
Die Bankfiliale ist eine bedrohte Spezies. „Zehn Prozent der Filialen wurden in den vergangenen Jahren geschlossen“, sagt Martin Greiwe, Vorstandssprecher der Atruvia-Tochter Ratiodata. Die Erklärung liefert der Experte gleich mit: „Eine Bank wird heute anders genutzt, per App. Für das Servicegeschäft braucht es die Filiale längst nicht mehr.“ Kontoauszüge stehen online bereit, überwiesen wird digital, bezahlt mit Karte oder Smartphone. Wer kein Bargeld mehr braucht, braucht auch keins abzuheben. Das Angebot in den Dependancen wird sich verändern, so viel steht fest. Aber wie? Wie sieht die Filiale von morgen aus – und was muss sie leisten? Mit diesen Fragen hat Greiwe ein spannendes Panel eröffnet.
„Ich bin ein Fan der Filiale“, macht Ulrich Hilbert gleich zu Beginn klar, ergänzt allerdings im selben Atemzug: „Aber nicht so, wie wir sie aktuell haben.“ Hilbert sitzt im Vorstand der Frankfurter Volksbank und kennt das Tagesgeschäft aus den eigenen Filialen in und rund um die Main-Metropole gut. Er findet: „Wir müssen uns attraktiver machen für unsere Kunden und zwar von der Darstellung und den Inhalten.“ Das beginnt für ihn mit dem ersten Eindruck. Hydrokultur-Design, Eiche Rustikal und Lamellen vor den Fenstern laden niemanden ein. „Mein Credo lautet: moderner, offener, einladend – und dann bringt Inhalte, die interessanter sind für die Kunden“, sagt Hilbert. Denn die Erwartungshaltung, dass Menschen auch zukünftig in die Filiale kämen, um Geld abzuheben oder Überweisungen zu tätigen, sei nicht von langer Dauer. Er plädiert dafür, das Angebot zu erweitern – über das reine Banking hinaus. Das heißt, Menschen eine Anlaufstelle zu bieten für für moderne Themen über das Banking hinaus. Und dazu eine Tasse Kaffee. „Das kann dann wieder Anlass für Bankgespräche sein“, erklärt Hilbert.
Sein Kollege Frank Mackenroth, Vorstandsmitglied der VR Bank Fulda, geht sogar noch einen Schritt weiter. Sein Vorschlag: Die Kundschaft noch konsequenter in den Fokus rücken, Banking noch mehr aus deren Sicht denken. „Wie bei der Geschichte mit dem Fisch, dem Wurm und dem Angler müssen wir uns fragen: Für wen machen wir das überhaupt? Wenn wir nur von uns denken, möglichst effizient und kostengünstig unser Geschäft weitertreiben zu wollen, wird sich das nicht mehr lange rentieren – und wir müssten weiter eine Filiale nach der anderen schließen.“ Um dem entgegenzuwirken, schlägt Mackenroth vor, ganz andere Angebote wie beispielsweise Bürgerdienste in die Filialen zu integrieren. „Wir sind ja teilweise die Einzigen, die in den ländlichen Regionen überhaupt noch da sind“, sagt er. Genau diese Alleinstellung gelte es zu nutzen. Deshalb findet auch der Vorstand aus Fulda: Lamellen weg, Fenster auf – die Leute müssten sehen, was in der Bank passiert. „Wenn wir Aufmerksamkeit wollen, müssen wir zusätzlichen Nutzen stiften. Sonst werden uns die Menschen nicht in Anspruch nehmen.“
Mobile first, auch in der Filiale der Zukunft
Zusätzlicher Nutzen entsteht in der Geschäftsstelle von morgen allerdings nicht nur durch Atmosphäre und Angebot, sondern auch durch digitale Transformation. In dem Punkt ist sich die Diskussionsrunde einig. Aber wo führt der Wandel hin? Was bedeutet der digitale Fortschritt für die digitale Filiale? Martin Greiwe hat da eine detaillierte Vision. „Wir sehen, wie sich die Technik verändert“, sagt der Ratiodata-Vorstand: „Was wir aktuell in die Filialen liefern, das sind Smartphones, das sind Tablets, das sind Laptops – also mobile Endgeräte, die dazu führen, dass sich das Arbeiten in den Geschäftsstellen verändert.“ Beratung in dunklen Zimmern und vor Monitoren, die Kund*innen nicht einmal einsehen können, werde es nicht mehr geben. Stattdessen werde Beratung mobil. „Vielleicht ist die Filiale von morgen auch der Laptop beim Kunden – und dann kommen wir zu ganz anderen Situationen“, sagt Greiwe.
Situationen, wie sie auch Dr. Dieter Pütz in Zukunft sieht. Pütz ist Leiter des Geschäftsfelds Connected Solutions bei Atruvia, qua Berufung also schon ein Experte für digitale Lösungen von morgen. Er sagt: „Der Bankarbeitsplatz mit einer*m Angestellten an einem festen Terminal – das ist anachronistisch.“ Deshalb werden die Systeme der Zukunft auch so umgestellt, dass sie geräteübergreifend und somit auch mobil nutzbar sind. „Das ist die Kundenanforderung. Da sind wir dabei und wollen das natürlich auch schnellstmöglich stabil rüberbringen“, ergänzt Pütz.
Der Technik sind dabei keine Grenzen gesetzt. Was beim Laptop beginnt, muss beim Smartphone nicht aufhören. Virtual Reality oder das Metaverse sind Technologien, die diese Entwicklung weiter vorantreiben könnten. „Da wird noch ganz viel kommen“, ist sich IT-Experte Martin Greiwe sicher, „und wir müssen überlegen, wie wir einen Mehrwert für Banking generieren.“ Sein Kollege Dieter Pütz von Atruvia hat ein Beispiel. So könne Virtual Reality etwa bei der Immobilienfinanzierung unterstützen. Einfacher Fall: Der Kunde oder die Kundin schaut sich die Objekte digital durch die Brille an, trifft eine Vorauswahl und besichtigt die übrigen Immobilien vor Ort. Das spart Zeit und bringt auch noch eine innovative Erfahrung. Ein weiteres Beispiel ist die Videoberatung, an die sich die Kundschaft längst gewöhnt hat. „Diese Gespräche können physisch stattfinden, aber dann schaltet sich digital ein*e Baufinanzierungsexpert*in hinzu – und schon haben wir eine hybride Beratung“, sagt Martin Greiwe. „Aber das muss man auch bedienen können – und da müssen wir noch besser werden.“

Die Bedienbarkeit ist ein Punkt, der gerade den beiden VR-Bankern in der Diskussion um die Filiale der Zukunft besonders wichtig war. „Die Systeme müssen einfach sein; für den Kunden und für die Bank. Denn es gehören immer beide Seiten dazu, um Dinge erfolgreich zu machen“, schlussfolgert Frank Mackenroth von der VR Bank in Fulda. Sein Kollege aus Frankfurt pflichtet ihm bei. „Tools wie eine Videoberatung müssen ganz normal sein. So normal wie: Ich setze mich an einen Tisch. Und das gilt natürlich auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Beratung, die so vorbereitet sein müssen, dass sie fit sind für die Filiale in der Zukunft.“ Denn in einer Sache waren sich die vier Gesprächsgäste einig: Technologien können Bank und Kundschaft zwar unterstützen – aber persönliche Beratung wird das Wichtigste sein. Auch in der digitalen Geschäftsstelle der Zukunft.