was denkst du, wie realistisch ist das?

Unabhängig von der Prozentzahl ist die Frage doch eher: Schaffen sie es, Ökosysteme aufzusetzen, die Mehrwerte für ihre Kund*innen schaffen? Ein Ökosystem alleine ist noch kein Garant für eine erfolgreiche Zukunft.
Abschließend die Frage: Ohne „Beyond Banking“ = ohne Zukunft? Wie wichtig – und akut – ist es, dass Banken jetzt umdenken und neue Wege gehen?
Wer auch in Zukunft erfolgreich sein will, muss sich dauerhaft hinterfragen und immer ein Auge auf den Markt haben, um neue Bedürfnisse und sich ändernde Verhaltensmuster schnell zu erkennen und neue und innovative Lösungen anzubieten. Insofern: Ja, auch Banken müssen sich in volatilen Zeiten wandeln, um langfristig zu überleben.
Vielen Dank für das spannende Gespräch!