Schneller, höher, weiter. Informationen sammeln, auswerten, Trends ableiten. Reagieren, performen. Dabei immer die Mitarbeiter im Blick haben. Bloß nicht nachlassen! Führen im digitalen Zeitalter ist geprägt von „immer mehr“. Immer mehr Aufgaben bei begrenzter Zeit, immer mehr Veränderungen, die möglichst schnell umgesetzt werden müssen, immer mehr Leistung. Das setzt selbst die besten Führungskräfte unter Druck. Leiden darunter dann die Mitarbeiter, sinkt deren Motivation gen Null.

Mehr als fünf Millionen Arbeitnehmer haben innerlich gekündigt
Das zeigt auch der Gallup Engagement Index 2018. Das Beratungsunternehmen Gallup befragt jedes Jahr 1000 Arbeitnehmer zu ihrer Motivation am Arbeitsplatz. Das Ergebnis: Drei von vier Beschäftigten (71 Prozent) machen Dienst nach Vorschrift, über fünf Millionen (14 Prozent) haben innerlich sogar schon gekündigt. Der Grund: Die meisten leiden unter einer schlechten Führungs- und Unternehmenskultur, wie Marco Nink, Regional Lead Research & Analytics EMEA bei Gallup im Online-Magazin t3n ausführt. Kosten für die deutsche Volkswirtschaft: jährlich bis zu 103 Milliarden Euro.
5 Dinge, die einen guten Chef auszeichnen
Doch was macht einen guten Chef aus – gerade in Zeiten des digitalen Wandels, der komplexere Anforderungen mit sich bringt? Darüber haben wir mit Barbara Liebermeister gesprochen. Die Gründerin des Instituts für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ) berät vorrangig Führungskräfte aus Banken, Unternehmensberatungen, Anwaltskanzleien und Politik.

1. Stärken erkennen
„Wer heute als Chef bestehen will, muss ein klares Mindset, eine offene und positive Haltung, mitbringen“, sagt Barbara Liebermeister. Was das bedeutet? Menschen in ihrer Andersartigkeit wahrnehmen und schätzen. „Je mehr sich ein Mensch von mir unterscheidet, desto wertvoller kann er als Mitarbeiter für mein Team sein und mich als Chef ergänzen“, so die Beraterin. Heterogene Teams, unterschiedliche Talente sind gefragt. „Wer sich ganz auf die Stärken seiner Mitarbeiter konzentriert, bleibt auch in unserer schnelllebigen Zeit mit dem Kopf über Wasser.“
2. Führung ist Beziehungsarbeit
Ansagen von oben sind out. Wer führt wie von gestern, motiviert weder die eigenen Mitarbeiter noch gewinnt er neue. „Ein Chef muss Führung als Beziehungsarbeit verstehen, sich als Influencer sehen“, sagt Barbara Liebermeister. „Nur, wenn sich meine Mitarbeiter wohlfühlen, kann ich das Beste aus ihnen herausholen.“ Das zeigt auch die 2019 vom IFIDZ herausgegebene Meta-Studie zu Führungskompetenzen im digitalen Zeitalter. Wertschätzung und Mitarbeiterorientierung liegen mit 33 Prozent auf Platz drei der wichtigsten Führungskompetenzen. Das bedeutet: Den Mitarbeiter als Mensch sehen – mit all seinen Bedürfnissen.
Die Top 3-Führungskompetenzen
„Welche Kompetenzen benötigen Führungskräfte, um im Zeitalter der Digitalisierung erfolgreich führen zu können?“
Um das herauszufinden, hat das IFIDZ 61 Studien und Umfragen aus den Jahren 2012 bis 2018 analysiert und ein Kompetenz-Ranking erstellt.
- Kommunikationsfähigkeit (57 Prozent)
- Veränderungsfähigkeit (39 Prozent)
- Wertschätzung/Mitarbeiterorientierung (33 Prozent)
3. Neugierde und Mut
Die digitale Transformation stellt Führungskräfte vor eine große Herausforderung. Wer hier am Ball bleiben will, muss offen für Veränderungen sein. „Chefs dürfen dem digitalen Wandel nicht vorsichtig gegenübertreten“, sagt Barbara Liebermeister. „Sie müssen interessiert sein, ein hohes Maß an Neugierde mitbringen, gekoppelt an Mut.“ Wer dann noch ein heterogenes Team zusammenstellt, das vielleicht sogar digitaler unterwegs ist als man selbst, sei bestens aufgestellt. „Das Team kann im Zweifel dabei unterstützen, die Informationsflut für einen zu bewältigen.“

4. Fehlerkultur vorleben
Innovationen sind der Motor für Erfolg. Dazu gehöre es aber auch, Fehler machen zu dürfen, sagt Barbara Liebermeister. Nur, wer eine offene Fehlerkultur vorlebe, motiviere seine Mitarbeiter, Neues zu schaffen – und so das Unternehmen voranzubringen. „Deutschland ist Entwicklungsland, was das angeht“, so Liebermeister. „Die Konditionierung darauf, bloß keine Fehler zu machen, bringt uns aber nicht weiter. Wer Angst hat, Fehler zu machen, traut sich weniger zu.“ Chefs müssen deswegen lernen, loszulassen und der Fähigkeit ihrer Mitarbeiter zu vertrauen.
5. Vertrauen schaffen
Keiner weiß, wohin uns der digitale Wandel führen wird. Das verunsichert Führungskräfte wie Mitarbeiter. „Doch einer muss der Anker sein“, sagt Liebermeister. „Gerade in der heutigen Zeit braucht es jemanden, der Sicherheit und Orientierung gibt.“ Alles sei schnell, digital und damit für viele sexy, doch sei der Mensch im Kern eben nicht digital, sondern aus Fleisch und Blut. „Traditionelle Werte gewinnen deswegen wieder an Bedeutung. Vertrauen schaffen durch die persönliche Kommunikation – von Angesicht zu Angesicht. Darum geht es.“

Zurück ins Analoge? Face-to-face statt via E-Mail, Hangout oder Slack? Wer die Frustration seiner Mitarbeiter in Motivation umkehren will, sollte sich das zu Herzen nehmen. Kommunikation auf Augenhöhe, Authentizität und echtes Interesse für das Gegenüber – das sind die Soft Skills, die moderne Chefs auszeichnen.