Großstädte ziehen die Menschen durch ihre Strahlkraft magisch an. Sie gelten als Leuchttürme für junge Menschen. „Urbanisierung ist Trend: Alles drängt in die Stadt, obwohl es dort teuer ist, die Infrastruktur nicht ausreicht und die Lebensqualität sinkt“, sagt Michael Luks. Junge Menschen nehmen das allerdings in Kauf, um am Puls der Zeit zu bleiben. Gleichzeitig fristen die Provinzen im Schatten der Metropolen ihr Dasein. Geschichten von Ortschaften ohne Hausärzt*innen, maroder Infrastruktur und langsamem Internet prägen die Vorurteile gegenüber den ländlichen Gegenden. Öde, verlassen und rückständig, so der Tenor. Aber ist das wirklich so?

„Arbeiten und leben, wo andere Urlaub machen“
Spätestens die Pandemie hat gezeigt, dass das Leben auf dem Land durchaus seine Vorzüge hat. „Durch die Homeoffice-Reglungen sind viele aus den Großstädten wieder hergekommen und haben natürlich mitbekommen, wie charmant die Provinz ist“, sagt Sven Mimus, „gerade für unsere Region – den Landkreis Görlitz – ist das auch eine große Chance: Hier kannst du arbeiten und leben, wo andere Urlaub machen.“ Dabei wird vielen Teilzeit-Landbewohnern aufgefallen sein: Das Leben ist ein anderes als in der Stadt. Die Menschen grüßen und kennen sich, es ist ein besonderes Miteinander. Als „Heimat“ beschreibt Mimus dieses Gefühl. Soweit nichts Neues, wird manch eine*r denken. Neu ist aber der Progressivismus in vielen Provinzen: der Wille zum Wandel.
Die Provinz – schön und gut, aber …
Doch das ist gar nicht so einfach, denn die Herausforderungen sind groß. Gerade junge Menschen zieht es in die Großstädte: für das Studium, die Ausbildung in einem großen Konzern oder schlicht die Neugierde. Das bringt für die ländlichen Regionen einige Probleme mit sich. Den mittelständischen Unternehmen fehlt der Nachwuchs, den Immobilienbesitzer*innen – trotz bezahlbarem Wohnraum – Mieter*innen und der Gastronomie eine große Zielgruppe.

Das beobachtet Mimus auch in Görlitz: „Wir haben eine abstrus schlechte demografische Entwicklung. Deshalb ist es für die junge Generation enorm wichtig, dass sich hier etwas tut.“ Nachholbedarf sieht Mimus vor allem bei der Schienen- und Straßeninfrastruktur. Es sei ein Unding, mit Schnellzügen an die sächsischen Grenzen zu kommen, aber dann in einen „Bummelzug umsteigen zu müssen.“ Gleichzeitig betont er aber, dass sowohl der Freistaat Sachsen als auch die Bundesregierung das Problem bereits erkannt und sich ihm angenommen hätten.
„Enabler der Provinz“
Ein weiteres Argument, das gegen einen Umzug aufs Land spricht, ist die großteils mangelhafte Digitalisierung. Das sieht auch Luks so: „Wir beschäftigen uns nun damit, wie man die Provinz aufwerten könnte: durch flächendeckende Digitalisierung, Verbesserung des Nahverkehrs und durchdachte Infrastruktur.“ Bei diesem Prozess wollen die Volksbanken als „Möglichmacher“ fungieren. „Dieser digitale Enabler der Provinz kann die Volksbank als Förderer der Region sein – entsprechend den genossenschaftlichen Prinzipien“, sagt Luks. Das wird auch bitter nötig sein. Alleine für den Ausbau der Bandbreite im Landkreis Görlitz wurden dreistellige Millionenbeträge aufgewendet.

In anderen Regionen werden Investitionen in ähnlicher Größenordnung erforderlich sein, um das Landleben auch für junge Leute wieder attraktiv zu machen. Wenn das erst einmal geschehen ist, sieht Mimus einige Argumente auf der provinziellen Habenseite: „Nicht zu unterschätzen ist der Raum für Entfaltung. Es gibt kleine Netzwerke, in die man sich sofort einbringen und etwas bewegen kann.“ Ein großes Pfund in Zeiten, in denen Transformation allgegenwärtig und ein großer Trend ist. „Diese Karte müssen wir künftig noch stärker spielen“, so Mimus.
Nichts als ein Landeplatz
Den Machern stehen zweifelsfrei noch große Herausforderungen bevor – und es wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen, diese zu bewältigen. Die größte Hürde haben die Provinzen allerdings schon genommen: Sie haben erkannt, sich dem Fortschritt öffnen zu müssen und ihn mitzutragen. „Wir müssen unseren Strukturwandel offen kommunizieren und die Leute aktiv ansprechen“, gibt Mimus die Marschroute vor.

Dabei ist es wichtig, die eigenen Stärken in den Vordergrund zu stellen und die eigene Geschichte zu erzählen. Sei es nun eine regionale Spezialität, besondere Architektur oder vielleicht auch nur ein Landeplatz – denn auch das Silicon Valley ist aus nichts außer einer guten Verkehrsanbindung entstanden.