zurück zurück
Banken

Achterbahnfahrt am Rohstoffmarkt: Der nächste Superzyklus?

In den vergangenen 150 Jahren schwankten die Rohstoffpreise massiv. Zurzeit steigen die Kurse in schwindelerregende Höhen und könnten sich langfristig auf diesem Niveau bewegen.
2022 01 FINT Artikel Quer ET Fs 01 unsplash 98 Mb Uldc DJY
© Photo by Piret Ilver on Unsplash
12.01.2022

Die Nachfrage steigt, doch das Angebot wird immer knapper: Rohstoffe sind derzeit ein hochgehandeltes Gut. Das ruft Investor*innen auf den Plan, die einen Superzyklus und somit einen langfristigen Preisanstieg prognostizieren. Wer in Rohstoffe investieren, aber keine Industriemetalle oder Holz zu Hause lagern will, setzt auf ETCs. Doch wie vielversprechend ist ein Investment in Rohstoffe – und stehen wir wirklich am Beginn eines Superzyklus?

Gähnend leere Materiallager und eine hohe Nachfrage: Die Preise für Rohstoffe steigen – und das ist kein gutes Zeichen, weder für die deutsche Ökonomie noch für den globalen Umbau der Weltwirtschaft. Doch Investor*innen sehen die Sonnenseite – und legen ihr Geld in Exchange Traded Commodities (ETCs) an. Expert*innen halten das für eine gute Idee, denn die Preise könnten weiterhin steigen. Im schlimmsten oder besten Fall – je nachdem auf welcher Seite des Tisches man sitzt – über die nächsten Jahre oder gar Jahrzehnte.

ETC vs. ETF

Die Coronapandemie, gestörte Lieferketten infolge von Naturkatastrophen oder der Havarie im Suez-Kanal und eine stetig wachsende Nachfrage bedingen die gegenwärtige Verknappung von Ressourcen. Von Chemikalien über Computer-Chips und Kunststoffen bis hin zu natürlichen Rohstoffen wie Erdöl, -gas, Holz und Industrie- sowie Edelmetallen – sie alle sind knapp und heiß begehrt. Eine hohe Nachfrage und ein geringes Angebot führen zu steigenden Preisen. Währenddessen werden Rohstoff-ETCs bei Anleger*innen zunehmend beliebter.

2022 01 FINT Artikel Hoch ET Fs 01 unsplash wp On FM9hj NI © Photo by Patrick Pankalla on Unsplash

Sie unterscheiden sich in vier Gruppen: Energie (Erdgas, -öl), Edelmetalle (Gold, Silber), Industriemetalle (Kupfer, Aluminium, Nickel) und Agrarprodukte (Lebendvieh, Getreide, Mais). Im Gegensatz zu den ETFs (Exchange Traded Fund), die eine gewisse Diversifizierung aufweisen müssen, bilden ETCs die Werteentwicklung eines einzelnen Rohstoffs ab und werden an der Börse gehandelt – ohne subjektiven Einfluss von Fondsmanager*innen. Mit Rohstoffen zu handeln ist mit dreierlei Risiken verbunden: Im Gegensatz zu ETFs gelten ETCs nicht als Sondervermögen. Sie sind eine unbefristete Schuldverschreibung des Emittenten. Das bedeutet, dass Investor*innen im Falle einer Insolvenz des Herausgebenden leer ausgehen könnten.

They see them rollin‘

Eine weitere Besonderheit von ETCs: Es können Rollgewinne, beziehungsweise -verluste auftreten. Während ETCs auf Edelmetalle den Kassapreis abbilden, geben ETCs auf Erdöl und -gas den Future-Preis wieder, also die Werteentwicklung eines Terminkontrakts. Die Terminkontrakte weisen allerdings eine begrenzte Laufzeit auf. Deshalb muss der ETC-Emittent sie regelmäßig vor Ende der Laufzeit verkaufen und einen neuen erwerben. Dieser Vorgang ist als „Rollen“ des Futures bekannt. Ist der erworbene Terminkontrakt nun teurer (Contango) oder günstiger (Backwardation) als der verkaufte Kontrakt, können Rollverluste, respektive -gewinne entstehen. Außerdem sollten Investor*innen beachten, dass Rohstoffe unter Umständen enormen Preisschwankungen unterliegen: Naturkatastrophen können Ressourcen zerstören, Wirtschaftskrisen die Nachfrage einbrechen oder unerwartete Rohstofffunde den Preis absacken lassen.

2022 01 FINT Artikel Hoch ET Fs 02 unsplash 67g CKFV Yh7s © Photo by Gerson Repreza on Unsplash

Nichtsdestotrotz ist ein Run auf ETCs ausgebrochen. Zum einen, weil Rohstoffe das Depot stabilisieren können: Rohstoffpreise, besonders der Wert von Edelmetallen, entwickeln sich oftmals gegenläufig zur Realwirtschaft. Anleger*innen kehren bei sinkenden Kursen in den vermeintlich sicheren Hafen „Gold“ ein – der Preis steigt, die Volatilitäten innerhalb des Depots gleichen sich aus. Zum anderen lässt die Aussicht auf den Beginn eines Superzyklus die Anleger*innen hellhörig werden.

Ein einziges Auf und Ab

Doch was genau verbirgt sich hinter einem Superzyklus? Ein kleiner Exkurs: Gewöhnliche Rohstoffzyklen entstehen dann, wenn die Nachfrage und infolgedessen auch die Preise steigen, die Erzeuger die Produktion erhöhen und liefern können. Bei einem Superzyklus dagegen steigt die Nachfrage so sehr, dass die Hersteller nicht Schritt halten können. Superzyklen gab es in den vergangenen 150 Jahren zur Genüge, meist begannen sie mit geschichtsträchtigen Ereignissen: Die Industrialisierung im späten 19. Jahrhundert, das Wettrüsten während des Ersten Weltkrieges, die serienmäßige Einführung des Autos, der Zweite Weltkrieg, Spannungen im Nahen Osten oder der Eintritt Chinas in die Welthandelsorganisation.

2022 01 FINT Artikel Quer ET Fs 02 unsplash Ax6ggq8c Sxw © Photo by Peter Olexa on Unsplash

All diese Ereignisse markierten den Anfang eines Rohstoff-Superzyklus und haben eines gemeinsam: Hersteller waren nicht in der Lage, ihre Produktion derart zu skalieren, dass sie die steigende Nachfrage bedienen konnten. Denn Erzeuger müssen Anlagen ausbauen und Personal schulen – und dieser Prozess kann sich über Jahre hinziehen. Aktuell sind vor allem Schließungen von Fabriken und Minen infolge von Lockdowns schuld an der Misere. So oder so: Lieferengpässe entstehen. Sobald Produzenten die Nachfrage bedienen können, rutschen die Preise ab – das Ende eines Superzyklus.

Und nun?

Die gegenwärtige Rohstoffsituation stellt sich dagegen anders dar: Zu Beginn der Coronapandemie und des ersten Lockdowns rauschten die Preise in den Keller. Seitdem haben sich die Preise jedoch stetig nach oben entwickelt – und liegen nun deutlich über dem Vorkrisenniveau. Selbst weitere Lockdowns konnten den Anstieg nicht bremsen. Zum Vergleich: Energierohstoffe liegen rund 28 Prozent, Agrarrohstoffe 36 Prozent und Industrierohstoffe gar 70 Prozent über den Preisen, die noch im Dezember 2019 bezahlt wurden. Das ist nicht überraschend: Die Wirtschaftsleistung hat sich nach deutlichen Einbußen zu Beginn der Pandemie wieder merklich erholt – folglich steigen auch die Rohstoffpreise. Doch wie lange hält dieser Trend an?

2022 01 FINT Artikel Quer ET Fs 03 unsplash a2g3 LM0c G Fg © Photo by Marc Schulte on Unsplash

Kurzum: Das weiß niemand. Grundsätzlich ist eher zu erwarten, dass sich die Situation entspannen wird. Die Nachfrage wird zwar anhaltend hoch bleiben, allerdings werden die Produktion wieder hochgefahren und Produktionskapazitäten ausgebaut. Einzig bei Industriemetallen wie Kupfer, Kobalt und Nickel könnte die Situation weiterhin angespannt bleiben. Diese Metalle sind im Zuge der Dekarbonisierung der Weltwirtschaft besonders gefragt. Doch die Antwort wird die Zeit geben müssen – die Glaskugel konnte nicht geliefert werden.

12.01.2022