Die verwunderten Blicke der Kundschaft hatte Pepper sicher, als er mit seinem Tablet durch die Filiale Troisdorf-Bahnhof der VR-Bank Rhein-Sieg rollte. Pepper ist ein humanoider Roboter, etwa 1,20 Meter groß und immer am Lächeln. Er soll den Service der Bank unterstützen. Als Mischung aus Info-Desk und Wegweiser. So kann er den Wartenden in der Filiale die App der Bank erklären, sie aber genauso auch zum nächsten freien Beratenden führen. Ein nettes Gimmick. Und ein Zeuge dafür, dass die digitale Transformation längst im Bankgeschäft angekommen ist.

Denn tatsächlich arbeitet Pepper bereits seit 2019 in der Filiale Troisdorf-Bahnhof. Die Digitalisierung der Branche schreitet seitdem weiter unaufhaltsam voran. So gibt es in den USA etwa eine digitale Finanzassistentin, Erica, die sogar Beratungsfunktionen erfüllen kann. Die Software analysiert Kontobewegungen und erteilt auf dieser Basis individuelle Ratschläge. In Deutschland haben es Start-ups wie beispielsweise dwins mit ihrer App Finanzguru geschafft, die Verwaltung von Bankkonten komplett auf das Smartphone zu verschieben. Auch Sprachassistentinnen wie Siri oder Alexa unterstützen mittlerweile die Abwicklung von Bankangelegenheiten. Die Services werden immer smarter.
Corona hat die digitale Transformation der Beratung beschleunigt. So lassen sich mithilfe moderner Tools wie Videochats oder digitaler Unterschrift bereits komplette Beratungsprozesse digital abbilden – vom ersten Kontakt bis zum Vertragsabschluss. Doch das war erst der Anfang. Robotik, Künstliche Intelligenz und Virtual Reality werden die Beziehungen zwischen Banken und ihrer Kundschaft in Zukunft komplett verändern. Wie also sieht die Beratung von morgen konkret aus?
Mehr Meetings, mehr Beratungserfolg

Einen ersten Vorgeschmack darauf hat die Corona-Pandemie geliefert. Während im Lockdown keine persönlichen Beratungsgespräche stattfinden konnten, sind Bankberater*innen mit ihren Kund*innen einfach auf Online-Kanäle ausgewichen. Mit Erfolg. Laut einer Umfrage der Marktorscher*innen von Forrester Research haben Ende 2019 gerade einmal 17 Prozent der Bankkund*innen Finanzangelegenheiten per Video-Chat geregelt. In der Zeit der Schließung ist diese Zahl dann um bis zu 50 Prozent gestiegen. Heute nutzen fast drei Viertel aller Privatkund*innen mehrere Kanäle für ihre Bankgeschäfte. Die Zahl der Meetings hat sich dadurch sogar um bis zu 30 Prozent erhöht. Das heißt, Banken kommunizieren per Video häufiger mir ihrer Kundschaft, als sie das zuvor physisch erledigt haben. Dadurch steigt nicht nur die Bindung, sondern auch die Konversionsrate. Sprich: Der Anteil der Kontakte mit positiver Umsatzauswirkung hat sich um bis zu 20 Prozent erhöht.
Ursachen dafür gibt es gleich mehrere. Zum einen lassen sich Termine auch nach 17 Uhr einfacher vereinbaren. Zum anderen bevorzugt die große Mehrheit die digitale Beratungsvariante nach dem ersten Termin auch weiterhin. Digitale Beratungsgespräche lassen sich außerdem viel einfacher unterbrechen und fortführen als persönliche Treffen: Teilweise ausgefüllte Formulare werden einfach abgespeichert, Beratungsgespräche knüpfen nahtlos aneinander an.

Die Volksbanken und Raiffeisenbanken haben die Videoberatung deshalb gezielt weiterentwickelt und gehen mit dem sogenannten Video Consult ganz neue Wege. Denn die Beratungsstehle verbindet zwei Welten: den analogen Besuch in einer Filiale mit der digitalen Beratung per Videochat. „Der Video Consult ist ein in eine Stehle eingelassener Monitor mit einer Dokumentenkamera und einem Pen-Pad“, erklärt Christian Fritz, Leiter Produktmanagement und Geschäftsfeldentwicklung bei Ratiodata. Die IT-Firma ist ein Tochterunternehmen der Atruvia AG, Fritz und sein Team haben den Video Consult entwickelt. „Mit seiner Hilfe gelingt es VR-Banken auch dann noch vor Ort präsent zu sein, wenn die Filiale schließt“, sagt Fritz. Dann übernimmt der Video Consult die Aufgaben, die ein*e Bankberater*in erledigt. Kund*innen treten an das Gerät heran und betätigen es. Auf dem Monitor erscheint ein*e Berater*in und bedient die Kundschaft per Videochat. Über die Dokumentenkamera können Unterlagen eingescannt, auf dem Pen-Pad kann unterschrieben werden. So sind selbst komplexere Geschäftsvorgänge und Vertragsabschlüsse kein Problem.

Noch sitzt am anderen Ende des Consultants ein Mensch. „Das ist gewollt, denn die Zielgruppe möchte mit Menschen reden“, erklärt Fritz. Dass es aber auch anders geht, zeigt ein Beispiel aus Hongkong. Dort hat das Unternehmen Hanson Robotics bereits vor fünf Jahren Sophia erschaffen. Sophia ist, wie Pepper, ein humanoider Roboter. Allerdings einer, der dank Silikonüberzug aussieht und sich bewegt wie ein Mensch. Dieses Antlitz soll das Vertrauen von Mensch zu Maschine erhöhen und so die Einsatzgebiete von Sophia und ihren Geschwistern erweitern – zum Beispiel auf die Beratung von Bankkund*innen. Fachleuten ist die Technologie auch hierzulande bereits vorgestellt worden. Ihr Einsatz dürfte dagegen noch Zukunftsmusik sein. Aber Immerhin: Hanson Robotics ist 2021 bereits in die Massenproduktion eingestiegen.
Künstliche Intelligenz: Algorithmen für Anlageprodukte
Massentauglicher schon heute sind dagegen eher Sophias innere Werte. Genauer gesagt die Technologie, mit deren Hilfe diese Roboter betrieben werden: Künstliche Intelligenz. Sie kann das Leben gleich in mehreren Bereichen extrem vereinfachen. Der für die Kundschaft wohl spürbarste Einsatzort ist der Chatbot. Statt wegen jeder Kleinigkeit die Beratenden zu fragen, wird einfach der Computer angeschrieben: Wie hoch ist mein Dispo? Wie teuer sind die Zinsen? Was kostet die Kontoführung? Eine KI verarbeitet die Frage und liefert die passende Antwort.
In einer vernetzen Welt macht Alexa den Friseurtermin aus, trägt ihn in den Kalender ein, erinnert mich daran – und bezahlt ihn am Ende auch noch.
Christian Fritz, Leiter Produktmanagement und Geschäftsfeldentwicklung bei Ratiodata.
Ein Sprachbot funktioniert übrigens mit einer ähnlichen Logik. Nur wird er nicht angeschrieben, sondern angesprochen – und liefert die Antwort auf eben diesem Wege. Viele Banken setzen Sprachbots wie Siri oder Alexa bereits in der Beratung ein: Alexa, ich brauche ein Girokonto. Und schon erstellt Alexa die passenden Angebote. Auch in konkrete Prozesse könnten diese smarten Systeme eingebunden werden. „In einer vernetzen Welt macht Alexa den Friseurtermin aus, trägt ihn in den Kalender ein, erinnert mich daran – und bezahlt ihn am Ende auch noch“, sagt Ratiodata-Experte Christian Fritz.
Neben offensichtlichen gibt es auch versteckte Bereiche, in denen KI die Beratung erleichtert. Zum Beispiel im Kreditwesen. Bei der Angebotserstellung kann eine KI gleich zwei Arbeiten übernehmen. Zum einen findet sie anhand von Kund*innendaten das passende Produkt, zum anderen analysiert sie aus den Transaktionsdaten der Kontoinhabenden auch noch deren Kreditwürdigkeit. Das führt auf der einen Seite zu besseren Angeboten und erhöht auf der anderen Seite die Sicherheit für die Bank. Bei der Auswahl von Fondsprodukten kann KI übrigens einen ebenso nützlichen Job erledigen: Auf Basis von Einkommen, Sparzielen und Risikoneigung stellt sie ein Fondsportfolio zusammen, das perfekt auf die Wünsche des Kunden oder der Kundin zugeschnitten ist. Das steigert die Zufriedenheit – und den Erfolg.

Noch futuristischer ist der Einsatz von Virtual Reality in der Beratung. „Sie hilft überall dort, wo die Vorstellungskraft erhöht werden muss“, erklärt Fritz. Zum Beispiel bei der Finanzierung größerer Bauvorhaben. Man stelle sich vor, Beratende nehmen ihre Kund*innen per Brille mit auf eine Reise durch die neue Immobilie. Das ist nicht nur beeindruckend, sondern deckt möglicherweise auch noch Investitionsbedarfe auf, die bei der Planung noch gar nicht beachtet wurden. „Diese Mixed Reality kann verkaufsfördernd sein“, sagt Fritz. Die VR Bank Bamberg-Forchheim hat Virtual Reality-Brillen sogar schon im Vertrieb getestet. Ergebnis: Der gewünschte Wow-Effekt ist eingetreten. Genauso also wie bei Roboter Pepper in Troisdorf.